Erschienen in Gazette Zehlendorf Juni 2019
Von den einst drei Zehlendorfer Mühlen ist nur noch die Holländische Mühle an der Berliner Straße erhalten, und auch diese nur noch zum Teil. Sie ist Überbleibsel der Zeit, in der Zehlendorf ein Bauerndorf und der Müller ein unverzichtbarer Dienstleister war.
Bereits im Landbuch Karls IV. wurde 1375 eine Mühle in Zehlendorf erwähnt – die Bockwindmühle befand sich am südlichen Ende des damaligen Dorfes, an der Stelle, wo sich heute Mühlenstraße und Prinz-Handjery-Straße treffen. Sie stand lange Jahre und wurde erst 1875 abgebaut und nach Lehnin verkauft. Dort war sie noch bis 1961 in Betrieb. Zwei neu gebaute Mühlen ersetzten die alte Zehlendorfer Mühle. Eine stand an der Sundgauer Straße. Der Müller Fritz Krüger ließ sie bauen und betrieb sie zehn Jahre lang. Danach wurde sie abgebaut. Nach dem erneuten Aufbau in Jüterbog nahm sie dort ihren Betrieb auf.
Die zweite zu jener Zeit neu erbaute Mühle ist die Holländische Mühle an der Berliner Straße 75, deren Turm heute noch steht. Sie wurde von dem Architekten August Andres entworfen, Bauherr war der Müller Fritz Radlow. Obwohl die Gegend bis in die 1920er-Jahre noch unbebaut war, fehlte der Wind. Fritz Radlow verkaufte die Mühle im Jahr 1894 an Albert Miecke. Dieser ließ einen Motor einbauen, der mit Petroleum angetrieben wurde. Ab 1921 übernahm ein Elektromotor den Antrieb der Mühle. Zehlendorf wuchs und die Bebauung rückte immer näher. Nordöstlich der Mühle wurde ab 1927 das Thieleck erbaut. Die Siedlung Am Mühlenberg zwischen Berliner-, Mörchinger- und Sundgauer Straße folgte und nach deren Fertigstellung wurde zwischen 1937 und 1938 an der Berliner Straße und an der Schützallee weiter gebaut.
Die neuen Anwohner wollten in ihren Wohnungen die Ruhe genießen und beschwerten sich über den Lärm der Mühle. Die Flügel der Mühle wurden ca. 1943 abmontiert. Das hatte allerdings nichts mit dem Ruhebedürfnis der Bevölkerung zu tun, sondern war auf die Luftangriffe auf Berlin zurückzuführen. Die deutlich aus der Luft erkennbare Mühle bot feindlichen Fliegern einen guten Orientierungspunkt, den man ihnen nehmen wollte. Die Mühle behielt ihre Funktion trotzdem noch bis in die Nachkriegsjahre. Noch bis ca. 1950 verarbeitete man hier täglich Getreide zu Mehl, aus dem unter anderem in der benachbarten Bäckerei, die ebenfalls Familie Miecke gehörte, Brot, Brötchen und Kuchen gebacken wurde. Das Mahlgut wandelte sich jedoch im Laufe der 1950er-Jahre. Anstelle von Getreide wurde Kunststoff zerkleinert.
Irgendwann nach dieser Zeit wurde die Mühle außer Betrieb genommen. Sie stand lange leer und verfiel nach und nach. Doch in den 1990er-Jahren kam neues Leben in die Mühle. Mit erheblichen privaten Mitteln richtete sie ein neuer Eigentümer wieder her. Das Äußere der Mühle wurde denkmalgerecht wieder aufgebaut und im Inneren wird heute gewohnt. Sicherlich steht hier das ungewöhnlichste Wohnhaus in Zehlendorf!
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