Erschienen in Lichterfelde Ost Journal Februar/März 2020
Eigentlich wollte die junge Gräfin Hedwig von Rittberg (1839 – 1896) den neuen Beruf der Diakonisse ergreifen. Doch der Vater verweigerte ihr, der jüngsten von elf Kindern, die Erlaubnis. So begann die junge Frau nach dem abgeschlossenen Besuch der Höheren Töchterschule in Liegnitz/Schlesien damit, erkrankte Verwandte zu pflegen.
Der Ausbruch des preußisch-österreichischen Kriegs ermöglichte ihr, eine Ausbildung zur Krankenpflegerin zu absolvieren. In der Kürassierkaserne in Breslau eignete sich Hedwig von Rittberg das Wissen über diesen Beruf an. Anschließend arbeitete sie drei Monate lang im Lazarett und wurde dafür mit dem Luisenorden 1. Klasse ausgezeichnet. Zurück im heimischen Liegnitz pflegte sie weiter ihre kranken Angehörigen. Schließlich drängte ihre Familie darauf, dass sie in das Stift Tschirnau eintrat. Doch sie war nicht lange Stiftsdame, denn im Jahr 1870 wurde die adlige Krankenpflegerin nach Berlin bestellt. Die Kaiserin selbst verfügte, dass Hedwig von Rittberg als Oberin das neue Augusta-Hospital in Berlin-Mitte betreuen soll. Dort wurden auch die verwundeten Soldaten aus dem deutsch-französischen Krieg 1870/71 gepflegt. Ihr Engagement bringt der Oberin von Rittberg weitere Auszeichnungen ein – das bayerische Verdienstkreuz für Frauen und Jungfrauen, die Kriegsgedenkmünze für Nichtkombattanten und das französische Verdienstkreuz.
Als sich Hedwig von Rittberg während einer Reise über die deutschen Diakonissen- und Ordensanstalten informierte, berief Kaiserin Augusta eine andere Oberin. Daraufhin bat Hedwig von Rittberg um ihre Entlassung. Zunächst ging sie zurück in ihre Heimat Liegnitz und legte ein pharmazeutisches Examen ab. Ihr wurde die Leitung des Kreiskrankenhauses in Köthen übertragen. 1875 ging sie erneut nach Berlin, wo sie gemeinsam mit zwei weiteren Krankenpflegerinnen einen Hilfsschwesternverein – den ersten in der Stadt – gründete. Sie hatte eine Einzimmerwohnung in der Möckernstraße, von der aus sie die Betreuung von Hilfsbedürftigen organisierte. Ihr standen drei weitere Krankenpflegerinnen zur Seite. Der Hilfsschwestern-Verein wurde 1882 als gemeinnützige Organisation anerkannt. Im Verein wurden auch Krankenschwestern ausgebildet. 1886 wurde in Nowawes – heute Potsdam-Babelsberg – ein Erholungsheim für alte und kranke Vereinsschwestern eingeweiht. Dort starb Gräfin Hedwig von Rittberg im Jahr 1896. Ihr Grab befindet sich auf dem Friedhof Klein-Glienicke.
Nach ihr wurde das Rittberg-Krankenhaus in der Carstennstraße in Lichterfelde benannt. Der repräsentative Bau wurde 1904 als homoöpathisches Krankenhaus erstellt. Doch während des Ersten Weltkriegs musste es schließen, das Konzept erwies sich als nicht wirtschaftlich. 1918 kaufte die Rote-Kreuz-Schwesternschaft Rittberg – die Schwesternschaft hatte sich 1898 dem Roten Kreuz angeschlossen – das Krankenhaus und bildete dort Krankenschwestern aus. 1928 kam ein Neubau an der Berner Straße dazu, in dem ein Kinderkrankenhaus untergebracht wurde. Im Zuge der Krankenhausreform im Jahr 1995 erfolgte die Schließung des Rittberg-Krankenhauses, das von da an bis 1999 leer stand und zeitweise als Kulisse für Krankenhausfilme genutzt wurde. Seit 2001 ist es Verwaltungssitz für das Rote Kreuz.
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