Erschienen in Gazette Schöneberg & Friedenau Februar 2020
Rund 50 Jahre waren sie in Berlin präsent, wurden zu Freunden und Teil der Stadt: Amerikanische, Britische und Französische Alliierte sind aus der Geschichte der Hauptstadt nicht mehr wegzudenken.
Dies auch jüngeren Generationen und Touristen aus aller Welt anschaulich zu vermitteln, hat sich der West Alliierte in Berlin e. V. zur Aufgabe gemacht. 26 Jahre nach Abzug der Alliierten aus Berlin erinnert das private, sich selbst aus Spenden und Mitgliedsbeiträgen finanzierende Museum auf 200 Quadratmetern an die gewachsene Freundschaft zwischen Alliierten und der Berliner Bevölkerung, indem es interessante Informationen liefert und spannende Einblicke in den einstigen Alliierten-Alltag und den ihrer „Local Nationals“ gibt; Zivilangestellte, die es bei den Sowjets übrigens nicht gab.
Rund 30 Vereinsmitglieder im Alter zwischen 20 und 80 Jahren – darunter auch ehemalige französische Soldaten – tragen mit Herz, Fachwissen und akribisch gesammelten Exponaten aus Alliierten-Tagen dazu bei, dass diese wichtige Epoche deutscher Geschichte nicht in Vergessenheit gerät. So besteht das Museum am Standort Olympischer Platz 7 in Berlin-Westend inzwischen als besonderes Kleinod und reizvoller Geheimtipp in der vielfältigen Berliner Museumslandschaft.
„Wir wollen Geschichte erhalten, nicht verkaufen“, erklärt der 1. Vereinsvorsitzende Ralph Schulz das Anliegen für das eintrittsfreie Privatmuseums, das lediglich eine Spendenbox am Eingang platziert hat. Er ist einer der 12 Gründungsmitglieder, die im September 2007 den Verein „West Alliierte in Berlin“ ins Leben riefen.
Schulz, gelernter KFZ-Mechaniker, arbeitete bis 1994 rund 10 Jahre als Panzermechaniker in den aus Überbleibseln der ehemaligen Hauptkadettenanstalt errichteten und vom US-Militär genutzten Andrews-Barracks an der Finckensteinallee. In direkter Nachbarschaft zum Schweizer Viertel machte der Allrounder dort „alles rund um die Panzer bis zur letzten Schraube“. Bei Manövern war er mit dabei und lag dann Seite an Seite mit den Amis auch schon mal im Schlamm. Wertvolle Kontakte, die bis heute gehalten haben, entstanden so.
Schulz betont: „Auch wenn die US-Alliierten in der Stadt am stärksten vertreten waren, in unserem Museum wird britische, französische und amerikanische Alliierten-Geschichte gleichberechtigt behandelt.“ – Das ist dem Verein wichtig.
Kontakt zum staatlichen AlliiertenMuseum in Dahlem besteht; das Privatmuseum verleiht dorthin bei Bedarf Exponate aus seinem Fundus.
Dass nach dem geplanten Umzug des AlliiertenMuseums der Standort an der Dahlemer Clayallee der Alliierten-Geschichte reserviert bleibt, wünscht sich nicht nur der Verein um Ralph Schulz. Bei entsprechender Einigung könne er sich durchaus eine Nachnutzung der Outpost-Räumlichkeiten durch das Privatmuseum vorstellen.
Aus Sammlungen der Vereins-Mitglieder, aber auch aus Händen von Alliierten selbst sowie aus Funden im Olympiapark, woher auch die präsentierte Funkanlage stammt, kommen viele aussagekräftigen Ausstellungsstücke des Privatmuseums. Und natürlich von Standorten, an denen die Alliierten über Jahre präsent waren.
Was anfangs im Vereins-Souterrain der Schöneberger Naumannstraße nur auf 45 Quadratmetern ausgestellt werden konnte, hat inzwischen in vom Verein beim Berliner Senat angemieteten sieben Räumen mit zwei Fluren im Olympiapark reichlich öffentlichkeitsfreundlichen Zuwachs bekommen.
„Unsere Vereinsmitglieder verwahren aber privat noch weitere Exponate und Dokumente“, verrät Ralph Schulz, denn der aktuelle Standort nahe Olympiastadion – in ehemaligen Hockey-Umkleidekabinen des Olympiaparks – besitzt, wenngleich auch attraktiv gelegen für Besucher, wenig Lagerpotential.
„Toll, könnten wir noch Freifläche erhalten, auseinandergebaut lagert bei uns u. a. noch das Wachhäuschen des US-Headquarter an der Saargemünder Straße“, erklärt Schulz. Etliche reizvolle Exponat-Angebote habe der Verein in der Vergangenheit wegen des Außenplatz-Mangels bereits ausschlagen müssen.
