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Rassismus bekämpfen – Vielfalt fördern – wie kann sich die Bezirksverwaltung interkulturell öffnen?

Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Charlottenburg-Wilmersdorf diskutiert

Erschienen in Gazette Charlottenburg und Wilmersdorf August 2020

Das Thema Rassismus ist auch in Charlottenburg-Wilmersdorf in der Diskussion. Welche Auswirkungen kann das auf die Bezirksverwaltung haben? In den folgenden Beiträgen nehmen die Fraktionen der BVV zu dem Thema Stellung.

SPD-Fraktion

Charlottenburg-Wilmersdorf ist ein weltoffener, lebenswerter Bezirk, in dem Vielfalt gelebt wird. Ausgelöst durch den Tod von George Floyd in den USA und den weltweiten Protesten unter dem Slogan „Black Life Matters“ gegen Rassismus und Polizeigewalt ist auch bei uns das Thema Rassismus wieder stärker in das öffentliche Bewusstsein gerückt. Rassismus macht nicht an Bezirksgrenzen halt und leider gab und gibt es auch in unserem Bezirk rassistische Vorkommnisse. Als SPD kämpfen wir entschieden gegen Rassismus, Rechtsextremismus und Antisemitismus. Wir unterstützen daher auch als SPD-Fraktion die wichtige Aufklärungsarbeit des Registers Charlottenburg-Wilmersdorf sowie die Förderung von Demokratieprojekten durch die Partnerschaft für Demokratie Charlottenburg-Wilmersdorf.

Die Vielfalt unseres Bezirkes muss sich auch in der Bezirksverwaltung wiederfinden. Daher begrüßen wir als SPD-Fraktion auch den vom Bezirksamt im September 2019 beschlossenen „Fahrplan zur interkulturellen Öffnung der Verwaltung“, deren Umsetzung vom Integrationsbüro koordiniert wird. Aus Sicht der SPD-Fraktion ist dabei die interkulturelle Öffnung der Verwaltung ein wichtiger Baustein für eine erfolgreiche Personalpolitik. Bei der Gewinnung von Personal für die öffentliche Verwaltung sollte sich die Vielfalt des Bezirkes abbilden. Die SPD-Fraktion wird sich weiter dafür einsetzen, dass Charlottenburg-Wilmersdorf ein weltoffener und vielfältiger Bezirk bleibt.

Constanze Röder

CDU-Fraktion

Der Verfassungsschutzbericht 2019 zeigt: egal wie viel für interkulturelle Öffnung bisher getan wurde – keiner kann sich darauf ausruhen. Wir fragen nach: Warum entwickeln die einzelnen Bezirksverwaltungen nicht ein eigenes Leitbild für interkulturell sensibles Handeln? Sachbearbeiter sollen sich mit ihren Kunden kulturell auseinandersetzen. Das fängt bei der Schreibweise ihrer Namen an. Insbesondere Menschen aus Asien werden zum Teil sehr unterschiedlich geschrieben/ transkribiert. Das muss sich ändern! Sind Fortbildungen partizipativ entwickelt oder „von oben“ angeordnet? Wie wäre es mit Förderung von interkulturellen Begegnungen als Chance, Wissen zu erweitern und Vorurteile abzubauen – z. B. in Form eines Teamtags mit Stadtteilführung, Moscheebesuch, interkulturellem Kochen? IntegrationslotsInnen bemängeln große Hemmungen von Migranten bei Behördenbesuchen, insbesondere dem Jugendamt. Dem könnte ein Tag der offenen Tür beim Jugendamt entgegenwirken. Oder Praktika/ Hospitationen von Multiplikatoren aus den Communities. Das würde Bewerber mit migrantischer Geschichte in der Verwaltung fördern. Zu guter Letzt: Ein etabliertes Bezirksfest könnte den antisemitischen Al-Quds-Marsch aus Charlottenburg verdrängen. Doch unserem Bezirksamt fehlt dazu bislang der nötige Nachdruck.

Kristina Wagner

B‘90/Grünen-Fraktion

Eine Frau mit Kopftuch und türkischem Namen muss 4,5 Mal so oft Bewerbungen verschicken wie Bewerberinnen mit gleicher Qualifikation, so das Bonner Forschungsinstituts zur Zukunft der Arbeit. Der Grad der Diskriminierung steigt sogar mit der Qualifikation. Für Menschen mit Migrationsgeschichte bedeutet das: je mehr sie sich integrieren, desto schwieriger wird es. Mit dem bereits 2010 verabschiedeten Partizipations- und Integrationsgesetz für die Berliner Verwaltung strebt der Senat die Erhöhung des Anteils der Beschäftigten mit sog. Migrationshintergrund entsprechend dem Bevölkerungsanteil an. In Charlottenburg-Wilmersdorf sind das über 40 Prozent – die Bezirksverwaltung ist weit davon entfernt. Die im letzten Jahr aufgelegte „Roadmap“ zur interkulturellen Öffnung ist ein Ansatz, dem weitere Schritte folgen müssen. Für junge Menschen mit Migrationsgeschichte fehlt es an Vorbildern in der Verwaltung. Sinnvoll wäre etwa ein Modellprojekt, bei dem Beschäftigte des Bezirksamtes diese neuen Kolleg*innen im Mentoring betreuen. Und alle Mitarbeiter*innen sollten Hilfe bekommen, Verwaltung und Dienstleistungen für die Bürger*innen vielfältiger zu machen.

