Erschienen in Gazette Steglitz und Zehlendorf Oktober 2020
Im Jahre 2019 beschäftigte sich eine Studie mit den Angeboten für Jugendliche in Zehlendorf-Mitte. Dabei wurden auch gewisse Defizite der Freizeitangebote aufgeführt. In der folgenden Zeit beschäftigten sich die Fraktionen und Gremien in der Bezirksverordnetenversammlung Steglitz-Zehlendorf mit verschiedenen Initiativen mit diesem Themenkomplex. Im Folgenden nehmen die Fraktionen in der BVV zu diesem Thema Stellung.
Kann es für Jugendliche zu Normalzeiten schon schwierig sein, sinnvoll Freizeit zu verbringen, hat dies die Coronazeit mit all ihren Schließungen noch schwerer gemacht. Das gilt nicht nur für Zehlendorf-Süd. Abhängen auf Parkbänken oder ausschließliches Spielen am Smartphone sind keine taugliche Beschäftigung. Sport in Jugendmannschaften oder Trainingsgruppen aber ist sinnvolle Freizeitbeschäftigung. Deswegen ist es umso wichtiger, dass gerade die Sportvereine rasch zu regulären Angeboten zurückkehren können. Ebenso wertzuschätzen ist die Arbeit in den ehrenamtlichen Organisationen der Hilfsdienste. Ob Jugendfeuerwehr, Malteser oder THW, hier lernt man, hat Spaß und gleichzeitig selbstbewusstseinsstärkende Erfolgserlebnisse. Auch Angebote wie die Jugendwerkstatt im Ostpreußendamm oder die Skaterbahn müssen gefördert und ausgebaut werden. Auch muss die aufsuchende Jugendsozialarbeit verstärkt werden. Die CDU-Fraktion fordert daher die Jugendstadträtin auf, das Jugendfördergesetz so einzusetzen, dass Einsatz und Engagement für die Gesellschaft zu den prägenden Angeboten für Jugendliche gehören.
Bernhard Lücke
Immer wieder gibt es Klagen, dass Gruppen von Jugendlichen sich in der Dorfaue, an der Eiche oder am S-Bhf. treffen und dabei oft Konflikte produzieren. Das Jugendamt hat eine Sozialraumanalyse in Auftrag gegeben, um Wünsche und Bedürfnisse von Jugendlichen zu erfahren. Es besteht der Wunsch von Jugendlichen nach einem Ort für kulturelle Aktivitäten. Der Vorschlag der SPD, dies nach dem Auszug des Alliiertenmuseums dort möglich zu machen, ist von der schwarz-grünen Mehrheit abgelehnt worden. Der von den Jugendlichen selbst gebaute Parcours am Brittendorfer Weg wurde gut angenommen, die schlechte Beleuchtung wurde beklagt. Durch die Corona-Einschränkungen ist der Ort bei vielen Jugendlichen in Vergessenheit geraten und muss neu belebt werden. Öffnungszeiten der Freizeiteinrichtungen müssen den Jugendlichen angepasst werden. Der Umbau des Bahnhofs sollte genutzt werden, um Nutzungsinteressen von Jugendlichen einzubeziehen.
Wenn wir den Jugendlichen keinen legalen Platz bieten, wird es immer wieder Nutzungskonflikte geben. Gut wäre es, wenn bei Neubauvorhaben ein Platz für Jugendliche mitgedacht würde, wie die Spielplätze für Kinder.
Juliana Kölsch
„So manche Kickboxschule oder ehrenamtliche Einrichtungen haben schon mehr Terroranschläge verhindert als der Verfassungsschutz“, äußerte sich der Kriminalanalyst Mark Hofmann am 20.08.2020 im RBB zu der Terrorfahrt auf der Berliner Stadtautobahn am 18.08.2020. Er bezog sich mit dieser Aussage auf die Gemeinsamkeiten der Attentäter von Hanau, Halle, Breitscheidplatz und eben der Berliner Stadtautobahn und benannte diese mit Frustration und Perspektivlosigkeit. Nun wird nicht jeder frustrierte Jugendliche, der für sich keine Perspektive sieht, zum Terroristen, insbesondere in Zehlendorf wohl nicht. Diese Schlussfolgerung von Herrn Hofmann mach jedoch deutlich, wie wichtig die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, dass gute Jugendarbeit sich auszahlt und Angebote für Kinder und Jugendliche kein Luxus ist, den sich der Bezirk leistet und bei der nächsten Haushaltskrise eingespart werden kann. Sie gehören zur städtischen Infrastruktur, wie Straßen, Kindergärten und Schulen und müssen als solche betrachtet werden. Leider sind die Angebote für Jugendliche gerade in Zehlendorf selten. Daran müssen wir arbeiten, durch Schaffung von Räumen, gutem ÖPNV und Einbeziehung von Experten, nämlich den Kindern und Jugendlichen selbst.
