Erschienen in Gazette Wilmersdorf Februar 2020
Nachdem die Räumung des Stadtschlosses mit Hilfe der Volkspolizei vorangetrieben wurde, überzeugte Professorin Dr. Margarete Kühn (1902 – 1995), erste Direktorin der Berliner Schlösserverwaltung ihren Kollegen und damaligen Landeskonservator Hinnerk Schepe davon, ihre Büros in den Westen der Stadt zu verlegen. Das war im Jahr 1948. Walther Ulbricht ließ das Stadtschloss im Jahr 1950 sprengen.
Paradoxerweise trug er so zur Rettung vom Schloss Charlottenburg bei. Denn auch bei diesem Gebäude, das schwerer beschädigt war als das Stadtschloss, war die Zukunft ungewiss. Margarete Kühne kämpfte schon länger für den Erhalt des Schlosses, für das sie bereits vor dem Zweiten Weltkrieg zuständig war. Nun kippte die Stimmung bei Politik und Bevölkerung zugunsten des Wiederaufbaus. Dass die Rekonstruktion gelang, lag auch daran, dass die Nationalsozialisten zahlreiche historische Gebäude – darunter das Schloss Charlottenburg – mit Dias genau dokumentiert hatten. 1962 war die Rekonstruktion des Schlosses von außen abgeschlossen. Die Arbeiten an den Innenräumen dauerten noch bis zum Ende der 1970er-Jahre.
Margarete Kühns Initiative ist es auch zu verdanken, dass das Reiterstandbild des Großen Kurfürsten im Schlosshof steht. Es stand ursprünglich auf der Langen Brücke am Stadtschloss. Während des Zweiten Weltkriegs brachte man es nach Ketzin in Sicherheit. 1946 kam es zunächst in den Tegeler Borsighafen, um von dort aus zurück an seinen ursprünglichen Standort gebracht zu werden. Das ging schief. Das Schiff, mit dem das gewaltige Standbild 1948 transportiert werden sollte, geriet in Schräglage und der Herrscher stürzte samt Pferd in den Tegeler See. Erst im November 1949 konnte er geborgen werden und reiste bis Charlottenburg. Seitdem steht er dort auf dem Schlosshof.
Der Schlossgarten, der zu den beliebten Erholungszielen in Berlin zählt, wurde nach den kriegsbedingten Verwüstungen im annähernd barocken Zustand wieder hergestellt. Der Idee, einen Volkspark daraus zu machen, stellte sich Margarete Kühn entgegen, da es in Berlin keine barocken Gartenanlagen mehr gab. Der sehr pflegeintensive Originalzustand kam jedoch nicht mehr infrage. Anhand alter Gartenbücher wurde der Garten in seinem heutigen Erscheinungsbild angelegt.
Margarete Kühn war noch bis 1969 im Amt. Sie veröffentlichte mehrere Bücher und Broschüren über das Schloss Charlottenburg und andere Berliner Baudenkmäler. Ihr wurden das Große Bundesverdienstkreuz und die Ernst-Reuter-Plakette verliehen. Zehn Jahre nach ihrem Tod wurde eine Straße in Charlottenburg nach ihr benannt.
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