Erschienen in Wannsee Journal Februar/März 2022
Berlin lag in Trümmern, als in Düppel eine Geige erklang. Der berühmte Virtuose Yehudi Menuhin spielte in dem Camp für „Displaced Persons“ sein erstes Versöhnungskonzert. Der in Amerika geborene Menuhin hegte trotz seiner jüdischen Wurzeln keinen Hass. Er war der Auffassung, dass Versöhnung der Weg zum Frieden ist. An der Stelle, an der sich damals ein Camp befand, ist heute ein Park. Am 19. September 2009 bekam dieser den Namen Yehudi-Menuhin-Park.
Menschen auf der Flucht – im Nachkriegsberlin ein alltägliches Bild. Auch viele Juden, die den Vernichtungslagern entkommen waren, hatten keine Heimat mehr. Für diese sogenannten Displaced Persons (DP) richteten die amerikanischen Streitkräfte Camps ein – eins in Mariendorf, eins in Wittenau und eins in Düppel. Bei dem Camp in Düppel, genannt Düppel Center, handelte es sich um das größte Camp. Hierher kamen auch viele polnische Juden, die sich in ihrer Heimat erneut Anfeindungen und Bedrohungen ausgesetzt sahen.
Im Düppel Center kehrte fast so etwas wie Normalität in ihr Leben ein, auch wenn sie in einem Land waren, in dem sie nicht sein wollten. Die Versorgung war dank der Unterstützung der Alliierten gut. Es gab Schulen, Kindergärten, ein Theater, koscheres Essen, ein eigenes Mitteilungsblatt. Ehen wurden geschlossen und Kinder kamen auf die Welt. Die Bewohner lebten wie in einem jüdischen Schtetl, auch wenn es für alle nur eine Lösung auf Zeit war. Problematisch war, dass immer mehr Flüchtlinge kamen, jedoch nur wenige weiterreisen durften. Das Ziel der meisten war Palästina, dort ließen die Briten aber keine Flüchtlinge ins Land. Die USA vergaben nur wenige Visa, so dass kaum Menschen dorthin weiterreisten. Bald konnten keine neuen Flüchtlinge aufgenommen werden und Neuankömmlinge wurden in DP-Camps nach Westdeutschland transportiert.
Im Jahr 1948 wurde das Lager aufgelöst, da die Versorgung durch die Berlin-Blockade zunehmend problematischer wurde. Die Menschen suchten sich entweder eine eigene Bleibe in Berlin oder entschieden sich für den Flug nach Westdeutschland. Dort warteten viele in den dortigen DP-Camps auf die Möglichkeit zur Weiterreise.
Eine Gedenktafel für das Düppel Center befindet sich am früheren Haus von Mutter Mochow an der Potsdamer Chaussee. Sie hält das Gedenken an dieses Stück Zehlendorfer Geschichte lebendig.
Gute Musik war dem Wunderkind Yehudi Menuhin schon früh wichtig – so soll er bereits im Alter von vier Jahren eine Spielzeug-Geige zertrampelt haben, weil die Töne in seinen Ohren schrecklich klangen. Daraufhin bekam der 1916 geborene Musiker seine erste, richtige Violine und Unterricht bei Siegmund Anker, einem Geiger aus Österreich, der in Menuhins Heimatstadt San Francisco lebte. Als der Junge sechs Jahre alt war, nahm der Konzertmeister Louis Persinger ihn als Schüler an. Mit sieben Jahren trat Menuhin erstmals öffentlich auf und im Alter von neun Jahren spielte er sein erstes Solokonzert. Die Familie folgte seinem Lehrer nach New York und zog nur wenig später nach Paris, wo Yehudi bei dem Ausbilder von Louis Persinger weiter lernen sollte. Weitere Umzüge folgten, Yehudi lernte neben der immer perfekteren Beherrschung seines Instruments die Sprachen Deutsch und Italienisch. Im Zweiten Weltkrieg gab er Konzerte für Soldaten, nach Kriegsende gab er Versöhnungskonzerte. Nach einem Zusammenbruch nahm Yehudi Menuhin eine Auszeit, bei der er zum Yoga fand, das er von da an regelmäßig praktizierte. In einer Anekdote aus dem Jahr 1949 wird erzählt, wie Yehudi Menuhin einem Berliner Drehorgelspieler eine größere Summe gibt, mit der Bemerkung „Wir Musiker müssen zusammenhalten.“ Der Künstler engagierte sich auch für den Nachwuchs. 1963 gründete er eine Schule für Violinenunterricht in England. Er rief einen Wettbewerb für junge Violinenkünstler im Alter bis zu 22 Jahren ins Leben und gründete eine internationale und eine deutsche Yehudi-Menuhin-Stiftung. Queen Elisabeth zeichnete ihn mit dem Ritterorden aus und er bekam, neben vielen anderen Ehrungen, das Großkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Yehudi Menuhin starb kurz vor seinem 83. Geburtstag während einer Konzertreise in Berlin an einer Lungenentzündung.
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