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S.U.S.I., damit Multikulti funktioniert

Interkulturelles Frauenzentrum mit Geschichte

Frauen wie Jamile (l.) und Nguyen (daneben) geben S.U.S.I. eine Zukunft.
Frauen wie Jamile (l.) und Nguyen (daneben) geben S.U.S.I. eine Zukunft.
Erschienen in Gazette Schöneberg & Friedenau Mai 2024
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Schöneberg hat ein weites Herz und ist offen für alle. Kein Wunder also, dass auch das Interkulturelle Frauenzentrum S.U.S.I. – inzwischen flotte 32 Jahre alt – hier vor 11 Jahren seinen passenden Standort gefunden hat. Gleich gegenüber vom Bayerischen Platz geht es im dritten Stock eines Berliner Altbaus Solidarisch-Unabhängig-Sozial-International zu. In erster Linie Frauen unterschiedlichster Nationalitäten mit Migrations- oder/und Fluchthintergrund finden in diesem geschützten Raum Psychologische Beratung, Sozial- und Rechtsberatung sowie ein wechselndes Veranstaltungsangebot aus Bildung und Kultur. Auch wenn Frauen hier die „Erststimme“ haben: Männer sind nicht grundsätzlich ausgeschlossen, sondern können – beispielsweise in die Gendergruppe – mit einbezogen werden. Träger der verschiedenen Projekte ist der Verein „Für eine kulturvolle, solidarische Welt e. V.“, der im Herbst 1989 zur Förderung des Interkulturellen Austauschs in Ostberlin gegründet wurde und Mitglied im Paritätischen Wohlfahrtsverband ist. Unterstützt wird S.U.S.I. außerdem von der Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung, vom Bezirk Tempelhof-Schöneberg und von ehrenamtlich Tätigen.

Empowerment, Information, Unterstützung und Vernetzung

In ein fremdes Land fern ihrer Heimat zu gehen, ist für viele Frauen schwer. – Wie gut, wenn es dann dort einen „Ankerort“ gibt, an dem ihnen zugehört wird, sie in ihrer Heimatsprache sprechen können, Beratung, Unterstützung und Gleichgesinnte finden und ganz sie selbst sein dürfen, selbstbestimmt und selbstbewusst.

Nicht nur die Besucherinnen von S.U.S.I., auch die meisten Mitarbeiterinnen der Institution – feste Kräfte, Honorarkräfte und Ehrenamtliche – bringen Migrationsgeschichte und unterschiedliche berufliche Kompetenzen mit. So gehören muttersprachliche Beratungen und Kultureller Austausch in Sprachen wie Arabisch, Armenisch, Englisch, Griechisch, Italienisch, Hindi, Kurdisch, Persisch, Polnisch, Portugiesisch, Rumänisch, Russisch, Spanisch, Somali, Türkisch, Vietnamesisch und Deutsch zum breiten Angebot. Geschäftsführerin Jamile da Silva e Silva hat brasilianische Wurzeln und ist längst in Deutschland angekommen. Als staatlich anerkannte Sozialarbeiterin mit MSc. in Gender Studies bringt sie für S.U.S.I. wichtige Voraussetzungen mit. Sie erklärt: „Im Gespräch in ihrer Muttersprache öffnen sich die Frauen viel eher und überwinden eventuelle Schwellenangst schneller.“ Jamile´s „Erstsprache“ ist Portugiesisch. An ihrer Seite die Koordinatorin der Sozialberatung Nguyen Quynh, mit vietnamesischen Wurzeln und zwei Muttersprachen: Deutsch und Vietnamesisch. Doch nicht nur die Information, auch der Spaß kommt in Workshops, Veranstaltungen und Gruppenangeboten nie zu kurz, egal ob beim regelmäßigen Indischen „Ladies Corner“, beim Tanzpädagogik-Workshop oder beim Kreis der Heilung für Schwarze & Frauen. Lesungen, Filmvorführungen und Konzerte verbinden und lassen näher zusammenrücken. Zum weiteren Angebot gehört auch die Betreuung von Frauen mit Migrationshintergrund im Strafvollzug durch S.U.S.I. – Einst wichtiger Stützpfeiler des jungen Interkulturellen Frauenzentrums, das sich dabei besonders auf Frauen aus Lateinamerika konzentrierte. Heute richtet sich dieses Angebot verstärkt an vietnamesische und polnische Frauen.

