Erschienen in Gazette Zehlendorf Februar 2020
Es lohnt sich, mehr als einmal hinzusehen. Manches, was vom Besucher wenig beachtet wird, hat eine reiche Geschichte. Als „Exponat des Monats“ stellen wir Besonderheiten aus der Dauerausstellung vor.
Das Heimatmuseum Zehlendorf im historischen Winkel an der Clayallee 355 hat zu folgenden Zeiten geöffnet: montags und donnerstags von 10 bis 18 Uhr, dienstags und freitags von 10 bis 14 Uhr sowie jeden 1. Sonntag im Monat von 11 bis 15 Uhr. www.heimatmuseum-zehlendorf.de
Einer der bekanntesten Bewohner von Wannsee: Gustav Hartmann, genannt der Eiserne Gustav, der mit seiner Droschkenfahrt von Berlin nach Paris Geschichte schrieb. Der gebürtige Magdeburger verließ seine Heimatstadt nach absolvierter Bäckerlehre in Richtung Berlin.
Er eröffnete an der Königstraße in Wannsee ein Kolonialwarengeschäft, das jedoch schon bald wieder schließen musste. Der nächste Versuch in die Selbständigkeit folgte 1885: Gustav Hartmann gründete das erste Fuhrunternehmen in Wannsee. Dieses Unternehmen wurde ein Erfolg. Den Beinamen der „Eiserne“ bekam er, weil er bei Wind und Wetter auch zu später Stunde noch auf dem Droschkenplatz vor dem Bahnhof Wannsee stand, um die Fahrgäste, die mit dem letzten Zug kamen, sicher nach Hause zu bringen. Entgegen der Filmversion war es nicht die Angst vor der motorisierten Konkurrenz, die Gustav Hartmann zur Fahrt nach Paris antrieb, sondern die Abenteuerlust. Schließlich standen bereits zwei Taxen auf seinem Hof. Es soll Rachel Dorange gewesen sein, eine Reiterin aus Frankreich, die von Paris aus gestartet war und ihn an seinem Standplatz am Bahnhof Wannsee nach dem Weg zum Stadtzentrum fragte.
Er bat den Ullstein-Verlag um Hilfe bei der Beschaffung der benötigten Papiere und um finanzielle Unterstützung bei seiner Reise. Als Gegenleistung war ein Reporter der „Berliner Morgenpost“ live dabei. Am 2. April 1928 war es soweit – Gustav Hartmann fuhr mit seiner Droschke, vor die der Fuchswallach Grasmus gespannt war, in Richtung Paris, das er genau an seinem 79. Geburtstag, dem 4. Juni 1928 erreichte. In Paris umjubelten ihn die Massen und bei der Rückkehr nach Berlin wurde er wie ein Volksheld empfangen. Sein Reisepass sowie Rock und Zylinder sind im Heimatmuseum ausgestellt.
Erich Kästner widmete ihm die Zeilen:
„Was sollen Völker mit Genies,
wir Völker wollen Gustavs haben,
die langsam aber sicher traben
und das gilt nicht nur für Paris.“
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