Gazette Verbrauchermagazin

Die Stammbahn in Steglitz-Zehlendorf

Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Steglitz-Zehlendorf diskutiert

Ehemaliger Verlauf der Stammbahn: Vom Bahnhof Zehlendorf über Zehlendorf-Süd und Düppel-Kleinmachnow nach Griebnitzsee.
Ehemaliger Verlauf der Stammbahn: Vom Bahnhof Zehlendorf über Zehlendorf-Süd und Düppel-Kleinmachnow nach Griebnitzsee.
Erschienen in Gazette Steglitz und Zehlendorf März 2020
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Seit einigen Jahren wird bereits über eine mögliche Wiederaufnahme des Bahnverkehrs auf der seit 1945 stillgelegten „Stammbahn“ vom Zentrum Berlins bis nach Potsdam von Befürwortern und Gegnern des Projekts kontrovers diskutiert. Erste Überlegungen zur Wiederinbetriebnahme nach der Wiedervereinigung wurden zunächst nicht weiter verfolgt. Mittlerweile hat aber die Deutsche Bahn diese Trasse in ihre Planungen wieder aufgenommen. Auch die BVV Steglitz-Zehlendorf befasst sich derzeit mit diesem Thema, deren Fraktionen ihre Sicht im Folgenden darstellen.

CDU-Fraktion

Die CDU-Fraktion setzt sich für den Wiederaufbau der Stammbahn ein, allerdings für die Anwohner so verträglich wie möglich, maximaler Schallschutz muss gewährleistet werden, und dieser stadtverträglich ansprechend gestaltet (durchgehend begrünt!) werden. Güterverkehr muss ausgeschlossen sein, vielmehr muss eine S-Bahn die Trasse befahren, die möglichst viele Haltepunkte in Steglitz-Zehlendorf und Kleinmachnow anfährt. Weiterhin sollen Regionalzüge in den Bahnhöfen Zehlendorf und Steglitz halten.

Der Bedarf für umweltfreundlichen Nahverkehr wächst im Südwesten Berlins stetig, wir müssen dem durch Bahnausbau Rechnung tragen. Durch den Ausbau auch als S-Bahn wird ab Zehlendorf Richtung Potsdamer Platz ein 5-Minuten Takt realisiert. Die Wannseebahn ist keine taugliche Alternative zur Wiederinbetriebnahme der Stammbahn, da die Kapazität der eingleisigen Strecke nicht ausreichend ist und keine zusätzliche Erschließung für die Bürger des Bezirks erfolgt.

Die CDU setzt sich für einen leistungsfähigen und bürgerfreundlichen öffentlichen Nahverkehr ein. Die Stammbahn wird unter der Prämisse des Anwohnerschutzes ein Baustein dazu sein.

Torsten Hippe

SPD-Fraktion

Die wachsende Stadt braucht eine mitwachsende Verkehrsinfrastruktur. Deshalb wird auch wieder über die „Stammbahn“ im Berliner Südwesten diskutiert. Im Rahmen des Entwicklungsprojekts „i2030“ lassen die Länder Berlin und Brandenburg und die DB AG alle Varianten untersuchen, um Entscheidungen vorzubereiten. Ein neues Aktionsbündnis schlägt vor, ganz auf die Stammbahn zu verzichten und stattdessen das Gütergleis neben der Wannseebahn zu nutzen. Aber das wäre eine Bahn ohne ausreichende Entwicklungsperspektive. Sie würde nur bis Zehlendorf oder Steglitz fahren. Die für die Regionalbahn in Berlin sinnvolle Durchbindung durch die Stadt soll entfallen. Als Ausweich- und Entlastungsstrecke für die jetzt schon volle Stadtbahn-Trasse käme sie nicht in Frage. Und mit nur einem Gleis wäre die Kapazität begrenzt. Das Aktionsbündnis argumentiert vor allem, dass diese Strecke schneller käme als die Stammbahn, da für sie kein Planfeststellungsverfahren erforderlich wäre. Doch das stimmt nur, wenn auf Lärmschutz für die Menschen in Schlachtensee und Nikolassee verzichtet werden soll. Das kann nicht Politik für Steglitz-Zehlendorf sein.

Juliana Kölsch

B‘90/Grünen-Fraktion

Die grüne Fraktion in der BVV begrüßt in Sachen Stammbahn das dreistufige Konzept des breit getragenen Bündnisses Schiene Berlin Brandenburg: 1. Wannsee bis Steglitz: bestehende Gleisstrecke nutzen; 2. Steglitz bis in den Nord-Süd-Tunnel der Fernbahn; 3. zusätzlich die historische Stammbahntrasse Kleinmachnow wieder aufbauen. Diese Lösung würde einen deutlichen Gewinn für unseren Bezirk darstellen, weil sie schnelle Verbindungen für uns und die Pendler bedeutet. Durch weniger Autoverkehr kommt es dabei gleichzeitig zu weniger Abgasen und mehr Ruhe in unseren Wohngebieten und die Schulwege werden insgesamt sicherer, da Teile des bisherigen Schleichverkehrs über Nebenverbindungen wegfallen. Es ist uns wichtig, eine gemeinsam getragene Lösung mit unseren Nachbarn auch im von uns beantragten gemeinsamen Ausschuss mit dem Gemeinden Teltow, Kleinmachnow, Stahnsdorf und Großbeeren (Drucksache 1567/V) zu finden. Das Konzept von Bündnis-Schiene-bb.de bietet dafür eine hervorragende Grundlage. Wir sehen im Rahmen des gewachsenen Klimabewusstseins gesteigerte Chancen zur Umsetzung.

