Erschienen in Wannsee Journal Dezember/Januar 2019
Es könnte so einfach sein – nach der Elektrifizierung der S-Bahntrasse der Friedhofsbahn im Jahr 1928 brauchte der Zug von Stahnsdorf nach Wannsee nur sechs Minuten. Heute dauert die Fahrt mit den öffentlichen Verkehrsmitteln mindestens eine halbe Stunde.
Die Friedhofsbahn wurde 1913 in Betrieb genommen. Hierzu schrieb das Teltower Kreisblatt am 2. Juni 1913: „Die neu erbaute Staatseisenbahn von Wannsee nach dem großen Südwestfriedhof bei Stahnsdorf wurde feierlich dem Betrieb übergeben. Ein Extrazug brachte die etwa 200 Festteilnehmer zu dem neu errichteten Bahnhof…“ Die wachsende Stadt Berlin hatte immer weniger Platz für ihre Toten und so kaufte die evangelische Stadtsynode Ländereien außerhalb der Stadt. 1909 eröffnete sie den Südwestkirchhof in Stahnsdorf. Der Friedenauer Waldfriedhof – heute Wilmersdorfer Waldfriedhof Güterfelde und der Wilmersdorfer Waldfriedhof Stahnsdorf folgten. In den ersten Jahren rief die Synode eine Busverbindung für die Friedhofsbesucher nach Stahnsdorf ins Leben. Das änderte nichts daran, dass die Überführung Verstorbener sehr kostspielig war. Durch die Friedhofsbahn wurde die Überführung von Berlin nach Stahnsdorf erschwinglich und die Fahrt für die Trauernden vereinfacht.
Auf der 4,2 km langen Strecke verkehrten spezielle Waggons, in denen die Särge befördert wurden. In diesem Zug konnten natürlich auch die Friedhofsbesucher mitfahren. Die Kosten für den Bau der Bahntrasse wurden überwiegend von der Stadtsynode getragen. Die Strecke verlief ab Wannsee über den Bahnhof Dreilinden bis zu den Friedhöfen in Stahnsdorf. Das Bahnhofsgebäude in Stahnsdorf entstand nach Plänen des Königlichen Baurats Gustav Werner. Heute ist davon nichts mehr übrig, es wurde im Jahr 1976 gesprengt. Nach der Wende klagte die Stadtsynode auf Wiederherstellung der Strecke. Gemäß dem Einigungsvertrag sollten Bahnverbindungen, die durch die Teilung Deutschlands unterbrochen wurden, wieder in Betrieb genommen werden. Die Stadtsynode, die von der Gemeinde Stahnsdorf unterstützt wurde, verlor den Prozess.
Der Verkehr auf der Friedhofsbahn wurde lediglich zwischen 1945 und 1948 unterbrochen, da die Wehrmacht in den letzten Kriegstagen die Brücke über den Teltowkanal sprengte. Nachdem Ersatz für die Brücke geschaffen wurde, fuhr die Bahn noch bis zum Mauerbau im August 1961. Mit der Teilung Deutschlands endete also vorläufig die Geschichte der Friedhofsbahn. Auf der Stahnsdorfer Seite demontierte man die Gleise ziemlich schnell, auf Berliner Seite sorgte die Forstverwaltung erst zwischen 1986 und 1989 für das Entfernen von Teilen der Gleisanlagen. Die Reste der Trasse sind noch zu erkennen – ein wenig verwunschen und überwuchert vom Wald. Die Brücke, auf der die Bahn nach dem Krieg wieder über den Teltowkanal fuhr, ließ die Bahn Ende 2018 demontieren, da die Überführung nicht mehr verkehrssicher war. Ob die Friedhofsbahn im Zuge der Agenda i2030 berücksichtigt wird, ist fraglich. Sinnvoll wäre sie im Ringschluss mit der S-Bahn nach Teltow. Immerhin werden die entsprechenden Abschnitte der Trasse bis heute nach Möglichkeit freigehalten.
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