Gazette Verbrauchermagazin

Wie sollte das moderne Bürgeramt aussehen?

Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Charlottenburg-Wilmersdorf diskutiert

Erschienen in Gazette Charlottenburg und Wilmersdorf September 2018
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CDU Fraktion Wilmersdorf

Die Bürgerämter – eigentlich sollen sie Behördengänge vereinfachen, aber oft gibt es Beschwerden über lange Wartezeiten und Schwierigkeiten, Termine zu bekommen. In der digitalisierten Welt könnte das Bürgeramt ganz anders aussehen.

Die Fraktionen in der BVV Charlottenburg-Wilmersdorf nehmen in den folgenden Beiträgen zu diesem Thema Stellung.

SPD-Fraktion

Wir leben in einer Zeit, in der viele wie selbstverständlich täglich online Einkäufe oder auch sensible Bankgeschäfte tätigen. Warum sollten dann die Anliegen im Bürgeramt immer noch auf Termine vor Ort und das Ausdrucken von Formularen ausgelegt sein? Die Modernisierung und Digitalisierung von Verwaltungsabläufen muss aus Sicht der SPD-Fraktion noch stärker vorangetrieben werden. Diese müssen dabei möglichst papierlos und vor allem medienbruchfrei und einheitlich sein. Für die SPD gehören zu einem modernen Bürgeramt folgende Elemente:

Bürgerämter müssen für alle gut erreichbar sein. Das bedeutet eine gute Verteilung der Standorte im Bezirk, flexible Öffnungszeiten, zeitnahe Terminfindung und kurze Wartezeiten. Ohne Termin und Wartezeit muss es möglich sein, an Self-Service-Terminals z. B. Ausweise zu beantragen oder die Eingabe von Fingerabdrücken, Unterschriften oder Fotos zu erledigen. Auch Auskünfte sollten hier abrufbar sein. Die Verfahren könnten so deutlich beschleunigt und vereinfacht werden. Der wichtigste Schritt ist aus unserer Sicht, dass Beantragung und Bearbeitung auch online durchführbar sind. Hierzu müssen schnell die technischen Voraussetzungen geschaffen werden. Selbstverständlich gehört auch dazu, dass der Bearbeitungsstand online einsehbar ist.

Alexander Sempf

CDU-Fraktion

Für die CDU-Fraktion müssen Bürgerämter kunden- und zukunftsorientiert sein, die Technik benutzerfreundlich. Nach Jahren des Sparens durch Rot-Rot hat unter Beteiligung der CDU in der letzten Wahlperiode der Umschwung begonnen, dieser benötigt jedoch Zeit. Die zwischen den Bezirken vereinbarten Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung haben zu ersten Erfolgen geführt, müssen aber weiter konsequent verfolgt und umgesetzt werden. Kurze Wartezeiten auf einen Termin sind das eine, das andere ist, dass man sich viele Behördengänge sparen kann, wenn man die Dienstleistung von unterwegs erledigt oder von zuhause vornimmt. Parallel muss die Digitalisierung voranschreiten, hier ist ein Baustein der sogenannte Self-Service-Terminal mit dem man ohne Wartezeit selbstständig eine Dienstleistung im Bürgeramt erledigen kann. Neben bereits bestehenden Online-Abwicklungen muss das Angebot der ServiceApp schnellstens weiter ausgebaut werden (z. B.: Beantragung des Führerscheins). Hierzu sind Informationsangebote für Bürgerinnen und Bürger unerlässlich. Um die Aufgaben bewältigen zu können, muss in Personal und Technik weiter investiert werden.

Simon Hertel

B‘90/Grünen-Fraktion

Bürgeramt: damit verbinden viele immer noch langes Warten auf schmucklosen Verwaltungsfluren. Das moderne Bürgeramt ist deshalb vor allem digital: die rot-rot-grüne Senatskoalition hat dafür das Service-Konto Berlin eingerichtet. Viele Behördengänge – etwa für Kita-Gutscheine, Parkvignetten oder Gewerbeanmeldungen – lassen sich damit jetzt schon online erledigen. Zukünftig werden die Berliner*innen alle wichtigen Bürgerdienste rund um die Uhr von Zuhause aus nutzen können. Die Verwaltung wird damit bürgerorientierter, aber auch effizienter: der bürokratische Aufwand lässt sich mit der Digitalisierung erheblich reduzieren. Wichtig ist für uns Grüne, dass der Schutz der persönlichen Daten oberste Priorität hat. Die Bürger*innen müssen jederzeit feststellen können, welche Angaben über sie gespeichert sind und welche Freigaben sie erteilt haben. Die Sicherheit der Daten vor unerlaubten Zugriffen muss von Anfang an gewährleistet sein. Nicht zuletzt: auch in Zeiten der Digitalisierung kann eine persönliche Beratung durch die Mitarbeiter*ìnnen der Verwaltung unverzichtbar sein oder von den Bürger*innen gewünscht. Es bleibt wichtig, dafür schnell und unkompliziert einen Termin in einem nahegelegenen Bürgeramt zu erhalten.

