Gazette Verbrauchermagazin

Kriterien für den Milieuschutz im Bezirk

Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Steglitz-Zehlendorf diskutiert

Erschienen in Gazette Steglitz und Zehlendorf Januar 2024

Milieuschutzverordnungen sollen dem Verlust von bezahlbarem Wohnraum durch unmaßstäbliche Aufwertungen entgegenwirken und damit Teile der ansässigen Gebietsbevölkerung vor Verdrängung schützen. Zentral ist es, dass die vorhandene soziale Infrastruktur auch weiterhin von der ortsansässigen Bevölkerung genutzt werden kann. Mit der Verordnung nutzt der Bezirk ein Instrument, teure Modernisierungen zu unterbinden und energetisch sinnvolle Maßnahmen zu ermöglichen. Hierzu nehmen die Fraktionen und die fraktionslosen Bezirksverordneten in der BVV-Steglitz-Zehlendorf Stellung.

René Rögner-Francke, Bezirksverordnetenvorsteher

CDU-Fraktion

Die schlechte Nachricht: Milieuschutz bringt wenig, in Deutschland fehlen 500.000 Wohnungen, das ist das Problem. Aufgrund überzogener Vorschriften – insbesondere von den Grünen vorangetrieben – ist es in Deutschland fast unmöglich, im niedrigen Preissegment Wohnungen zu bauen. Realisten würden dies ändern und andererseits den unkontrollierten Zuzug nach Deutschland beenden. Da wir aber von Ampel-Phantasten regiert werden, ist eine sachliche Betrachtung der Frage regierungsseitig nicht zu erwarten. Das gleiche gilt für die FDP-Grüne-SPD „Regierung“ von Steglitz-Zehlendorf: Position der CDU war es durchgängig, Milieuschutz zu erlassen, sobald dies rechtlich möglich ist. Seit 2022 ist dies möglich, wir halten das Versprechen. Die Mini-Ampel im Bezirk stimmt aber dagegen, dass dieselben Kriterien für den Umbau von Wohnungen gelten sollen, wie in anderen Bezirken: Wir wollen den sehr teuren Umbau für energetische Modernisierungen, wie auch für den Einbau von Aufzügen, allenfalls ausnahmsweise genehmigen, um die Mietpreise stabil zu halten. FDP-Grüne-SPD in Steglitz-Zehlendorf haben unseren diesbezüglichen Antrag abgelehnt. Unsozial!

Torsten Hippe

B‘90/Grünen-Fraktion

Die drei Steglitzer Milieuschutzgebiete sind beschlossen und treten dieses Jahr in Kraft! Mit ihnen wollen wir die Verdrängung von Mieter*innen vermeiden – und dazu sowohl die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen verhindern, als auch nicht zwingend notwendige Sanierungen, die Mieter*innen finanziell belasten. Dabei zählt die Abwägung, welche Sanierungen erforderlich sind und welche nicht: Mit dem Anstieg der Kosten für fossile Energieträger in den kommenden Jahren werden Wohnungen mit Gas- oder Ölheizungen teurer. Deshalb setzen wir uns für einen Spielraum für energetische Sanierungen auch in Milieuschutzgebieten ein, damit der Verbrauch gesenkt und Mieter*innen nicht durch steigende Heizkosten verdrängt werden. Menschen mit eingeschränkter Mobilität sollen auch weiterhin in ihren Wohnungen leben: Der Einbau von Aufzügen sollte erlaubt sein, sofern diese Barrierefreiheit schaffen und Mieter*innen finanziell nicht zu sehr belasten. Gerade Mieter*innen im Erdgeschoss müssen von den Kosten ausgenommen sein. Dadurch wollen wir als Grüne eine langfristige Perspektive für Mieter*innen in ihren Wohnungen schaffen.

Alexander Kräss

SPD-Fraktion

Seit mehr als 13 Jahren kämpfte die SPD um den Milieuschutz im Bezirk. Wir wollten verhindern, dass Wohnungen zu Spekulationsobjekt werden und Mieter nach (Luxus-) Renovierungen ausziehen müssen, weil sie die Miete nicht mehr zahlen können. Erst nachdem die CDU seit 2021 nicht mehr im Bezirk das Sagen hatte, konnten wir dies in drei Gebieten angehen, Beschlüsse fassen und umsetzen. Wie viele Steglitz-Zehlendorfer dem konservativen Motto – „wer bei uns leben will, der muss sich das leisten können“ – seither weichen mussten, weiß niemand genau. Jeder wird jedoch jemanden kennen oder auch Menschen, die bald nicht mehr die Miete zahlen können. Was wir auf Landesebene tun konnten, haben wir umgesetzt und auch wenn uns die Gerichte bei der Mietpreisbremse gestoppt hatten, schützen wir die Berliner’Innen. Auf Bundesebene müssen die Mietsteigerungen beschränkt, der Kündigungsschutz verstärkt und die Umgehungstatbestände ausgemerzt werden. Wir sind da dran und werden uns für den Schutz der Mieter starkmachen und auch für weitere Milieuschutzgebiete.

