Buch- und Spaziertipp: „Wir Kinder vom Heidehof“
Auf den Spuren von Oliver Jesgarek
Erschienen in Nikolassee & Schlachtensee Journal Februar/März 2025
Rechtzeitig zum diesjährigen Jubiläum „100 Jahre Heidehof“ (siehe Gazette Journal Nr. 5 2024) hat Oliver Jesgarek das kurzweilige Taschenbuch „Wir Kinder vom Heidehof“ herausgebracht. 1966 geboren und in dieser Idylle, die „ein bisschen Bullerbü in (West)-Berlin“ vermittelte, inmitten etlicher Nachbarskinder aufgewachsen, ist das Buch seine liebevolle Hommage an diese in viel Grün eingebettete Gartenwohnsiedlung in Schlachtensee und an eine unbeschwerte Kindheit und Jugend in nie langweilig werdendem Dreigenerationen-Haushalt. Gleichzeitig ist es die Erinnerung einer Generation, „die ihre ganze Freizeit auf der Straße verbracht hat, Verstecken spielte, bis es dunkel wurde und noch Fotos und Alben gesammelt hat“. Persönlich auf 173 Seiten in 20 Geschichten erzählt und angereichert mit alten und aktuellen Fotografien, macht das Buch Lust, diese in rotem Backstein erstrahlende Siedlung beim Spaziergang auf den Spuren des Autors näher zu erkunden. Zur besseren Orientierung trägt die im Buch abgedruckte Karte bei.
Ein Zeitzeuge erzählt
Auch wenn Oliver Jesgarek inzwischen in Kleinmachnow lebt, hat er doch diesen besonderen Ort seiner Jugend und seine Freunde aus dieser Zeit nie vergessen und ist auch heute noch gern mit Frau und Tochter in der Heidehof-Siedlung in Zehlendorf West unterwegs. – Am liebsten natürlich zu den Orten seiner Kindheit, dort wo er mit seinem kleinen Bruder Patrick inmitten einer elfköpfigen Schar nahezu Gleichaltriger in dieser Stadtoase manch Abenteuer erlebte. – Sei es beim ungewollten Abfackeln eines Weidenbaumes, mit halsbrecherischer Fahrt durch selbstgebauten Eiskanal, beim schlagkräftigen Faschingsfest oder spannenden, wenn auch für den 1. FC Heidehof nicht ganz so erfolgreichen Fußballspiel gegen den FC Potsdamer Chaussee. Auch wenn es zu dieser Zeit noch kein Smartphone oder Tablet gab – langweilig wurde es den jungen Leuten nie, schließlich hatten sie sich, ihre Fantasie, Ideen und Familien, die im Ernstfall verlässlich hinter ihnen standen. So setzt das Buch auch Olivers eigener Familie ein würdiges Denkmal und lässt die Vergangenheit lebendig werden.
Einen wichtigen Grund, es zu schreiben, nennt der Autor so: „Über die Architektur der Siedlung wurde schon viel geschrieben. Über die Lebensgeschichten deren Bewohner, Familien und Kinder wurde aber nie erzählt.“ Diese Lücke schließt nun Oliver Jesgarek als Stellvertreter der Generation X.
Im eigentlichen Berufsleben ist er heute Steuerberater mit eigenem Steuerbüro in Wilmersdorf. Er hat unter Pseudonym schon einige Bücher veröffentlicht, biografisch aber noch Etliches zu bieten, das Stoff für weitere Bücher liefern dürfte. Bis zu seinem 18. Lebensjahr lebte der Autor in der Heidehof-Siedlung. Zuerst mit Großeltern, Mutter und Bruder im Reihenhaus im Heidehof 9, später dann mit Mutter und Bruder gegenüber in der Nummer 50. Aktuell sitzt der Autor an den Vorarbeiten zu einem Steuerkrimi.
Was er sich selbst für seinen Heidehof-Band wünscht? Die Antwort: „Es wäre schön, wenn durch diese sehr persönliche Biographie wir Kinder vom Heidehof uns wiederfinden und noch einmal an Ort und Stelle unserer Abenteuer zusammentreffen würden.“
Heidehof-Siedlung
Die Siedlung umfasst das Areal zwischen heutiger Niklas- und Bergengruenstraße bis hin zur Potsdamer Chaussee. Von 1923 bis 1925 wurde sie nach Plänen der Architekten Paul Mebes und Paul Emmerich erbaut. Oliver Jesgarek schreibt in seinem Buch: „Die expressionistische Architektur genoss bereits zur Fertigstellung im Jahr 1925 große Aufmerksamkeit und Anerkennung in der Fachwelt und Bevölkerung.“ Seit 1983 steht sie unter Denkmalschutz. Große Frei- und Grünflächen mit Rodelbahn und Bolzplatz ließen sie zur beliebten Oase der Großstadt werden, ist von dem insgesamt sechs Hektar großen Gelände doch nur etwa ein Hektar bebaut. 26 Mehr- und 47 Einfamilienhäuser mit kleinen Gärtchen verleihen einen eher ländlichen Charakter, in denen auch alte Bäume eine Zukunft haben und der Siedlung ein nahezu alterloses Gesicht geben.
Jacqueline Lorenz