Erschienen in Gazette Charlottenburg und Wilmersdorf Dezember 2018
Die Fraktionen in der BVV Charlottenburg-Wilmersdorf nehmen in den folgenden Beiträgen zu diesem Thema Stellung.
Bisher war das Hauptziel der Verkehrsplaner, bei den anstehenden Neubau- und Sanierungsarbeiten an der A 100 die mehr als 50 Jahre alten Autobahnbauten zu erneuern und so wenig wie möglich zu verändern. Aber wollen wir wirklich die Autobahnplanungen aus den 50er-Jahren um weitere 50 – 60 Jahre festzementieren und -asphaltieren? Wir meinen nein und haben schon verschiedene Anträge in die BVV, aber auch ins Abgeordnetenhaus eingebracht, um eine Neuplanung zu erreichen. Die Stadtautobahn von morgen darf nicht länger unseren Bezirk zerschneiden und tausende von Anwohner*innen mit Lärm, Stickoxiden und Feinstaub belasten. Stattdessen soll die neue Stadtautobahn zwischen Dreieck Charlottenburg und Rathenauplatz soweit wie möglich in einem Tunnel geführt werden, über dem neue grüne Verbindungen zwischen den Stadtteilen, aber auch Infrastruktur, wie Kitas, Senioreneinrichtungen und Radwege entstehen. An manchen Stellen kann über und an der Autobahn auch neu gebaut werden (vgl. Schlangenbader Str.).
Die Zeit drängt, denn ab 2021 ist der Bund alleine für den Autobahnbau zuständig und wird sich kaum um die Bedürfnisse unseres Bezirks kümmern. Deshalb fordern wir vom Senat zeitnah eine Masterplanung für eine „neue“, stadtverträgliche Stadtautobahn, die wir bald in der BVV und mit den Bürger*innen diskutieren können.
Martin Burth
Vor dem Hintergrund der bevorstehenden Umbau- beziehungsweise Ersatzneubaumaßnahmen an der Westendbrücke, dem Dreieck Funkturm und der Rudolf-Wissel-Brücke spricht sich die CDU-Fraktion dafür aus, ein Gesamtkonzept für die Zukunft der Stadtautobahn A 100 im Bereich der City-West zu entwickeln, in welches diese Maßnahmen dann einzubetten sind. Dabei ist die Öffentlichkeit, insbesondere die Anwohner und die Nutzer der Stadtautobahn, von Anfang an intensiv zu beteiligen. Ziel muss es sein, einerseits die Belastungen der umliegenden Wohngebiete durch den Zu- und Abfahrtsverkehr sowie durch Lärm und Abgase zu reduzieren, andererseits aber den Verkehrsfluss auf diesem Autobahnabschnitt, der zu den meistbefahrenen Europas gehört, nicht zu beeinträchtigen. Um diese Ziele zu erreichen, dürfen auch Lösungsansätze wie eine abschnittsweise Deckelung der Autobahn und der parallel verlaufenden Bahntrasse kein Tabu sein. Durch eine solche Lösung könnten auch die Zerteilung der Stadtteile an der Autobahn behoben und zusätzliche Flächen für dringend benötigten Wohnraum geschaffen werden.
Christoph Brzezinski
Der vielbelastete Autobahnabschnitt zwischen Dreieck Charlottenburg und der Rudolf-Wissel-Brücke ist hoch sanierungsbedürftig. Große Streckenabschnitte müssen dabei neu gebaut werden. Die bund-länder-finanzierte Gesellschaft DEGES ist seit einigen Jahren vom Bund mit der Planung dieses Mammut-Projekts beauftragt und nunmehr stellt sich heraus, dass leider bisher an der Expertise von Bevölkerung, Bezirk und Land vorbeigeplant wurde. Wenn rechtzeitig ein transparenter Beteiligungsprozess stattgefunden hätte, würde es bei den aktuellen Planungen mit Sicherheit nicht allein um die Optimierung von Verkehrsflüssen gehen, sondern auch darum, wichtige Potenziale für die City West zu erschließen. Ob man nun darüber diskutiert, Abermillionen Euro in eine statisch hochkomplexe Überdeckelung des Autobahn-Trogs zwischen ICC und Knobelsdorffstraße zu stecken, oder vielmehr viele Hektar neuer Fläche für den Bezirk erschließt, indem – wie wir Grünen fordern – beim Neubau der Rudolf-Wissel-Brücke Autobahn- und Bahntrassen übereinander anstatt nebeneinander führt, in jedem Fall müssen folgende Aspekte mindestens beachtet werden: Der Gesundheitsschutz der Anwohner*innen gegen Lärm und Schadstoffe sowie die Schaffung neuer Verkehrsverbindungen über die Autobahnschneisen hinweg, um geteilte Stadtquartiere besser miteinander zu verknüpfen. Über den geplanten Westkreuzpark könnten so z. B. schöne neue Fuß- und Radwege zum Grunewald führen.