Koray Özbagci, Christoph Wapler

FDP-Fraktion

Der Schlüssel für gelungene Integration und interkulturellen Austausch ist die Gleichberechtigung. Mit Gleichberechtigung in alle Richtungen fehlen denjenigen, die „Fremdenangst“ haben, objektive und subjektive Argumente. Im Bezirk sowie in der gesamten Politik müssen wir uns endlich davon verabschieden, dass nur eine Partei die Patentlösung zur Bekämpfung von Rassismus hat. Wir werden die Probleme nur dadurch lösen, dass alle demokratischen Parteien Bausteine zum Konsens beitragen und somit jeder gehört wird. Die FDP-Bausteine sind neben einem Asylrecht auch ein Einwanderungsgesetz nach den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes, um Wirtschaftsmigration möglich zu machen und gleichzeitig der Angst vor überlasteten Sozialsystemen entgegenzuwirken. Die Bezirksverwaltung betreibt bereits mit der Roadmap Interkulturelle Öffnung eine Förderung der Vielfalt, die wir begrüßen, da Personengruppen mit interkultureller Kompetenz unterstützt werden sollten. Es darf aber nicht zu einer Bevorzugung kommen und somit der Grundsatz der Gleichbehandlung verlassen werden.

Stuttgart hat gezeigt, dass die Dialogbereitschaft gefördert werden muss, anstatt mit fragwürdigen gesetzlichen Regelungen wie dem Antidiskriminierungsgesetz Vorverurteilungen zu befördern. Nur so können wir einen gesellschaftlichen Konsens erlangen, um weiterhin weltoffene Politik zu betreiben.

Maximilian Rexrodt

AfD-Fraktion

Es wird unterstellt, dass die Bezirksverwaltung bisher interkulturell eher untätig war. Die AfD-Fraktion fragt: ernsthaft?

Das Gegenteil ist wahr: Man (fehl-)investiert dafür enorme Ressourcen in zig Projekte. Und bereits 2009 – also schon ein Jahr vor dem Partizipations- und Integrationsgesetz – zeichnete das Bundesfamilienministerium den Bezirk als Ort der Vielfalt aus; 2019 wurde dann ein sog. Fahrplan zur Interkulturellen Öffnung verbindlich.

Als AfD-Fraktion fragen wir hingegen, was Bürger beunruhigt bzw. empört: Wenn wir doch von der gepriesenen „bunten Vielfalt“ so profitieren, wieso muss eine Art Quote sie verbindlich machen?! Wir lehnen so etwas als sachfremd und wettbewerbsverzerrend ab.

Für uns überwiegen die Schattenseiten der einheitlich propagierten Vielfaltsideologie: Die Masseneinwanderung kulturfremder Menschen – viele bildungsfern, dafür religiös – führt auch zu Parallelgesellschaften, dies wiederum zur Zunahme sozialer Verwerfungen und Kriminalität – zukünftig dann als „Partyszene“ verniedlicht.

Die bunten „One-World“-Propagandisten leugnen unangenehme Realitäten und hegen die Illusion vom Multikulti-Paradies. Was droht uns auf dem Weg dorthin noch alles? Buntheitskommissare? Vielfaltsagenten? Antirassismus-SEK?

Michael Seyfert

Linksfraktion

Um Rassismus wirkungsvoll zu bekämpfen, ist es wichtig, sowohl öffentlich auf der Straße als auch im Alltag gegen rassistische Tendenzen anzugehen. Dabei sollte auch die bezirkliche Verwaltung mit gutem Beispiel vorangehen. Deshalb fordern wir als Fraktion DIE LINKE schon lange eine wirkliche interkulturelle Öffnung von Verwaltungsstrukturen, wozu auch eine Quotenregelung bei Stellenbesetzungsverfahren und für Führungspositionen von Menschen mit migrantischen Wurzeln gehören. Auf diesem Wege können interkulturelle Kompetenzen der Mitarbeiter*innen in die Verwaltungsarbeit eingebracht und Kultur- und Sprachbarrieren in den Ämtern selbst, aber auch in der täglichen Arbeit im Umgang mit Bürger*innen, überwunden werden. Das fördert einerseits sowohl echte Teilhabe und Integration, andererseits aber auch gegenseitige Aufgeschlossenheit, ein Verständnis füreinander und einen respektvollen Umgang miteinander. Erworbene interkulturelle Kompetenzen könnten dann auch in den Alltag außerhalb von Verwaltungsstrukturen transportiert werden und somit die Gesellschaft bereichern und Synergieeffekte hervorbringen. Schlussendlich ist die gegenseitige Öffnung von Kulturen und ein Umgang miteinander mit Respekt niemals eine Einbahnstraße.

Sebastian Dieke

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