Erschienen in Gazette Schöneberg & Friedenau Dezember 2019
Berlin und die Bahn – eine Geschichte, die Mitte des 19. Jahrhunderts ihren Anfang nahm. Die erste Bahn in Preußen fuhr im September 1838 zwischen Potsdam und Zehlendorf, ab Oktober 1838 rollten die Züge weiter nach Berlin, zum damaligen Potsdamer Bahnhof. Berlin wurde Verkehrsknotenpunkt und immer mehr Bahnhöfe wurden gebaut: Anhalter Bahnhof, Hamburger Bahnhof, Stettiner Bahnhof und Frankfurter Bahnhof (heute Ostbahnhof). Zu den Personenbahnhöfen kamen die Güterbahnhöfe. Die neue Mobilität hielt Einzug.
Über die heutige Yorckstraße, die zum damaligen Zeitpunkt noch außerhalb Berlins lag, fuhren die Züge, die vom Anhalter Bahnhof und vom Anhalter Güterbahnhof kamen sowie die Bahnen vom Potsdamer Bahnhof, Potsdamer Güterbahnhof und dem kleineren Dresdener Bahnhof. Immer wieder kam es zu Unfällen, da die Schienen anfangs auf Straßenniveau lagen. Die wachsende Stadt breitete sich Richtung Kreuzberg und Schöneberg aus. Die Stadtplanung und die Eisenbahn kamen sich ebenfalls in die Quere und schließlich wurde die Verkehrssituation entschärft. Die Gleise verliefen über neu gebaute Brücken. Die Yorckstraße wurde von über 40 Brücken überquert.
Heute steht mit der Brücke 5 die älteste erhaltene stählerne Brücke Berlins an der Yorckstraße. Sie wurde um 1875 als eine der ersten Brücken über die Yorckstraße gebaut und entstand im Auftrag der Dresdener Bahn. Brücken der Potsdamer Bahn sowie der Berlin-Anhaltinischen Eisenbahn wurden von dem Architekten Franz Schwechten und dem später als Schriftsteller bekannten Ingenieur Heinrich Seidel geplant. Von Franz Schwechten stammt auch der Entwurf für die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche. Die mit Trägergelenken ausgerüsteten Yorckbrücken ruhen auf den sogenannten Hartungschen Säulen. Dieser aufwändig gestalteten Säule mit Dreifachflechtband und floralen Motiven stand die schlichtere Hartwichsche Säule gegenüber, für deren antike Gestaltung sich die anderen Gesellschaften entschieden hatten.
Ein finsteres Kapitel deutscher Geschichte machte auch vor den Yorckbrücken nicht Halt. Von Oktober 1941 bis März 1945 fuhren auch ab Anhalter Bahnhof Züge nach Theresienstadt. Fast 10 000 Menschen wurden über die Yorckbrücken deportiert und kamen in die Vernichtungslager. Während des Zweiten Weltkriegs verstärkte man die Yorckbrücken mit Betonsockeln. So sollten Zerstörungen durch Luftdruckwellen nach Bombenabwürfen vermieden werden.
Nach Kriegsende wurde es kompliziert, denn die Brücken lagen zwar auf West-Berliner Gebiet, gehörten jedoch zur Reichsbahn. Nach der Wiedervereinigung gab es Stimmen, die den Abriss der Brücken forderten. Doch als Bindeglied zwischen den neu entstandenen Parks nehmen sie eine neue Funktion im Stadtraum wahr und laden mit den zentralen sieben Informationstafeln und weiteren kleineren Tafeln zu einer kleinen Entdeckungsreise ein. Zur Zeit ist die Brücke 17 für Fußgänger und Radfahrer geöffnet und verbindet den Park am Gleisdreieck mit dem Flaschenhalspark. Bis Frühjahr 2020 sollen auch die Brücken 10, 11 und 14 wieder zur Verfügung stehen.
Ausführliche Broschüren zum Geschichtsparcours Yorckbrücken gibt es bei den Museen Tempelhof-Schöneberg, Hauptstraße 40/42, 10827 Berlin. Weitere Informationen unter www.yorckbruecken.de .
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