Gazette Verbrauchermagazin

Lernmittelfreiheit

Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Steglitz-Zehlendorf diskutiert

Erschienen in Gazette Steglitz und Zehlendorf August 2018

Ab Sommer des Jahres gilt wieder in den 1. – 6. Klassenstufen eine Lernmittelfreiheit. Auf diese Regelung hatte sich der Senat nach internen Diskussionen geeinigt. Was einerseits die Eltern entlasten wird, führt andererseits zu Befürchtungen in den Schulen, bei den angekündigten Regelungen der finanziellen Ausstattung durch die Schulbehörden insgesamt Einbußen hinnehmen zu müssen. Im Folgenden nehmen die Fraktionen in der BVV Steglitz-Zehlendorf zu diesem Thema Stellung.

CDU-Fraktion

Als Berlin unter einen rot-roten-Senat sparen sollte bis es „quietscht“, wurde die Lernmittelfreiheit eingeschränkt. Eltern mussten bis zu 100 Euro pro Jahr zuzahlen, elterngeführte Lernmittelfonds wurden eingeführt, später gesetzlich verankert, ebenso die Ausnahmen bzgl. des Eigenanteils. Diese Regelung ist allgemein akzeptiert, Eigenbeteiligung stärkt auch die Eigenverantwortung. Nun ist unsere Landesregierung auf die Idee gekommen, die elterliche Zuzahlung erst einmal für die Grundschule wieder abzuschaffen, die anderen Schulen sollen folgen. R2G lässt sich für diese vermeintliche soziale Großtat feiern, verschweigt aber, dass die Schulen die Leidtragenden sind. Sie werden zukünftig finanziell schlechter gestellt sein. Für 2018/19 gibt es zwar eine kleine Ausgleichszahlung (Problem erkannt), aber dann nicht mehr (R2G will die Schlechterstellung). Wer ohne Not etwas gut funktionierendes abschafft und dabei die unmittelbar Betroffenen – die Schulen – finanziell schlechter stellt, handelt nicht verantwortungsvoll!

Harald Mier

SPD-Fraktion

In Zukunft bekommen wieder alle Schüler/Innen der Klassen 1-6 die Bücher von der Schule gestellt. Die Eltern-Zuzahlungen von bis zu 100 Euro gehören damit der Vergangenheit an. Das Land Berlin investiert 8 Mio. Euro in die Lernmittelfreiheit. Bildung ist eine staatliche Aufgabe und daher ist dieser Schritt gut und richtig. Pro Schuljahr stehen 75 Euro zusätzlich für alle Schüler/Innen bereit, die bisher nicht von der Zuzahlung befreit waren. Aber nicht alle Bezirke reichen die Gelder an die Schulen weiter. Eine entsprechende Anfrage der SPD-Fraktion in der BVV ist noch unbeantwortet, die Schulen berichten aber von einem pauschalen Abzug von 10 Prozent für „Wertausgleichsmaßnahmen“ in unserem Bezirk. Auch wenn einige Schulen nun mit weniger Geld auskommen müssen, weil sie bisher den gesetzlichen Rahmen der Elternbeteiligung von 100 Euro voll ausgeschöpft haben, ist diese Entscheidung richtig. Wichtig ist, dass nun die Bezirke alle Gelder an die Schulen weitergeben und die gemachten Erfahrungen in den Doppelhaushalt 2020/2021 einfließen und der Ansatz ggf. angehoben wird.

Jan Kellermann

AfD-Fraktion

„Die rot-rot-grüne Koalition möchte die Lernmittelfreiheit wieder einführen“ berichtet der Tagesspiegel am 16.05.17, Eltern und Schulen freuen sich – aber zu früh. „Die Lernmittelfreiheit wird für Schulen teuer“, Tagesspiegel vom 03.07.18. Unterm Strich steht weniger Geld zur Verfügung – aber mehr Arbeit für die Schulen. Der Trick ist einfach und wird gerne vom Senat angewendet. Man verkündet, dass so und so viel Geld für Leistung zur Verfügung gestellt wird. Das suggeriert, der Senat tut was für die „Soziale Gerechtigkeit“. In der Praxis schaut es dann so aus: Um die Leistung zu bekommen müssen Bedürftige Termine wahrnehmen und Anträge stellen. Wer diesen Bettelgang durchsteht hat vielleicht Glück, denn die Leistung kann bewilligt werden, muss aber nicht. Sehr wahrscheinlich ist auch, dass es keinen Sachbearbeiter gibt, wegen fehlender Stellenbesetzung oder Krankheit. Dagegen kann natürlich Widerspruch eingelegt werden. Welche alleinerziehende Mutter hat schon auf Dauer die Nerven, steht ihr Nervenkostüm eh stets unter voller Belastung. Sprechen Sie mal mit den Leuten, sie haben die Schnauze gestrichen voll.

Peer Lars Döhnert

FDP-Fraktion

Lernmittelfreiheit – auf den ersten Blick ein Vorteil für alle Eltern und Kinder in den 1.-6. Klassen. Auf den zweiten Blick ist zu befürchten, es wird weniger Geld bei den Schulen ankommen, weil der Eigenanteil der Eltern wegfällt, die Senatsschulverwaltung den Etat nicht so erhöhen wird, dass die Schulen genau soviel Geld wie bisher erhalten oder der Bezirk kürzt diese Summe. Bis jetzt haben ca. 40 Prozent der Kinder sozialbedingt ihre Bücher kostenlos erhalten. Das soll so bleiben. Dass auch Kinder von Gutverdienern diesen Vorteil erhalten sollen, wollen wir Freien Demokraten so nicht. Viele Schulen sind mithilfe ihrer Fördervereine sich ihrer Eigenverantwortung bewusst geworden und haben Lösungen gesucht und diese gefunden. Es gibt Bücherfonds und Basare, manche Kinder nutzen die Bücher ihrer Geschwister. Das kann auch zur Schonung von Ressourcen beitragen, dann wird nur das angeschafft, was wirklich gebraucht wird. Um Kinder fit für die Digitalisierung zu machen, darf es neben Büchern gern auch z. B. ein iPad sein. „Was (Mühe) kostet, ist uns etwas wert!“ – Das kann auch ein Antrag der Eltern für Lernmittel sein.

Mathia Specht-Habbel

Linksfraktion

Die Linksfraktion Steglitz-Zehlendorf setzt sich für gute Bildung für alle Kinder ein – sie darf nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen! Wir begrüßen daher, dass die Lernmittelfreiheit für die Klassen 1 bis 6 wieder eingeführt wird. Zum nächsten Schuljahr erhalten alle Grundschüler*innen Bücher und Arbeitshefte kostenfrei, was für die Familien eine Entlastung von bis zu 100 Euro pro Kind und Jahr bedeutet. Das Land Berlin gibt zudem pro Kind 100 Euro extra aus, damit ein Büchergrundstock an den Schulen aufgebaut werden kann. Wir fordern das schwarz-grüne Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf auf, die gesamte vom Senat für Lernmittel zugewiesene Summe auch an die Schulen weiter zu geben und nicht 10 Prozent davon z. B. für die Wartung von Sportgeräten einzubehalten. Andere Bezirke geben die Gelder ungekürzt an die Schulen weiter. In einem nächsten Schritt müssen die Familien von Schüler*innen ab der 7. Klasse ebenfalls von den Zuzahlungen für Lernmittel befreit werden! Gerade Familien mit mehreren Kindern, die zur Schule gehen, sind auf diese Entlastung dringend angewiesen! Das ist eine Frage der Bildungsgerechtigkeit!

Hans-Walter Krause

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