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100 Jahre Gartendenkmal Lietzenseepark

Hier ist es hübsch, hier kann ich ruhig träumen

Erschienen in Gazette Charlottenburg Juni 2020
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– Das wusste schon Kurt Tucholsky, der mit den Zeilen seines Park-Gedichtes weniger des Lietzenseeparks als der locker-leichten Lebensweise Frankreichs gedacht haben dürfte. Die aber findet Alt und Jung durchaus auch hier in Charlottenburg beim Schlendern und Entschleunigen im 100-jährigen Park mit dem 6,6 Hektar großen, sichelförmigem Lietzensee, die beide 1904 durch die Verlängerung der Kantstraße und die damit verbundene Dammaufschüttung mittig zweigeteilt worden waren. Eine Fußgängerunterführung verbindet heute beide Teile.

Der Berliner Funkturm hat stets ein Auge auf den über 10 Hektar großen innerstädtischen Park, der eigentlich das Seeufer ist und bei jeder Jahreszeit von Alt und Jung gern aufgesucht wird: Als Oase der Ruhe und Aktionsmittelpunkt für Anwohner und ansässige Bürgervereine, die sich für den Erhalt und die Pflege dieses besonderen Gartendenkmals seit Jahren erfolgreich einsetzen.

Vom Park Witzleben zum Gartendenkmal

Den Lietzensee gab es schon vor der Besiedelung des umliegenden Gebietes. Er lag mitten im Wald, zu seinem Namen gibt es verschiedene Erklärungen: So wird der einerseits auf das nah am See gelegene und 1719 zu Charlottenburg eingemeindete Dorf Lietzow zurückgeführt, andererseits mit der urberlinischen Bezeichnung „Lietze“ für das Blässhuhn in Verbindung gebracht. Der See wurde von den Nonnen des damaligen Benediktinerinnenklosters St. Marien als Fischteich genutzt.

Einer regionalen Sage nach versank das Dorf im See, und Fischer verfingen sich immer wieder mit ihren Netzen an der unter Wasser verborgenen Kirchturmspitze. – Keine Sage aber ist, dass der Lietzensee der aus Gletscheraktivitäten der letzten Eiszeit hervorgegangenen Grunewaldseenkette zugehört und grundwassergespeist ist, mit unterirdischem Abfluss zur nördlich gelegenen Spree.

1824 wurde der Lietzensee vom preußischen Staats- und Kriegsminister Job von Witzleben erworben. Er begann mit der Parkanlage. Nach seinem Tode 1837 wanderte der Besitz weiter. 1840 erwarb ihn der Kunstgärtner, Naturforscher und Maler Ferdinand Deppe, der ihm mit seiner Georginen- und Rosenzucht zu weiterer Pracht verhalf. Die Zeiten änderten sich, das Areal um den Park wurde zum vornehmen Wohnquartier und das Ostufer des Sees mit Wohnhäusern bebaut – bis auf drei Grünflächen: den Witzlebenplatz, den Kuno-Fischer-Platz und den Dernburgplatz.

In der Zeit von 1918-1920 gestaltete der Charlottenburger Gartenbaudirektor Erwin Barth den Lietzenseepark nach eigenen Plänen in eine Grünanlage im Jugendstil um. Auf diese Zeit geht die Entstehung der Großen Kaskade am Südende des Sees, der Kleinen Kaskade am Nordwestufer sowie der Bau des Parkwächterhauses von Rudolf Walter 1924/25 zurück. Denkmale und Skulpturen wurden in den kommenden Jahrzehnten errichtet, darunter das Denkmal der Gefallenen aus dem Garde-Regiment Nummer 3 der Königin Elisabeth, die Bronzeskulptur „Sandalenlösender Knabe“ aus dem Jahr 1962, Bernhard Bleekers Speerträger, die Vogeltränke mit Seelöwen sowie zwei Aluminium-Plastiken von Volkmar Haase. An das einstige Bootshaus Stella erinnert heute das gleichnamige, 2009 neu erbaute Terrassen-Café mit Biergarten am Lietzensee. DAS neue Highlight des Lietzenseeparks aber wird das Parkwächterhäuschen, auf Initiative vieler engagierter Bürger wiederbelebt.

Die Kümmerer und ihre Ziele

Dass dieser Charlottenburger Park noch heute so charmanter Anziehungspunkt für Naturfreunde und Erholungssuchende ist, verdanken die Bürger besonders zwei gemeinnützigen Vereinen, die in den vergangenen Jahren weder Mühen noch Kosten gescheut haben, um die Furchen im Gesicht des 100-jährigen Gartendenkmals nicht zu tief werden zu lassen:

Die Partnervereine „Bürger für den Lietzensee e. V.“ und der daraus hervorgegangene „ParkHaus Lietzensee e. V.“ setzen sich finanziell und ehrenamtlich aktiv ein.

Aus einer Bürgerinitiative, die sich 2004 als „Handarbeitsgruppe des Bezirks“ nicht mit den Einsparungen im Grünflächen-Bereich des Bezirksamtes zufriedengeben wollte, entstand 2004 der Verein „Bürger für den Lietzensee“, gegründet von Prof. Klaus W. Döring und Irene Fritsch. Die geschichts- und schreibaffine Charlottenburgerin ist heute stellvertretende Vereinsvorsitzende und engagiert an der Seite des Vorsitzenden Norbert Voß, der als Architekt und Tragwerksplaner das nötige Know-how für die Parkprojekte mitbringt und wichtige Vorarbeit beim Sanierungsprojekt „Parkwächterhaus“ in Sachen Statik leistete.