Bernd Steinhoff

AfD-Fraktion

Oft fällt die S1 aus oder verspätet sich stark wegen Feuerwehr- oder Polizeieinsätzen, Bombenalarm oder technischen Defekts. Meistens sind die S-Bahn-Waggons zu Stoßzeiten völlig überfüllt. Alt und Jung müssen stehen – „too close for comfort“, wie der Amerikaner sagt. So erscheint die Idee der Wiederinbetriebnahme der Stammbahn mit möglicher Einbeziehung der Wannseebahn über Kleinmachnow bzw. Stahnsdorf nach Potsdam als willkommene Ergänzung und Entlastung zur S1. Der Südwesten Berlins wird weiter wachsen, ob man es will oder nicht. Die Trassen müssen reaktiviert werden. Dabei werden Planungen aufgegriffen, die sich Stadtplaner bereits vor mehr als 100 Jahren ausgedacht haben – also nichts wirklich Neues. Eine Kooperation zwischen Brandenburg und Berlin ist nicht nur an dieser Stelle sehr sinnvoll. Dreißig Jahre nach der Wiedervereinigung und 75 Jahre nach Kriegsende verheilen Narben einer bewegten Geschichte – „Es wächst zusammen, was zusammengehört“, sagte Willy Brand. Die Verantwortlichen werden es sich nicht leichtmachen können, viele Befindlichkeiten sind berührt. So wird es noch eine Weile sehr eng in der S1 bleiben.

Peer Döhnert/Johann Trülzsch

FDP-Fraktion

Wir Freie Demokraten (FDP) fordern seit langem die Reaktivierung der Stammbahn. Berlin braucht komfortable Verbindungen ins Umland. Laut VBB entwickelt sich die Strecke zwischen Berlin und Potsdam zu einer der wichtigsten Verkehrsverbindungen in der Region. Mehr als 17.000 Menschen pendeln täglich aus dem Südwesten nach Berlin. Über 15.000 Berliner pendeln in die Gegenrichtung. Tendenz stark steigend. Alle müssen durch Steglitz-Zehlendorf. Bis 1980 wurde die Berlin-Potsdamer Eisenbahn von 1838 auf Bezirksgebiet noch aktiv bis nach Düppel genutzt. Die Trasse ist immer noch als Bahn ausgewiesen. Die Stammbahn wird zudem bei den Planungen seit 1989 stets berücksichtigt. Alternativrouten über Wannsee werden den Anforderungen nicht gerecht. Möchte man den Bezirk entlasten, sind leistungsfähige Bahnverbindungen unerlässlich. Wir sehen in der Stammbahn als Regionalbahn von Potsdam kommend mit Halt in Griebnitzsee, Kleinmachnow, Zehlendorf und Steglitz eine attraktive Ergänzung des ÖPNV. Es eröffnen sich damit eine Vielzahl an Entwicklungsmöglichkeiten. Wir fordern vom Bezirk, sich endlich aktiv in die Planungen einzubringen.

Andreas Thimm

Linksfraktion

Wir sagen unumwunden: Ja zur Stammbahn auf der Originalstrecke – ohne Wenn und Aber! Denn: Die Vorteile des Ausbaus der historischen Stammbahnstrecke überwiegen deutlich die Nachteile. Im Rahmen der Einsparung von CO2, NOx etc., Entlastung von Straßenlärm, Gummiabrieb usw. ist der Eingriff durch ggf. notwendige Abholzungen vertretbar. Ersatzpflanzungen haben selbstverständlich zu erfolgen. Aber: Um die Umwelt und das Klima zu schützen, ist eine rasche Verkehrswende unvermeidbar, weshalb der Rückgriff auf bereits angelegte, ursprüngliche Strukturen sinnvoll ist. Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren. Der individualisierte Innenstadtverkehr muss weiter reduziert bzw. vermieden werden. Es sind schnellstmöglich weitere Angebote zu schaffen, mit denen vorhandene Mobilitätsnotwendigkeiten angemessen bedient werden (Verbindungen in einem vertretbaren Takt, schnellere Anbindungen). Eine bessere Infrastruktur für ÖPNV und Rad wird dazu führen, dass mehr Menschen im Einzugsbereich ihr Auto stehen lassen bzw. abschaffen. Neue Bahnhöfe wie Dreilinden und Kleinmachnow sind – wie ein weiterer Netzausbau – hierzu ein Beitrag.

Mathias Gruner

Titelbild

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