Erschienen in Gazette Schöneberg & Friedenau November 2017
Ob der alte Kirchhof zwischen der Großgörschen- und Monumentenstraße schon Geister gesehen hat? Ob die Gebrüder Grimm, die hier ihre letzte Ruhe gefunden haben, hier ihre Geschichten in nebliger Nacht weitergesponnen haben?
Die Anfänge des Alten St.-Matthäus-Kirchhof datieren noch aus dem 19. Jahrhundert. Am 25. März 1856 erfolgte die Einweihung des Gottesackers, auf dem viele Prominente des sogenannten Geheimrats- oder Diplomatenviertels ihre letzte Ruhe fanden. Die sehenswerten Grabstätten und die monumentale Friedhofskapelle sorgen dafür, dass sich der Besuch des Friedhofs lohnt, auch wenn kein Angehöriger hier ruht.
Der St.-Matthäus-Kirchhof wurde 1854 angelegt. Die wachsende Gemeinde hatte ihre Toten vorher auf einem der Friedhöfe der Dreifaltigkeitsgemeinde mit bestattet. Aufgrund der ungünstigen Bedingungen dort wünschte sich die St.-Matthäus-Gemeinde, die mittlerweile auf 15.000 Mitglieder angewachsen war, einen eigenen Friedhof. Als der Gutsbesitzer Carl Friedrich Paetel ein größeres Stück Land zwischen den Bahngleisen der Stammbahn und der Anhalter Bahn anbot, griffen die Gemeindeoberen zu und zahlten den geforderten Kaufpreis von über 6000 Talern. Die erste Bestattung fand zwei Jahre später statt, beerdigt wurde die Gattin des Rittmeisters Krottnauer-Petersen. Das erste Grab ist nicht mehr zu lokalisieren, doch viele weitere folgten. Am bekanntesten sind wohl die Brüder Jacob und Wilhelm Grimm, die eine Sammlung deutscher Märchen herausbrachten. Neben ihren Grabstätten liegen auch Hermann und Rudolf Grimm, die Söhne von Wilhelm. Erst im Jahr 2016 kam ein weiterer Grabstein hinzu, der sich hell von den anderen, schwarzen Grabsteinen abhebt. Er erinnert an Auguste Grimm, deren Urne ursprünglich auf dem Grab von Vater Wilhelm Grimm beigesetzt wurde. Aber auch Carl Bolle, der mit seinen Milchwagen das Stadtbild prägte und dessen Name später für eine Supermarktkette stand, fand hier seine letzte Ruhestätte. Auch die Frauenrechtlerin Wilhelmine „Minna“ Cauer wurde auf dem Alten St.-Matthäus-Kirchhof beigesetzt. Wie die Brüder Grimm, Carl Bolle, Adolf von Harnack und viele weitere Persönlichkeiten erhielt sie ein Ehrengrab der Stadt Berlin. Ein dunkles Kapitel der deutschen Geschichte machte auch vor dem Alten St-Matthäus-Kirchhof nicht halt – nach ihrer Hinrichtung wurden Ludwig Beck, Werner von Haeften, Friedrich Olbrecht, Albrecht Mertz von Quirnheim und Claus Schenk Graf von Stauffenberg hier begraben. Doch die Leichen wurden wenig später exhumiert, verbrannt und die Asche auf den Rieselfeldern verstreut.
Zu den Besonderheiten auf dem Kirchhof gehört der Garten der Sternenkinder, auf dem fehl- und stillgeborene Kinder beigesetzt werden. Geschwungene Wege mit blauem Mulch, eine niedrig gehaltene Bepflanzung und Windspiele prägen diesen berührenden Garten. Für an Aids Verstorbene hat die Initiative Denk Mal PositHiv eine Gemeinschaftsgrabstätte errichtet. Der Verein konnte zu diesem Zweck die Erbbegräbnisstätte Streichenberg übernehmen, die um 1875 entstand. Auf Marmortafeln werden Name, Geburts- und Sterbedatum graviert. Sowohl Erd- als auch Urnenbestattungen sind möglich.
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