Erschienen in Gazette Charlottenburg Mai 2020
Der Bio-Salat lässt die Blätter hängen und die eigentlich noch ganz knackige Möhre hat ein Schrumpelgesicht: Beide liegen wenig später im Container für aussortierte Lebensmittel.
Dass auch sie – nicht zuletzt wegen ihrer inneren Werte – eine zweite Chance verdient haben, weiß der gemeinnützige Verein „RESTLOS GLÜCKLICH“ nur zu gut und widmet sich daher seit fünf Jahren der Lebensmittelrettung; mit dem Bildungsauftrag, dem Verbraucher seine verantwortungsvolle Rolle als Konsument begreiflich zu machen und ihm zu zeigen, wie viel Potential und Mmm-Effekt doch in Kartoffel & Co. von gestern steckt.
Weltweit werden jährlich 1,8 Milliarden Tonnen Lebensmittel weggeworfen, allein in Deutschland sind es 18 Millionen Tonnen. Und die Dunkelziffer für verschwendete Lebensmittel ist hoch.
Damit nicht mehr ganz so makellosem Gemüse, Obst, Reis und Kartoffeln, Milch mit knappem Haltbarkeitsdatum oder überzähligen Eiern die Tonne erspart bleibt, hat der Verein „RESTLOS GLÜCKLICH“ ein Konzept voller Kreativität entwickelt, das gesundes nachhaltiges Essen, Bildung und Klimaneutralität vereint. Ein achtköpfiges, reines Frauenteam steuert jung und dynamisch von Schöneberg aus die berlinweiten Rettungsaktionen, zu denen neben dem Einsammeln von Lebensmitteln aus dem Bio-Handel auch das Verwerten bei gemeinsamen kostenfreien Kochevents, Seminare und Workshops zum besseren Verständnis der Wegwerf-Problematik sowie immer wieder neue spannende Projekte und Mitmach-Aktionen für Jung und Alt gehören. Von der Babynahrung-Zubereitung bis zum gesunden Seniorenessen mit dem, was der Kühlschrank gerade hergibt, reicht die Palette, die Spaß und Wissen beim Mitmachen garantiert.
Unterstützt wird das Fachfrauen-Team, das aus den Bereichen Projektarbeit, Bildung und Öffentlichkeitsarbeit kommt, von Bundesfreiwilligen, aber auch einem breiten Netzwerk an Köchen, Ökotrophologen, Gesundheits- und Ernährungsberatern.
Förder- und Projektgelder sowie Spenden und Kooperationen ermöglichen die Umsetzung der nachhaltigen Idee zur Lebensmittelrettung hin zum gesunden Umdenken beim Verbraucher. Mit dem Bündnis Lebensmittelrettung ist „RESTlOS GLÜCKLICH“ im Gespräch.
In vorderster Front steht Mitbegründerin Hanna Legleitner, die anfangs ehrenamtlich dabei war und als Kulturwissenschaftlerin mit umfangreicher Fundraising-Erfahrung nun das nötige Rüstzeug zur Geschäftsführung von „RESTLOS GLÜCKLICH“ mitbringt.
Durch und durch nachhaltig, ist der Verein mit dem von Fair Food für kleinen Obolus angemieteten Ladenbike unterwegs („Ein eigenes wäre zu teuer für uns“). – Mit kompletter Küche mobil, sind die Lebensmittelretter gerngesehene Gäste bei Firmen- und Privatveranstaltungen, in Schulen, Kitas und Bildungseinrichtungen. Gemeinsames Kochen ist immer in. – Noch dazu, wenn es den geistigen Horizont hin zu klimafreundlicher, gesunder und schmackhafter Lebensmittelverwertung erweitert, frei nach dem Motto der Retter „Beim Mitmachen begreifen“.
Ein bestimmtes Menü wird vorher nicht festgelegt. „Denn wir müssen aus dem, was gerade in unseren „Rettungskisten“ ist, kreativ und flexibel etwas Leckeres zaubern. Dabei geht es in erster Linie um kreatives, intuitives Kochen mit gespendeten Lebensmitteln. Wichtig ist, dass das fertige Essen dann genauso lecker wie aus frisch gekauften Zutaten ist“, verrät Hanna Legleitner. Mit diesem intuitiven Kochen habe sogar manch gestandener Koch seine Schwierigkeiten, da er eher gewohnt ist, nach festem Speiseplan zu kochen.