Jenny Wieland
Die A 100 prägt Charlottenburg-Wilmersdorf. Sie ist wichtige Achse und auch Lebensader des westlichen Berlins. Neben ihrer wichtigen Funktion als Verkehrsweg führt der Verlauf der Stadtautobahn aber auch zu einer Zerteilung unseres Bezirks. Die A 100 verläuft in weiten Teilen des Bezirksgebietes in Troglage. Durch eine Deckelung der Autobahn und der parallel verlaufenden Bahngleise ließe sich eine erhebliche Emissionsreduzierung für die angrenzenden Wohngebiete erzielen. Weiterhin können durch die Überbauung große Flächen für die nachhaltige Stadtentwicklung in Charlottenburg-Wilmersdorf gewonnen werden. Die Neugestaltung der Stadtautobahn ermöglicht viele Chancen, stadtplanerische Fehler der Vergangenheit zu beheben. Im Zuge des Neubaus der Rudolf-Wissel-Brücke ist auch darauf zu achten, dass der Anschluss bzw. die Einfädelung der Siemensbahn an die Ringbahn am S-Bahnhof Jungfernheide nicht blockiert wird. Eine reine Fokussierung auf die kostengünstige Neugestaltung der Autotrasse wäre daher zu kurz gegriffen. Der Bezirk muss hier frühzeitig für die Neugestaltung werben und Bund und Land überzeugen. Nur durch eine schnelle Abstimmung in der Thematik lassen sich auch verfehlte Forderungen der Deutschen Umwelthilfe nach Diesel-Fahrverboten auf der A 100 umgehen.
Felix M. Recke
Jeder Autofahrer unserer Stadt hat sie gewiss schon benutzt: Die Rudolf-Wissel-Brücke. Niemand mag sich vorstellen, dass sie einmal fehlt. Und so hat das Stuttgarter Architektenbüro Leonhardt & Partner eine pfiffige Lösung für den erforderlichen Neubau bei Aufrechterhaltung der Verkehrsleistung entwickelt: Eine zweite Brücke ist die Lösung. Das bietet Chancen für neue Überlegungen. Die Brücke überspannt Wasserläufe, Gewerbe- und Kleingartengelände sowie öffentlichen Raum. Überall müssen Vorgaben und Ansprüche berücksichtigt werden. Der Verkehrsraum könnte mehrfach genutzt werden durch teilweise Untertunnelung oder Überbauung der Verkehrsstrecke. Vorbilder für Röhrenbauten oder Überbauung gibt es in Berlin, siehe Schlangenbader Straße oder die Tunnel in Britz und Reinickendorf. In Teilabschnitten könnte ein neuer Mini-Stadtteil mit Wohnungen und viel Grün, Wasserblick und Fernsichtqualität entstehen. Das neue Quartier dürfte schnell zu einer attraktiven, begehrten Wohnlage werden. Die neben der Bahn laufende Trasse könnte abschnittsweise in Tunnelbauten verlaufen, was oberirdisch neue Flächen mit neuer Aufenthaltsqualität entstehen ließe. Für die Fachleute bietet sich für die A 100 in unserem Bezirk ein weites Feld für Ideen und Visionen.
Hans Asbeck
Dass Berlin und unser Bezirk eine Um- und Neugestaltung der Verkehrsinfrastruktur benötigt, ist Fakt. Dies wird ganz klar, wenn man über die zahlreichen Brücken der Stadtautobahn A 100, die sich wie ein Asphaltband durch den Bezirk schlängelt, geht. Würde die Gesamtheit der Rußpartikel und Schadstoffe der auf ihr fahrenden Autos, Lastkraftwagen und Busse, sichtbar, so würde man sich in den umliegenden Kiezen in einer permanenten Nebel- und Staubwolke befinden. Lösungskonzepte zur Verbesserung dieser Situation müssen her. Einen guten Ansatz bietet dabei der Vorschlag, die Trassenführung der Stadtautobahn, zumindest für ein Teilstück in unserem Bezirk, in einem Tunnelsystem zu führen. Dadurch könnten die gesundheitsschädlichen Abgase gesammelt und in einem speziellen Filtersystem der Tunnelanlage aufbereitet und gereinigt werden. Ein weiterer nachhaltiger Effekt wäre die Platzgewinnung durch die Tunnelführung. Auf der Oberfläche des Tunnelsystems könnten Wohnanlagen für kostengünstiges Wohnen, Gebäude für die soziale Infrastruktur aber auch Parkanlagen entstehen. Somit würde die Wohn- und Lebensqualität der Bewohner*innen im Bezirk deutlich erhöht werden.
Sebastian Dieke
© Gazette Verbrauchermagazin GmbH 2022