Volker Semler

FDP-Fraktion

Das Amt hat vor einem Jahr für Feuerbachstraße, Gritznerstraße Nord und Mittelstraße erstmals die Aufstellung einer sozialen Erhaltungssatzung in unserem Bezirk beschlossen. Diese sogenannten Milieuschutzgebiete sollen eigentlich vor Verdrängung schützen. Doch wenn für körperlich eingeschränkte und ältere Menschen im Eigentum notwendige Modernisierungen zur Barrierefreiheit erschwert oder gar verboten werden, ist das Ergebnis von sozialen Erhaltungssatzungen nicht selten genau Verdrängung dieser Personengruppen aus ihrem gewohnten Umfeld. Das wollen wir Freie Demokraten verhindern! Bevor die neuen Schutzgebiete in Steglitz also tatsächlich in Kraft treten, haben wir uns dafür eingesetzt, dass Modernisierungen zur Barrierefreiheit, aber auch energetische Maßnahmen im Sinne des Klimaschutzes vom Amt nicht als Luxussanierungen gewertet werden und somit weiterhin möglich sind. Aufzüge existierten schon vor 100 Jahren in Berlin und keiner verdrängte Mieter! Nicht vergessen dürfen wir zudem, dass Milieuschutz nicht den notwendigen Neubau ersetzt und wir jetzt zügig den Bebauungsplan für Lichterfelde-Süd verabschieden müssen.

Mathia Specht-Habbel

AfD-Fraktion

Milieuschutz taugt nicht als Mieterschutz. Trotz bereits bestehendem Milieuschutz steigen die Mieten weiterhin. Dafür gibt es Gründe: Der Berliner Senat hat über die landeseigenen Wohnungsbauunternehmen viel zu wenig neue Wohnungen gebaut. Diesen wenigen neuen Wohnungen stehen Zehntausende gegenüber, die eine Wohnung suchen. Das liegt einerseits an der weiterhin hohen Attraktivität Berlins für Menschen aus ganz Deutschland und weltweit. Zum anderen an den vielen Flüchtlingen, die der Senat unterbringen will. Dazu kommen noch die fehlenden Wohnungen der privaten Bauwirtschaft. Mit viel Bürokratie und öffentlichen Enteignungsdiskussionen hat man es den privaten Unternehmern so unattraktiv wie möglich gemacht, in Berlin Wohnungen zu schaffen. Die AfD fordert stattdessen: Bedürftige Mieter, die ihre Miete nicht mehr zahlen können, müssen gezielt unterstützt werden. Der Erwerb von Wohneigentum soll über staatliche Kreditprogramme gefördert werden. Insbesondere Familien sollen sehr günstige Kredite erhalten. Staatliche Eingriffe, wie der Milieuschutz, schaffen keine neuen Wohnungen – nur weitere bürokratische Hürden.

Peer Lars Döhnert

Die Linke 

Als vorletzter Bezirk erhält S-Z drei Milieuschutzgebiete. Dies ist dem jahrelangen politischen Druck von DIE LINKE. und SPD zu verdanken. Doch Milieuschutz ist ein „schwaches Schwert“, wenn die dazugehörigen Kriterien der Verwaltung nicht eindeutig und rigoros im Sinne der Beibehaltung günstiger Mieten sind. Beliebt sind bei Hauseigentümer*innen z. B. alle Arten sogenannter energetischer Sanierungen sowie der nachträgliche Einbau von Fahrstühlen- auch dann, wenn sie keinen oder nur geringen Nutzen für Klima, Barrierefreiheit und Mieter*innen haben. Diese Maßnahmen können dauerhaft auf die Mieten umgelegt werden und „Deutsche Wohnen und Co.“ nutzen sie gerne für Mieterhöhungen durch die Hintertür. Durch einen Beschluss von Grünen, SPD und FDP wird nun genau an diesen beiden Stellen der Kriterienkatalog für Milieuschutz in S-Z aufgeweicht. Der FDP kommt das sicherlich gelegen, den Grünen mag es (wie überhaupt der Milieuschutz in 15 Jahren Zählgemeinschaft mit der CDU) egal sein, die SPD aber legt damit die Axt an ihre eigene Arbeit. Erneut hat die Ampel-Zählgemeinschaft den Mieter*innen im Bezirk einen Bärendienst erwiesen.

Dennis Egginger-Gonzalez

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