Erschienen in Wannsee Journal Februar/März 2020
Wilhelm Pfannkuch (1841 – 1923) war mit seinen 78 Jahren Altersvorsitzender der neuen Berliner Stadtverordnetenversammlung. Der SPD-Politiker und langjähriges Mitglied des Reichstages, erklärte in der ersten Sitzung der neu gewählten Stadtverordnetenversammlung am 15. Juli 1920: „Endlich ist es erreicht: der sehnlichste Wunsch der übergroßen Mehrheit der Bevölkerung des Wirtschaftsgebietes von Groß-Berlin ist in Erfüllung gegangen, die Einheitsgemeinde ist Tatsache geworden! Mit der Hinwegfegung des Wilhelminischen Regiments war die Bahn frei geworden. Der Popanz der Berliner Präfektur ist verscheucht. Das freieste Wahlrecht bildet das feste Fundament, auf dem das Selbstverwaltungsrecht der Einheitsgemeinde beruht. Der Widerstreit der Interessen der einzelnen Glieder der Einheitsgemeinde wird nicht so über Nacht erlöschen. Aber für den Ausgleich der hier und da sich geltend machen wollenden Sonderinteressen wird das freie Wahlrecht das heilsame Korrektiv bilden; unter dem Einfluss desselben wird es den noch Widerstrebenden klar werden, dass alles Trennende fortgeräumt und das Verbindende und Ausgleichende gefördert werden muss. Dieser Arbeit zu dienen ist die Organisation der Einheitsgemeinde zugeschnitten.“ (Quelle: Zit. nach Reuter/Möschner 1993, S. 126).
Der „Vater“ dieses Kraftaktes war der damalige Berliner Oberbürgermeister Adolf Wermuth (1855 – 1927), dessen Verdienste und Name weitgehend in Vergessenheit geraten waren. Nach seiner Wahl zum Oberbürgermeister im Jahr 1912 machte sich der parteilose Politiker während und nach dem Ersten Weltkrieg um die Lebensmittelversorgung der Berliner verdient, da er die Reichsleitung davon überzeugen konnte, Lebensmittelkarten einzuführen und so eine gleichmäßige Verteilung der vorhandenen Lebensmittel zu ermöglichen.
Nach Kriegsende war es an der Zeit, eine andere große Aufgabe zu bewältigen. Die Stadt Berlin bestand aus dem heutigen Friedrichshain-Kreuzberg, Mitte, Tiergarten und Prenzlauer Berg. Bereits seit 1820 gab es den Vorschlag, Teile des damaligen Umlandes einzugemeinden. Das scheiterte an der Rosinenpickerei der Berliner Regierenden. Denn auch wenn man wohlhabende Orte im Süden sehr gerne innerhalb Berlins gesehen hätte, war Orte im Norden und Osten mit armer Bevölkerung weitaus unbeliebter.
Bereits 1911 gründete man den Zweckverband Groß-Berlin. In ihm wurde 1915 der bis heute gültige Dauerwaldvertrag festgeschrieben. Die Stadt Berlin kaufte den Grunewald, den Tegeler Forst, die Köpenicker Wälder und die Jungfernheide. Um sie vor Rodung und Bebauung zu bewahren, wurde der Dauerwaldvertrag geschlossen, der die Wälder als Erholungsorte sicherte. Außerdem koordinierte der Zweckverband viele Straßenbahnunternehmen, die sowohl privat betrieben als auch verschiedenen Landkreisen gehörten. Damit waren erste Vorbereitungen für Groß-Berlin getroffen. Doch erst der Zusammenbruch des Kaiserreichs bot die Gelegenheit, die Pläne zu verwirklichen. Neben Adolf Wermuth gehörte auch Alexander Dominicus, damals Bürgermeister der Stadt Schöneberg zu den treibenden Kräften. Schließlich wurde am 27. April 1920 im Preußischen Landtag abgestimmt und die Eingemeindung beschlossen.
Naturgemäß freuten sich nicht alle Gemeinden darüber. Für den Kreis Teltow war es ein riesiger Einschnitt, denn er verlor auf einen Schlag eine halbe Millionen Einwohner. Die Stadt Wilmersdorf, aber auch die Landgemeinde Zehlendorf waren wenig begeistert von der Maßnahme. Die Zehlendorfer Bürger bedauerten den Verlust ihrer Selbständigkeit nach 48 Jahren. Wenn es schon einen Zusammenschluss geben musste, hätten sie einen Anschluss an Nowawes – das heutige Potsdam-Babelsberg – erheblich lieber gesehen. Doch mit der Zeit – und dem Bau des eigenen Zehlendorfer Rathauses – beruhigte sich die Lage und die Zehlendorfer gewöhnten sich an die Situation.
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