Sebastian Serowy
Mit „Schaf auf ‘nen Trip“ wirbt der Bezirk in der U3 – im Jugendjargon Dealerline genannt – für mehr hippen Tourismus und Partypeople: Langeweile ade. Die Versorgung mit Drogen ist gesichert. Stoff gibt’s auch am S-Bahnhof Zehlendorf, hartes Zeug in bestimmten Lokalen. Beizeiten trifft sich die „Party- und Eventszene“ wenige S-Bahnstationen entfernt am Schlachtensee und am Rathaus Steglitz. Das Bezirksamt sollte sich vorausschauend von Stuttgart, Frankfurt und, vor Silvester, Köln beraten lassen. Hier gilt es gegenzusteuern, attraktive Angebote abseits der potentiell schiefen Bahn gibt es schließlich genug, derer viele nicht einmal Geld kosten müssen:
Ob Schwimmen in Seen oder Bädern, Skaten oder Sprinten auf Lauf- und Radstrecken, Sport in Vereinen oder Fitness-Studios. Auch für ehrenamtliches Engagement finden sich unzählige Angebote von Rotem Kreuz über THW und Feuerwehr bis zur DLRG oder sozialen Vereinen, die allesamt Jugendliche dankbar aufnehmen, rekrutiert sich doch hier deren dringend benötigter Nachwuchs. Und auch für die pure Freizeit und zum Feiern gibt’s genügend Möglichkeiten vom Kino oder der Flipperhalle bis zu Partys im privaten Rahmen.
Peer Lars Döhnert
Bedarfe, aber kein Geld und keine Konzepte, dies ist die Zusammenfassung des Sachstands zur Jugendarbeit in Zehlendorf. Dies klingt hart, aber wenn wir die Situation am Verkehrsknoten Zehlendorf-Mitte betrachten, fallen in der Statistik die vielen Schüler/-innen auf, die jeden Tag durch dieses Zentrum zur Schule fahren, dort umsteigen und sich aufhalten, doch adäquate Angebote der Jugendsozialarbeit fehlen. Im Jahr 2019 wurde ein 5-stelliger Eurobetrag für eine Sozialraumanalyse ausgegeben, die keine neue Erkenntnisse brachte und dementsprechend keinerlei Wirkung entfaltete. Das Geld wäre in konkrete Jugendarbeit besser investiert gewesen. Aber nicht nur in Zehlendorf-Mitte gibt es Probleme, auch am Schlachtensee fällt in den Sommermonaten auf, dass die klassische Jugendarbeit nicht die Jugendlichen erreicht. Zehlendorf fehlt es in der Jugendarbeit an einem neuen Plan, innovativen Konzepten, Trägervielfalt und mehr politischen Biss der verantwortlichen SPD-Bezirksstadträtin. Glücklicherweise gibt es einzelne Projekte von Sozialarbeitern und Träger, die das große Potential aufzeigen, wenn man mehr Gestaltungswillen zeigen würde.
Kay Ehrhardt
Man könnte fast meinen, Jugendliche kommen in Zehlendorf Mitte gar nicht vor! Sonst müsste es ja Angebote für sie geben. Pustekuchen! Wir sind gespannt, was die online-Befragung „Und wo hängst Du so ab?“, die derzeit durch das Jugendamt gemeinsam mit freien Trägern durchgeführt wird, an Ergebnissen bringt. Und was daraus dann resultiert. Wo gibt es geschützte Orte, an denen sich junge Menschen treffen können? In welchen Räumen können sie laut sein und das tun, worauf sie Bock haben? Gute Frage. Es fehlt so vieles: Bolzplätze, selbstverwaltetes Jugendzentrum, Tischtennisplatten usw.. Wenn es aber keine entsprechenden Angebote gibt, suchen sich die Jugendlichen ihre Treffpunkte selbst. Und dann wird‘s manchmal schwierig mit dem harmonischen Zusammenleben. Deshalb führt kein Weg daran vorbei: Es müssen Angebote und Orte her, die so gestaltet sind, dass sie von Jugendlichen auch gerne angenommen werden. Deshalb ist deren Beteiligung an Planung und Entwicklung unabdingbar! Übrigens: Einen ganz zentralen Ort wüssten wir bereits: Das seit Jahren leerstehende Gebäude Clayallee/Berliner Straße – viel Platz für vielfältige Angebote!
Gerald Bader
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