Erschienen in Gazette Steglitz Mai 2020
Jeweils am zweiten Montag im Monat öffnet im Obergeschoss des Kultur-Bahnhofs das RepairCafé von 18 – 21 Uhr seine Türen für Menschen mit defekten Haushaltsgeräten, Spielzeug oder Lampen. Dafür zeigen ehrenamtliche Experten nach Feierabend vollen Einsatz und verlängern mit Lötkolben, Know-how und oft einfachen Mitteln so manch Geräteleben.
Ihnen voran stehen Rüdiger K. Büttner, Entwicklungs-Ingenieur, und seine Frau Carola, Notar-Fachangestellte, die das in Berlin erste und bis heute einzige eigenständig geführte RepairCafé im Jahr 2016 gegründet haben.
Was in Berlin-Schöneweide und mit einem Team von vier Leuten begonnen hat und im Heimatmuseum Steglitz größer wurde, zog vor über drei Jahren ins geräumige Obergeschoss des Bahnhof Lichterfelde-West und zählt inzwischen 13 ehrenamtliche Tüftler. Als Mitglied im Dachverband Steglitz-Zehlendorfer Seniorenvereinigungen kann das RepairCafé für eine geringe jährliche Gebühr ans Bezirksamt die Räume mietfrei nutzen.
Viele Stammklienten des RepairCafés – überwiegend Senioren, aber auch zunehmend jüngere Bezirksbewohner – wollen längst nicht mehr auf diese ebenso fachkundige wie herzliche Hilfe bei Problemen mit ihren Lieblingsstücken verzichten, liegt die Erfolgsquote dieses kostenfreien Reparatur-Service im Schnitt doch bei 70 Prozent.
In ganz Berlin gibt es weitere 25 RepairCafés, überwiegend von Trägern und Organisationen betrieben, wie Rüdiger Büttner erklärt.
Das erste europäische RepairCafé initiierte Martine Postma 2009 in Amsterdam, woraus sich die Stiftung RepairCafé entwickelte. Ziel dieser Café-Art ist es, über gemeinsames Reparieren von Alltagsgegenständen in gemütlicher Atmosphäre auf lokaler Ebene verstärkt Nachhaltigkeit zu etablieren sowie Gemeinschaft und Wertschätzung zu fördern. Der Erfolg der ersten Einrichtung brachte europaweit weitere RepairCafés hervor.
Potentiellen ehrenamtlichen RepairCafé-Gründern bietet die Repair-Café-Community der Stiftung inzwischen Unterstützung und Austauschmöglichkeit, indem sie ihren Mitgliedern Leitfaden und Tipps zur Organisation und Realisierung eines nicht kommerziell betriebenen RepairCafés an die Hand gibt. Darauf berufen sich als Mitglieder auch die Büttners, beispielsweise wenn es um die Hausordnung oder das Café-Logo geht.
Der Montagabend im März ist regnerisch, Corona macht von sich reden. Dennoch – zu Büttners RepairCafé nach Lichterfelde-West kommen an diesem Abend alle bereits Wochen vorher telefonisch angemeldeten Besucher mit ihren elektrischen „Sorgenkindern“ aus Haushalt und Alltag, von der Lampe bis zur Retro-Kaffeemühle.
Rüdiger Büttner kommt aus der Industrie und organisiert ehrenamtlich, aber straff Voranmeldung, Aufbau, Einteilung der Experten und Abbau, packt wie seine Frau kräftig mit an. „Denn ein RepairCafé ist nur so gut wie seine Leute“, betont er. Der Café-Termin ist extra um 18 Uhr angesetzt, damit ihn neben Senioren auch Berufstätige nutzen können, rund 25 Klienten pro Abend. An Büttners Seite ein verlässliches Team, man kennt sich seit Jahren: Experten für die Reparaturen – Techniker, Elektriker, Mechaniker – sitzen am Arbeitstisch, dahinter Frauen wie Carola, die ihre Augen überall haben und dafür sorgen, dass sich die Besucher wohl fühlen.
Die Wartezeit, bis man zum Experten beordert ist, wird im Vorraum überbrückt, auf ausgedienten, aber urigen S-Bahn-Bänken bei Kaffee und Kuchen, selbstgebacken von Teammitgliedern. Donauwelle und Buttercreme-Muffin bekommen Anerkennung, man findet ins Gespräch. Gastfreundschaft wird großgeschrieben. Für Eilige heißt es, ankommen und entschleunigen.
Dieser Spruch ist mit einem Augenzwinkern Motto für Büttner &Co. Umso besser, wenn dann doch noch was zu machen ist.
Viele Klienten sind öfter da: So auch Frau Doktor, genau vor einem Jahr war sie 500. Besucherin im RepairCafé, mit Primel und kleinem Geschenk vom Team bedacht. Heute ist es eine Lampe, an der der Schwenkarm gebrochen ist. „Bei den Lampen meiner Eltern, die ich sonst hergebracht habe, konnte immer geholfen werden“, erklärt sie. Heute klappt es nicht, Schweden lässt grüßen. Doch sie will mit einem anderen Stück bald wiederkommen.
Und dann ist da Patrik von Keller, Mitbegründer des Lichterfelder RepairCafés, mit einem Lautsprecher seiner Haushaltshilfe. Alleine das Öffnen des Gerätes, um an die Schrauben zu gelangen, erfordert Geschick und Erfahrung, beides hat Rüdiger Büttner reichlich, Patrik assistiert. Die Membrane ist ausgeschlagen, da kann auch der Experte nichts mehr machen. „Selbst, wenn hier nichts mehr geht: Dann weiß der Besitzer wenigstens, dass er das Teil nun mit gutem Gewissen entsorgen kann“, erklärt er und hat beim nächsten Klienten ein echtes Erfolgserlebnis: Der Toaster war runtergefallen, nichts ging mehr. – Von Rüdiger auseinandergebaut und Fehler erkannt: Die Toasthalterung war nur ausgehakt, – morgen früh gibt´s wieder knusprigen Toast, Daumen hoch!