Längst interessieren sich auch die Museen Tempelhof-Schöneberg im Rahmen ihres Archivprojektes „Vielfalt der Erinnerung“ für diese älteste migrantische Selbstorganisation in Berlin, dokumentieren ihre Perspektiven auf die Bezirksgeschichte und erweitern damit das im Bezirksamt angesiedelte Archiv zum Thema „Diversität der Gesellschaft“ mit Sicht auf Personen und Orte im Bezirk.

Anlaufstelle und Schutzraum für Körper und Geist

Einladend und großzügig die Räumlichkeiten, in denen S.U.S.I. residiert und den Frauen Raum zur Entfaltung von Körper und Geist bietet: Mit multikulturell und vielsprachig sortierter Bibliothek, Büro- und Beratungsräumen, geräumiger Küche und Veranstaltungsraum, der mit Tresen, Grünpflanzen, Technik und Leinwand kaum Wünsche offen lässt. Derzeit beeindrucken an den Wänden Werke der Ukrainischen Modedesignerin, Performerin und Malerin „Yema“ Olena Klochko aus Bachmuth, deren Geschichte für das Schicksal und die ungebrochene Kraft so vieler ukrainischer Frauen steht. Nach Berlin mit ihren Kunstwerke vor dem Krieg geflohen, hat sie hier seit 2022 an bereits 12 Ausstellungen teilgenommen.

Auch wenn das Angebot im Frauenzentrum breitgefächert ist, wünschen sich Jamile und ihre Mitarbeiterinnen größere finanzielle Möglichkeiten, um eigene Projekte auf die Beine stellen zu können, und eine bessere Bezahlung der Honorarkräfte. „Zwar haben wir 2023 mehr als 3.550 Beratungen durchgeführt. Doch der Bedarf ist sehr hoch. Mit mehr Mitteln könnten wir mehr Mitarbeiterinnen für weitere Beratungsangebote beschäftigen.“

Wie alles begann

Gründerin des Interkulturellen Frauenzentrums ist Christiane Barckhausen-Canale, die heute in Italien lebt. In ihrem Ostberliner Wohnzimmer trafen sich am 3. Oktober 1989 Frauen zum Netzwerken. Ziel ihrer Arbeit war es, Frauenprojekte zu fördern und ein Internationales Begegnungszentrum zu schaffen. Ähnliche Institutionen entstanden damals reichlich, doch die S.U.S.I.-Frauen erwiesen sich mit ihrer Projektgruppe dann als besonders aktiv und sozial motiviert; mit dem Ziel, in erster Linie ausländischen Frauen, die in der DDR lebten, greifbare Unterstützung zu geben. Auf dem Programm standen Deutsch für Ausländer, Mieterberatung und der Plan der Kinderbetreuung. Die Frauen besetzten ein Haus im Scheunenviertel, erhielten einen Mietvertrag und richteten es zur multikulturellen Nutzung ein. 1993 initiierte S.U.S.I. bereits für Frauen im Vollzug Kosmetikkurse mit Abschluss und gab ihnen so solides Rüstzeug für einen Neubeginn in ihrer Heimat an die Hand. Frauen aus anderen Kontinenten einen erfolgreichen Weg aus drohender Isolation hin zu Unabhängigkeit und Selbstbestimmung zu weisen, ist auch heute der Ansatz, mit dem S.U.S.I. die Türen zum Interkulturellen Frauenzentrum in Schöneberg weit offen hält. – Mit 32 im besten Alter und noch lange nicht im Ruhestand.

Weitere Informationen unter www.susi-frauen-zentrum.com/.

Jacqueline Lorenz

Interkulturelles Frauenzentrum S.U.S.I.

Bayerischer Platz 9
(Eingang: Innsbrucker Straße 58)
10779 Berlin

Titelbild

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