Gazette Verbrauchermagazin

Straßenbahn in Steglitz-Zehlendorf

Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Steglitz-Zehlendorf diskutiert

Erschienen in Gazette Steglitz und Zehlendorf September 2018
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Die Straßenbahn könnte in Zukunft bis zum Rathaus Steglitz fahren.
Die Straßenbahn könnte in Zukunft bis zum Rathaus Steglitz fahren.

Im Zuge der Diskussionen über den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs in Berlin bestehen seitens des Senats auch Planungen über die Verlängerung der Straßenbahn vom Potsdamer Platz über Schöneberg und die Schloßstraße bis zum Rathaus Steglitz. Diese Planungen sind nicht unumstritten und deshalb auch Gegenstand der Erörterungen in der Bezirksverordnetenversammlung. Im Folgenden stellen die Fraktionen in der BVV Steglitz-Zehlendorf ihre Vorstellungen zu diesem Thema dar.

CDU-Fraktion

Die CDU lehnt eine Verlängerung der Tram von Mitte bis nach Steglitz – insbesondere über die Schloßstraße ab. Ohne eine, von den restlichen Verkehrsteilnehmern getrennte Fahrspur ergibt eine Straßenbahn keinen Sinn. Diese ist auf der Schloßstraße nicht zu realisieren. Früher fuhr die Straßenbahn in der Straßenmitte; hier wurden Bäume gepflanzt; darunter befindet sich die U-Bahn - statisch dürfte die Straßenbahn hier nicht mehr fahren können. Sofern die Straßenbahn auf die derzeitige Busspur verlegt wird, müssten die Fahrradfahrer, die derzeit die Busspur ebenfalls nutzen, weichen. Eine verbleibende Fahrspur für Autos, Zulieferer und Fahrradfahrer führt zu zusätzlichen Staus und Gefahren für den Radverkehr. Zudem kann die Straßenbahn, anders als ein Bus, verbotswidrig haltenden Fahrzeugen nicht ausweichen - die Straßenbahn und ihre Fahrgäste müssten auf den Abschleppdienst warten. Probleme entstehen auch bei technischen Defekten oder Unfällen bei und mit der Straßenbahn - da räumlich keine Umfahrungsstrecken existieren, käme der Straßenbahnverkehr stets zum Erliegen. Alles in allem kein Gewinn für die Schloßstraße, Steglitz-Zehlendorf und seine Bürger.

Jens Kronhagel

SPD-Fraktion

Die Abschaffung der Straßenbahn in Berlin (West) war ein Fehler. Die Straßenbahn ist ein modernes, umweltfreundliches und massentaugliches Verkehrsmittel. Der Verkehrsraum für Autos, Radfahrer, öffentlicher Nahverkehr und Fußgänger muss in einer urbanen Stadt wie Berlin neu aufgeteilt werden. Auf Grund der wachsenden Stadt, ist der Druck auf funktionierende Verkehre hoch. Dem öffentlichen Nahverkehr kommt hier eine besondere Bedeutung zu. Die Anbindung vom Rathaus Steglitz vom Stadtzentrum (Potsdamer Platz, Alexanderplatz) aus, ist eine direkte Magistrale durch viele urbane Kieze, die miteinander verknüpft werden. Schon heute ist der M48 ein staugeplagter und überfüllter Bus (Plätze 110). Eine Straßenbahn, auf meist eigenem Fahrstreifen ist schneller, kann rund 250 Fahrgäste in einem Zug befördern. Eine Erhöhung der Kapazität bei gleichzeitigem Einsparen von Ressourcen ist eine umwelt- und verkehrspolitische richtige Maßnahme. Der Platz für die Straßenbahn ist auf dieser Magistrale vorhanden, ohne andere Verkehrsteilnehmer stark zu beeinträchtigen. Weniger Lärm, weniger Feinstaub, mehr Lebensqualität für die Anwohner*innen.

Norbert Buchta

B‘90/Grünen-Fraktion

Straßenbahn für Steglitz-Zehlendorf? Aus unserer Sicht: ja, richtig gemacht! Die „Elektrische“ wurde in Berlin erfunden, ihre erste Strecke war in Steglitz. Taktverdichtungen bei U- und S-Bahn sowie der Ausbau der Tram reduzieren den Autostau. Der Ausbau der leistungsfähigen und beliebten Tram ist viel günstiger, umfassender und früher zu realisieren als die oft genannte U-Bahn-Erweiterung. So können Verkehrserfordernisse zeitnah realisiert werden. Mit dem Bündnis Pro Straßenbahn fordern wir die Tram weitgehend in breiten Straßen, auf eigener Trasse. Damit steigt die Leistungsfähigkeit solch breiter Straßen für den Verkehr, wie auch mit Radstreifen. In vielen Gegenden, gerade in der Außenstadt, in unserem Bezirk, entsteht so endlich eine hoch attraktive Alternative zum Auto, auf die junge Familien und ältere Menschen sich freuen können. Dabei entstehen auch sichere Gleisquerungen. Historische Fotos zeigen die Tram in der Schloßstraße. Hier kann sie wieder zur Stärkung des Einzelhandels beitragen. Insgesamt wird Berlin, wird unser Bezirk attraktiver und lebenswerter. Deswegen setzen wir uns mit Nachdruck für die Tram ein.