Es wird gescherzt und gefachsimpelt, Werkzeug weitergereicht. Ehrensache, jeder Experte hat sein eigenes Handwerkszeug dabei, doch im Wandschrank verwahrt Rüdiger einen wertvollen „Not-Fundus“ mit Netzadapter und Lötkolben. Er erzählt: „Manches bekommen wir aus Betriebs- oder privaten Haushaltsauflösungen. Neben dem passenden Werkzeug aber besonders wichtig: Unsere Experten trauen sich was, haben keine Angst. Dadurch entdecken sie manchen Fehler, der bei zu zaghafter Herangehensweise verborgen geblieben wäre.“
So konnte vor kurzem auch ein uralter Puppenherd wieder zum Kochen gebracht werden.
Während in Lichterfelde-West eher defekte Haushaltsgeräte und Lampen vorgestellt werden, sei der Bedarf in den weiteren RepairCafés Berlins ganz anders, wie Büttner erzählt. So würden in typischen Studenten-Wohnbezirken eher Näharbeiten verlangt, da dort der Euro nicht so locker sitzt. Und in Bezirken mit jungen Familien boome das Spielzeug-Reparatur-Angebot.
In Steglitz-Zehlendorf ist eher älteres, weibliches Klientel unterwegs. Männern sei es peinlicher, technische Hilfe zu suchen. Nach und nach nutzten das Repair-Angebot auch Jüngere, da sie im Einsatz gegen die Ressourcenkrise immer stärker auf Nachhaltigkeit und Abfallvermeidung setzen.
Sibylle hat Glück: Ihr Kassetten-Radio hat über 30 Jahre auf dem Gehäuse. „Es passt genau auf mein Regal und ist so herrlich einfach zu bedienen. Moderne Geräte sind mir technisch viel zu aufwendig“, verrät sie. Jetzt leiert am Gerät der Ton. Kein Problem für Gerhard, er weiß: „Hier lernt man selbst immer noch dazu.“ Bald ist der Fehler gefunden. Die Tonköpfe sind´s. Mit Alkohol werden sie gereinigt, Kontakte werden befestigt; den letzten Schliff gibt Kontaktspray. Sibylle strahlt, als klare Töne zu hören sind, und auch Gerhard ist zufrieden. 20 Minuten hat der Eingriff am „offenen Geräteherzen“ gedauert, Pfusch bekommt in Büttners RepairCafé keine Chance.
Gertraud ist mit ihrer elektrischen Retro-Kaffeemühle aus den 50ern, die keinen Piep mehr sagt, vorbeigekommen. Technik-Experte Lutz-Michael erklärt: „Da ist noch richtig Technik drin.“
Einen neuen Kondensator hat Gertraud schon besorgt. Der Lötkolben dampft, doch auch nach dem Einbau will das gute Stück noch nicht so richtig. – Das Schneidemesser muss raus, um an alle Kontakte gelangen zu können. Doch das passende Werkzeug, um den komplizierten Haltemechanismus zu knacken, hat Lutz-Michael zu Hause. Sein Ehrgeiz ist geweckt. Gertraud vertraut ihm ihr Lieblingsstück bis zum nächsten RepairCafé-Termin an.
Und dann ist da das Lichtblüten-Bäumchen, das nicht mehr leuchten will.
Kurzerhand wird ein neues Netzteil aus Rüdigers Ersatzteillager angebaut, das den defekten Stecker überbrückt, und Bäumchen und Besitzerin strahlen wieder.
Nebenan laufen die Forschungsarbeiten an einer Nähmaschine, Fachgebiet des Repair-Cafés in Lichterfelde-West, das mehrere Nähmaschinenfachleute wie Eveline an der Hand hat. Die Diagnose, weshalb sich der Unterfaden nicht mehr aufspulen lässt, sagt: Das Gerät ist verzogen, die Experten sind an ihre Grenzen gekommen.
Pro Repair-Montag kann immer nur eine Nähmaschine wegen der komplizierten Technik vorgestellt werden, Interessenten sollten sich daher auf längere Wartezeiten einstellen.
Carola Büttner erklärt: „Wir wünschen uns, mehr Menschen in unserem Kiez zu erreichen und dazu zu bewegen, sich mit Hilfe unseres RC-Expertenteams an der Abfallvermeidung zu beteiligen und gleichzeitig ihre liebgewonnenen Spielzeuge, Elektro- und Haushaltsgeräte, Lampen, Radios usw. wieder funktionsfähig, also repariert, zu erhalten. Oft gelingt uns das mit einfachsten Mitteln. Und ohne, dass unseren Mitbürgern dadurch Kosten entstehen, denn wir arbeiten alle ehrenamtlich und somit unentgeltlich. Wobei wir uns über Spenden natürlich freuen, damit wir Werkzeuge ersetzen und neue Materialien kaufen können.“
Übrigens: Rüdiger Büttner bietet in Kooperation mit der Volkshochschule im Bürgertreff Lichterfelde-West Lötkurse für Anfänger*innen, Kursentgelt: 9,89 €/Person + 5 € Bausatz-Kosten. Nächster Termin (unter Vorbehalt): 28. Mai 2020 von 18 – 21 Uhr. Rechtzeitige Anmeldung unter Telefon 030 – 90299 5020.
Anmeldungen zum RepairCafé unter Telefon 0157 / 816 946 34. – kein AB, es wird zurückgerufen oder über E-Mail: repaircafe@bastler-beutel.de.
Jacqueline Lorenz
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