Christoph Wapler

FDP-Fraktion

In den letzten Jahren hatten die Bürgerämter einen schlechten Ruf, da sie aufgrund von Personalmangel nur wenig bürgerfreundlich agieren konnten. Mittlerweile haben sich die Wartezeiten in den Bürgerämtern verbessert. Nichtsdestotrotz gibt es noch eine Menge Verbesserungsbedarf. Als Freie Demokraten sind wir davon überzeugt, dass die Verwaltung Dienstleister für die Bürgerinnen und Bürger sein muss. Die Bürgerämter müssen sich deshalb an den Bedürfnissen der Menschen orientieren. Dazu gehört insbesondere eine Anpassung der Öffnungszeiten – mindestens einmal pro Woche sollten die Ämter bis 20 Uhr und zumindest einmal im Monat am Samstag geöffnet sein. Niemand sollte sich extra frei nehmen müssen, um Gänge zum Bürgeramt zu erledigen. Wann immer möglich, sollten Online-Angebote den Weg zur Behörde ersparen. Zur Beschleunigung der Besuche vor Ort möchten wir zudem überall Selbstbedienungsterminals einführen. Die persönliche Beratung soll im Gegenzug aber nicht abgeschafft werden. Jeder, der diese wünscht, kann sie auch weiter bekommen und profitiert davon, wenn sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mehr Zeit nehmen können.

Pascal Tschörtner

AfD-Fraktion

Sabine D. sitzt im November 2020 in Charlottenburg abends gelangweilt vor dem Fernseher, in dem auf einem zwangsfinanzierten öffentlich-rechtlichen Kanal die x-te Wiederholung einer angestaubten Serie über den Bildschirm flackert. Da fällt ihr ein, dass sie vor wenigen Tagen von ihrem Bürgeramt eine Mail mit dem Hinweis, ihr Personalausweis laufe in Kürze ab, erhalten hatte. Sie öffnet die Mail auf ihrem Laptop, klickt den dort vorhandenen Link an und landet sofort auf der Webseite ihres Bürgeramtes, auf dem ihre persönlichen Angaben bereits voreingetragen sind. Per Mausklick bestätigt sie die Angaben, dann öffnet sich ein Dialogfenster zur Entrichtung der Verwaltungsgebühr. Nachdem sie die Angaben ihrer Kreditkarte bestätigt hat, öffnet sich ein weiteres Fenster. Dort wird sie gefragt, wohin sie den neuen Personalausweis – in frühestens zwei Wochen – zugestellt haben möchte. Sie trägt den Freitag in drei Wochen zwischen 10 und 11 Uhr in ihrem Büro am Hohenzollerndamm ein und ist erleichtert, dass dann ein Kurier des Bürgeramtes ihr persönlich den Ausweis aushändigen wird und sie nicht mehr extra ins Rathaus fahren muss, um ihn abzuholen. – So komfortabel und bürgerfreundlich muss das Bürgeramt der Zukunft werden!

Markus Bolsch

Linksfraktion

Anders. Die Stadt Berlin ist weiter gewachsen ebenso wie das Angebot an ihre Bewohnerinnen und Bewohner. Die Digitalisierung der Verwaltung ermöglicht den Bürgerinnen und Bürgern in Zukunft, etwa ihre Anträge von zu Hause oder unterwegs zu stellen. Die Rückmeldung, welche Unterlagen fehlen, kommt sofort, nicht Wochen später. Wartezeiten auf dem Flur gibt es im E-Government nicht. Das aber setzt voraus, dass die Online-Dienste nutzerfreundlich, vielseitig und nicht weniger sicher sind. Für einige soll das Bürger*innenamt mit den digitalen Angeboten wirtschaftlicher werden. Für die LINKE muss es vielmehr effizienter sein, um nicht immer nur Kosten, sondern Aufwand und Arbeit zu sparen – für beide Seiten. Das Bürger*innenamt von morgen ist ein zuverlässiger und nicht ständig unterbesetzter Arbeitsplatz, das auf sein gut geschultes Personal nicht verzichten kann. Denn es dient neben der Bearbeitung von Anträgen vor allem als Anlaufpunkt für die Beratung vor Ort und als direkter Kontakt bei Fragen. Die Berlinerinnen und Berliner wünschen sich schon lange mehr Service von ihren Ämtern. Aber vielleicht sollten wir sie einfach selbst fragen. Denn das moderne Bürger*innenamt öffnet sich ihren Ideen und Wünschen.

Annetta Juckel

Titelbild

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