In krisenfreien Zeiten treffen sich einmal monatlich Freunde und Anwohner des Lietzenseeparks in der Ev. Kirchengemeinde am Lietzensee zum Gedankenaustausch und zu Gesprächen, wobei auch themenbezogene Vorträge und Lesungen nicht zu kurz kommen.

„Jeder, der den Lietzenseepark unterstützen möchte, ist uns herzlich willkommen, denn wir können gar nicht genug Mitstreiter für die Parkpflege haben“, betont Vorsitzender Norbert Voß, der auch aktives Mitglied der Friedensbewegung ist und nach deren Motto „Global denken, lokal handeln“ vor der eigenen Haustür am Lietzensee Einsatz zeigt.

Arbeitsgruppen aus Vereinsmitgliedern und Interessierten bilden ein Pflegewerk, das dort eingreift, wo die öffentliche Hand fehlt. – Stets im Austausch mit dem Grünflächenamt wird die Vereins-Dienstagsgruppe mit einem Stamm von 10 Mitgliedern bei pflegenden Gartenarbeiten wie Harken, Beschneiden oder Rabatten-Pflege aktiv, trifft man sich an jedem zweiten Samstag im Monat, um Parkbänke zu reinigen, den See von Treibgut zu säubern oder um mit der Graffiti-Gruppe Schmierereien zu entfernen. Dazu hat der Verein, der rund 200 Mitgliedern zählt, aus Mitgliedsbeiträgen und Ehrenamtsmitteln finanziert einen Tornado-Reiniger angeschafft. Weitere Vereinsmittel fließen regelmäßig in den Kauf von Blumenzwiebeln, Gartenarbeitsgeräten und Büromaterial.

Und auch bei Sonderaktionen wie Frühjahrs- oder Herbstputz packen alle kräftig mit an. In der Parkentwicklung und bei Instandsetzungsmaßnahmen hat der Verein ebenfalls Mitspracherecht. Da geht es aktuell um die Sanierung der Kleinen Kaskade, macht man sich Gedanken um passende Pflanzkonzepte oder engagiert sich im gemeinsamen Festausschuss der beiden Partnervereine für offizielle Park-Veranstaltungen – auch wenn in diesem Jahr Corona in Sachen 100-Jahr-Feier-Planung für den 13. und 14. Juni einen Strich durch die Rechnung machte.

Der ParkHaus-Wiederbelebung verschrieben

hat sich ganz der 2014 aus einer Nachbarschaftsinitiative gegründete „ParkHaus Lietzensee e. V.“. Der Verein ist seit 2015 Pächter des denkmalgeschützten Parkwächterhauses und zeigt großen Einsatz für seine Sanierung hin zu einer sozialen, barrierefreien Nutzung.

Das Häuschen entstand 1925 als Erweiterung der vorherigen Bedürfnisanstalt. Es diente dem Ausschank von Milch und Wasser, die Räume im ersten Stock bewohnte der Parkwächter. Die Wohnung wurde bis Mitte der 50er-Jahre genutzt. Der bis in die 70er-Jahre eingesetzte Parkwächter wohnte dann auswärts. Ab 1955 nutzte das Gartenbauamt das Häuschen.

Der Verein machte vor der Sanierung einen spannenden Dachbodenfund mit Unterlagen, die Interessantes über die Nutzung und Geschichte des Hauses verrieten (siehe Gazette11/18).

Die geschätzten Sanierungskosten für das Parkwächterhaus lagen 2018 noch bei 700.000 Euro und liegen inzwischen bei geschätzten 900.000 Euro. – Doch die Gesamtfinanzierung scheint gesichert: Die Lotto Stiftung Berlin will die Sanierung mit maximal 600.000 Euro fördern, und durch Bundesgelder aus dem Etat der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Monika Grütters, sind laut Verein 245.000 Euro an Mitteln für die ParkHaus-Sanierung bereitgestellt. Dazu kommen die geleisteten Spenden.

Geplanter Sanierungsbeginn sollte der Frühsommer 2020 sein – der Zeitpunkt, den der Verein ursprünglich als Fertigstellungs-Termin für das sanierte ParkHaus angedacht hatte. Doch auch hier griff Corona verzögernd in die Planung ein. Sobald dem Beginn der Sanierungsarbeiten nichts mehr im Wege steht, wird mit einer Bauzeit von 9-13 Monaten gerechnet.

„Ich sitze still und lasse mich bescheinen und ruh von meinem Vaterlande aus“, heißt es schließlich am Ende von Tucholskys Parkgedicht. – Und das kann auch so manchem zufällig am Park Vorbeieilenden wärmstens empfohlen werden. Dort, wo der Wind leise in den Weiden über dem Lietzensee singt, Blässhühner gründeln, Rosenduft herüber weht und die Zeit hier mitten in der Stadt still zu stehen scheint.

Weitere Informationen zu Park, ParkHaus und den beiden Partnervereinen unter www.lietzenseepark.de und www.parkhaus-lietzensee.de

Jacqueline Lorenz

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