Doch auf 200 Quadratmetern Innenfläche präsentiert sich dem Besucher dennoch ein vielseitiger Querschnitt aus dem Leben und Wirken der Alliierten, nicht ohne dabei Ereignisse wie Luftbrücke, Mauerbau, Verkehrswesen, Flugplätze oder völkerverbindende Veranstaltungen der Alliierten ausführlich zu thematisieren.
Zur Ausstellung gehören Tarnpaste, Alltagsgeschirr und medizinische Feldausstattung ebenso dazu wie Waffenattrappen, Dokumente und Fotos, Hinweistafeln, von Zeitgenossen übereignete gut erhaltene Care-Pakete und Sportutensilien, Feldkanister und Plakate.
Ein besonderer Stolz des Vereins sind die gut erhaltenen Uniformen vom Obersten Brigade-General bis zur Arbeitsbekleidung des Krankenhauspersonals und Hundeführers. Bestaunen kann man dabei auch die einstige Uniform des für das legendäre Deutsch-Amerikanische Volksfest verantwortlichen „Volksfest-Offiziers“ Richard Simmons, die dem Museum von seiner Witwe übereignet wurde. – Nicht weniger beeindruckend Zeitzeugnisse des „Schokoladen-Luftbrücken-Piloten“ Gail Halvorsen, der in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag feiert. Trotz seines hohen Alters zählt er noch immer zu den regelmäßigen Besuchern des Museums. Die Klinke geben sich hier ehemalige hochrangige Offiziere der Alliierten ebenso in die Hand wie Schulklassen aus In- und Ausland sowie geschichtsinteressierte Besucher jeden Alters.
In regelmäßig wechselnder Sonderausstellung werden vom Verein Themen aus dem Alliierten-Alltag vertieft. Derzeit begeistern aus dem Fundus des Weltrekordhalters im Sammeln von Polizeimützen, Andreas Skala, ausgewählte Kopfbedeckungen aus britischer Sicht im Privatmuseum.
Nicht weniger fesselnd, die nahezu komplette Präsentation britischer Mützen-Abzeichen. Mit etwas Glück können übrigens private Military-Sammler im Museum aus einer Extra-Vitrine passende Exponate erwerben, die der Verein mehrfach besitzt – von der Kaffeetasse bis zum Schulterstück.
Doch der West Alliierte in Berlin e. V. sieht es auch als seine Aufgabe, die Zeit der Alliierten durch Wanderausstellungen in Schulen, Seniorenheimen und Rathäusern lebendig zu halten. Er war u. a. präsent bei den beliebten Military-Tattoos der Briten, bei Alliierten-Volksfesten, der Operation „Berlin or Bus Tour“ und der Berlin Petrol, steht an der Seite von Soldatentreffen ehemaliger Alliierter und initiiert Sonderausstellungen außerhalb des Privatmuseums mit.
Neue, an der Geschichte der Alliierten interessierte Mitglieder sind im Verein herzlich willkommen. Der monatliche Mitgliedsbeitrag liegt bei 5.- Euro.
1945 übernahmen die Alliierten die Regierungsgewalt in Deutschland.
Den Berliner Bewohnern der westlichen von Frankreich, Großbritannien und den USA verwalteten Sektoren wurde 1952 das Betreten des Umlandes SBZ/DDR verboten, die Stadtgrenze mit Stacheldraht abgesperrt. Zwischen den Sektoren war der Wechsel noch weitgehend ungehindert möglich. – Bis zur Teilung der Stadt in West-Berlin (Westsektoren) und Ost-Berlin (sowjetischer Sektor) durch den Bau der Berliner Mauer am 13. August 1961. 1971 wurde das regelnde Viermächteabkommen über Berlin beschlossen. Bis zum 2. Oktober 1990, dem Vorabend der Deutschen Wiedervereinigung, existierten die Sektoren.
1994 wurden die Alliierten aus Berlin abgezogen. Sie waren einer der größten Arbeitgeber Berlins. In der Zeit von 1945 bis 1994 waren rund 250.000 Local Nationals als Zivilangestellte aller Bereiche bei den Alliierten beschäftigt.
Geblieben ist Freundschaft mit Amerikanern, Briten und Franzosen und die Pflicht, die Geschichte dieser Zeit auch der Nachwelt zu erhalten.
Jacqueline Lorenz
West Alliierte in Berlin e. V.
Museumsstandort:
Olympischer Platz 7
14053 Berlin-WestendTelefon: 0176 – 96 33 98 30
e-mail@west-alliierte-in-berlin.dewww.west-alliierte-in-berlin.de
www.waib.deÖffnungszeiten: Mi. 12-18 Uhr, Sa. + So. 11-18 Uhr und nach Vereinbarung
Spendenkonto:
IBAN: DE86 8306 5408 0004 8217 26
BIC: GENODEF1SLR
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