Bernd Steinhoff

AfD-Fraktion

Vorab: Solange keine Lückenschließung zwischen U-Bhf. Krumme Lanke und S-Bhf. Mexikoplatz erfolgt, wird sich die AfD schwertun, sich für Ideen zu begeistern, die unausgegoren sind. Die Begeisterung für Straßenbahnen teilen wir nicht. Die Straßenbahn ist eine der teuersten und unflexibelsten Verkehrsmittel: Waggonbau, Trassenbau, Oberleitung und Wartung kosten ein Vielfaches gegenüber Bussen im Expressverkehr auf Busspuren. Neben den Kosten ist der Flächenverbrauch ein weiteres KO-Kriterium. Steglitz-Zehlendorf ist bis auf wenige Teilstücke und Verlängerungen gut mit schienengebundenen Verkehrsmitteln erschlossen. So ist die Fokussierung auf folgende Planungen zu setzen: die zuvor genannte Lückenschließung, die geplante Verlängerung der U9 von Rathaus Steglitz zum S-Bhf. Lankwitz. In wieweit die Anbindung des Klinikums Steglitz an das U-Bahnnetz nützlich ist, ist sicher ein Überlegung wert. Ebenso die Planung um die Stammbahn von Zehlendorf Mitte über Kleinmachnow und Stahnsdorf nach Potsdam. Alles viel interessanter, als auf der Bundesstraße 1 quer durch den Bezirk von Steglitz bis zur Glienicker Brücke eine Tram fahren zu lassen.

Peer Lars Döhnert

FDP-Fraktion

Die Straßenbahn (Tram) ist in vielen Städten ein fester Teil des ÖPNV. In Steglitz-Zehlendorf wurde die letzte der wenigen Routen bereits 1963 stillgelegt. Die Tram bringt dort Vorteile, wo sie günstig einzurichten ist, um mit kurzen Halteintervallen als exklusiver Zubringer zu ÖPNV-Knotenpunkten zu dienen. Die Tram ist schienengebunden und sie benötigt Strom, der meist durch sichtbare Oberleitungen zugeführt wird. An ihren Endstationen benötigt sie Einrichtungen um zu wenden. Werden die Trassen nicht gesondert ausgeführt, fährt und hält die Tram auf der Fahrbahn, auf der sich auch die anderen Fahrzeuge bewegen. Es sind daher einerseits Vorkehrungen für einen sicheren Ein- und Ausstieg zu treffen, andererseits stellen die Schienen insbesondere auch eine Gefahr für Zweiradfahrer dar. Planungen, nach denen erst neu einzurichtende Straßenbahnlinien parallel zu bereits vorhandenen U- und S-Bahn-Verbindungen verlaufen sollen, stehen wir eher kritisch gegenüber. Die Freien Demokraten (FDP) unterstützen die Tram dort, wo sie Sinn bringt. In Steglitz-Zehlendorf sind dem ideologiefreien Einsatz der Tram jedoch enge Grenzen gesetzt.

Andreas Thimm

Linksfraktion

Wer kennt das nicht? Zum Einkauf in die Schloßstraße – im überfüllten M48 mit vollgepackten Tüten stehen, über die ausgefallene Rolltreppe an der U9 schimpfen, sich den schmalen Bürger*innensteig mit Hunderten Menschen teilen usw. Wie entspannend ist da der Gedanke an eine Straßenbahn, die den ÖPNV entlasten würde. Ein ruhiges, umweltfreundliches Verkehrsmittel, das zudem eine Traditionsgeschichte in Steglitz-Zehlendorf hat: Die letzte Tram fuhr Anfang der 1960er Jahre. Aber nicht Nostalgie, sondern die Erkenntnis, dass eine wachsende Stadt eine ökologische Anpassung der Verkehrsinfrastruktur benötigt und u.a. die Schloßstraße dringend von Individualverkehr entlastet werden muss hat DIE LINKE. dazu bewogen, bereits 2011 im Bezirkswahlprogramm die Verlängerung der M4 vom Alexanderplatz bis Steglitz zu fordern. Diese Forderung haben wir 2016 bekräftigt und die neue Linksfraktion bleibt dran: In die BVV haben wir Anträge eingebracht, das Bezirksamt möge Schritte dahingehend unternehmen, dass die Tram in der Schloßstraße und anderen Teilen des Bezirkes Wirklichkeit werden kann (siehe beispielsweise Anträge 0692/V + 0693/V).

Mathias Gruner

Titelbild

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