Erschienen in Gazette Steglitz Juli 2020
Ein großer Kubus mit unregelmäßigen Flächen und Elementen: Die Skulptur Fruchtbarkeitsschrein, geschaffen von dem Künstler Volkmar Haase, stammt aus dem Jahr 1968. In dieser Zeit ließ Haase sich von den Fruchtbarkeitsschreinen aus Japan und Indien inspirieren. Dort gibt es Tempel, in denen Fruchtbarkeitsschreine aufbewahrt werden. Allerdings streng getrennt nach weiblichen und männlichen Symbolen. Der Berliner Künstler fügte hingegen die stilisierten weiblichen und männlichen Geschlechtsteile in seiner Skulptur zusammen.
Das zwei Tonnen schwere Kunstwerk aus geschliffenem Edelstahl stand zunächst am Berlin-Pavillon, nahe dem S-Bahnhof Tiergarten. Dort hatte es der Käufer, Kunsthändler Ben Wagin (auch Ben Wargin), aufstellen lassen. Der Fruchtbarkeitsschrein stand nur kurz dort – dann verlangte das Bezirksamt, dass er entfernt werden sollte. Wagin weigerte sich und wurde vor die Wahl gestellt – die Skulptur zu entfernen oder sie an den Bezirk zu verschenken. Letzteres kam nicht infrage, denn der damalige Wert des Schreins betrug 60 000 DM. Die Streitigkeiten gingen so weit, dass das Bezirksamt einen „Kuckuck“ auf die Statue kleben ließ, weil Ben Wagin sich weigerte, 2000 DM für den Abtransport zu hinterlegen. Der Skandal ging durch die überregionale Presse. Der Kunsthändler ließ die Skulptur daraufhin am Kurfürstendamm aufstellen. Aber auch dort durfte sie nicht dauerhaft bleiben. 1971 wurde sie „in eine abgelegene Gegend“ (Die Zeit, 02.04.71), nämlich nach Zehlendorf transportiert.
Schließlich fand der Fruchtbarkeitsschrein eine neue Heimat an der Argentinischen Allee in Zehlendorf, neben der Seniorenfreizeitstätte Hertha-Müller-Haus. Der 2012 verstorbene Künstler hatte sie als Leihgabe zur Verfügung gestellt. Auf der Fläche mit dem Fruchtbarkeitsschrein befand sich von 1933 bis 1945 ein Stein mit der Inschrift „30. Hartung 1933“, versehen mit germanischen Symbolen. Er sollte an die Wurzeln des Nationalsozialismus erinnern. Um ihn herum waren Eichen gepflanzt, die heute noch stehen. 1945 wurde der Stein eilig vergraben, was bei einem Gewicht von ca. acht Tonnen eine Mammutaufgabe gewesen sein dürfte. 2011 grub man ihn wieder aus und brachte ihn in die Zitadelle Spandau. Dort wird er im Rahmen der Ausstellung „Enthüllt. Berlin und seine Denkmäler“ gezeigt.
In Berlin begegnet man an vielen Orten den Werken von Volkmar Haase: Über 40 Skulpturen des Künstlers sind über die Stadt verteilt. Die B.Z. schrieb in ihrem Nachruf auf den Bildhauer: „Der Bildhauer Volkmar Haase [..] hatte Zeit seines Lebens Glück mit dem, was seine künstlerische Werkstatt verließ.“ Haase studierte an der Hochschule für bildende Künste Malerei. Als Autodidakt eignete er sich die Kunst der Bildhauerei an und eröffnete 1965 ein eigenes Atelier in Kladow. Volkmar Haase beschäftigte besonders die griechische Mythologie. In seinen Werken finden sich Motive wie Aurora, Laokoon, Skylla und Ikarus wieder. In den 1990er-Jahren widmete er sich vor allem den Wogen-Motiven mit vielfältigen wellenförmigen Skulpturen.
Nicht nur Berlin, auch Brüssel, Celle, Leverkusen und weitere Städte stellten seine Skulpturen an öffentlichen Orten aus. An der Dampferanlegestelle in Wannsee steht mit „Schwingend“ eine weiteres seiner Werke. Auch diese Plastik hat eine kleine Reise hinter sich: Sie stand ursprünglich am Stadtbad Zehlendorf, dort, wo heute die Zehlendorfer Welle ist.
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