Flexibilität zeigen und umdenken musste der Verein nun auch in Corona-Zeiten: „Aber dank des dynamischen Wahnsinns-Teams, ist uns das gut gelungen“, erklärt Hanna Legleitner.
Zwangsläufig von analog auf digital umgestellt wurde das Angebot, das nun zweiwöchige Online-Workshops anbietet, Menschen weit über Berlin hinaus erreicht und für eine stärkere Lebensmittel-Wertschätzung sensibilisiert.
Laufende Projekte vor Ort pausieren. Veranstaltungen, bei denen „RESTLOS GLÜCKLICH“ Einsatz zeigen wollte, fallen aus. „Eine Projektunterbrechung ist nicht einfach aufgrund der Förderung und Personalgelder“, weiß die Geschäftsführerin und blickt dennoch hoffnungsfroh auf die Tage nach Corona, wenn diese Projekte vor Ort wieder aufgenommen werden können. – Konnten doch im vergangenen Jahr mit rund 150 Veranstaltungen etwa 115.000 Konsumenten angesprochen werden.
In der Digitalisierung sieht das Team eine Chance, auch Schüler gezielter zu erreichen. Vor Ort ermöglicht eine mobile Teamküche das Kochen im Klassenzimmer oder Shoppingcenter.
Seit März läuft ein Projekt an 15 Berliner Kitas, das Kindern schon früh den richtigen Umgang mit Lebensmitteln spielerisch vermittelt. Und für den (hoffentlich) krisenärmeren Sommer ist eine Abfallberatung geplant, die per Bike Shoppingcenter und Märkte aufsuchen will und dem Konsumenten seine wichtige Rolle deutlich macht. Natürlich wird auch dabei klimaneutrales Kochen ein Thema sein.
Und dann überlegen die kreativen Macherinnen gerade, ob sie nicht auch bei den krisenbedingten Erntehelfer-Ausfällen Einsatz zeigen könnten. – Erste Felderfahrung vom Kartoffelstoppeln im vergangenen Jahr haben sie bereits.
Regional saisonal statt global ist das Motto.
Die Tomate zur Tomatenzeit zu essen oder den Apfel aus der Heimat anstatt Flug-Erdbeeren im Winter zum Nachtisch – auch das gehört zu einer klimafreundlichen Ernährung und wird von den Lebensrettern propagiert. Durchschnittlich 130 Kilo Lebensmittel bewahren sie wöchentlich vor der Tonne – eine Win-win-Situation für Händler und Verein. Auf seiner aussagekräftigen Website sind leckere Rezepte als Ideengeber eingestellt – auch in Corona-Zeiten zu empfehlen, um den Einkauf noch einen Tag verschieben zu können: Da sind die leckeren Brotletten mit Gemüse, die trocken gewordenes Brot delikat wiederbeleben, Apfelauflauf oder Karottenmarmelade und Möhrenkraut-Pesto, welche die inneren Werte der Möhre mit Schrumpelgesicht zur Geltung kommen lassen. Für jeden Geschmack ist etwas dabei, egal ob Süßmäulchen oder Freund von Herzhaftem.
Zum leckeren Essen gibt´s gratis das gute Gewissen dazu, etwas Gesundes für sich, das Klima und gegen die Lebensmittelverschwendung getan zu haben.
In diesem Sinne: Guten und gesunden Appetit!
Jacqueline Lorenz
RESTLOS GLÜCKLICH e. V.
Die Geschäftsstelle von „RESTLOS GLÜCKLICH e. V.“ hat ihren Coworking-Sitz in der Schöneberger Grunewaldstraße 9 beim Naturholz-Küchen-Hersteller „Kitchen Impossible“ und ist auf Facebook und Instagram vertreten.
Weitere Informationen, Angebote und Anmeldung unter www.restlos-gluecklich.berlin.
Spendenkonto:
RESTLOS GLÜCKLICH e. V.
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BIC: BELADEBEXXX
Verwendungszweck: Spende
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