Erschienen in Lankwitz Journal Oktober/November 2020
Seinen 85. Geburtstag am 5. September 2020 feierte der vielseitige Künstler mit der deutschen Erstaufführung der von ihm übersetzten und mit den Co-Autoren Arnulf Rating und Frank Lüdecke zur Bühnenreife geschliffenen Jean-Louis-Fournier-Komödie „Gottes Lebenslauf“ auf der Bühne des Steglitzer Traditionshauses, das Hallervorden im Jahr 2009 in ein neues strahlendes Theaterleben geführt hatte. In der Rolle des allmächtiger, doch ruhelosen Gottvater, der nach sechs Tagen Welterschaffung und nach einem Ruhetag sich um Anstellung bei dem Personalchef eines großen Unternehmens bewirbt und nun auf Erden Rede und Antwort stehen muss, kehrt Hausherr Hallervorden an der Seite von Peter Bause nach harter Corona-Abstinenz für Schauspieler und Publikum endlich wieder auf die Bretter seines Schlosspark Theaters zurück. – Das wohl schönste Geburtstagsgeschenk für sein Publikum und ihn, den alten Theaterhasen, der so ungern zurück, dafür aber umso hoffnungsfroher nach vorn blickt.
Ein wirklicher Optimist mit einem übergroßen Herzen für Kunst, Theater und Publikum muss man in diesen Tagen des kulturellen Verzichts und der künstlerischen Zwangsjacke wohl sein, um nicht alles hinzuwerfen und in tiefe Depression zu verfallen. Dieter Hallervorden hat über die Jahrzehnte disziplinierter Arbeit, schauspielerischen Könnens und wachsender Professionalität das Rüstzeug erworben, das ihm nun Stütze und Ansporn zugleich ist und ihn durchhalten lässt.
Als sechsfacher Vater von vier Menschenkindern und zwei Theatern hat er im Laufe der Jahrzehnte viel Applaus geerntet, aber auch manch Niederlage und dunkle Stunden mit sich allein ausgemacht. – Und so lässt er sich auch jetzt nicht „vom Virus verwirren“ oder folgt ganz besonders klugen Ratgebern, die zum Schließen seiner Theater raten. Auch wenn ihn in den letzten theaterfreien Monaten der Unterhalt der geschlossenen „Wühlmäuse“ und des Schlosspark Theater Berlin viel Kraft, finanzielle Klimmzüge und manch schlaflose Nacht gekostet hat, spuckt Dieter Hallervorden nun zur 12. Spielzeit umso kräftiger in die Hände und startet unbeirrt zu neuen Projekten durch.
Die neue Theatersaison stellt alle Beteiligten vor besondere Herausforderungen.
Stücke, die geplant waren, mussten Corona-bedingt verschoben werden, ein 14-Personen-Stück steht in der Warteschleife. Für die 12. Spielzeit gelten strenge Regeln, ein vom Senat genehmigtes Hygiene- und Schutzkonzept wurde erarbeitet und eingeführt. Alle drei Tage unterziehen sich die beschäftigten Schauspieler einem Corona-Test. Lediglich 105 von 473 Plätzen dürfen derzeit pro Vorstellung vom Publikum besetzt werden. Damit dies für Schauspieler und Zuschauer nicht zu übersichtlich anmutet, leisten zusätzlich 50 platzierte lebensgroße Puppen Schützenhilfe. – Nach einer Idee des versierten Theatermannes, der sich zum 85. Geburtstag von seinem Publikum die Ausstaffierung vom Theater gestellter Puppen gewünscht hatte.
So liegt auch in diesen Tagen der besondere Focus des Hauses auf seinem abwechslungsreichen Programm.
Renommierte Regisseure wie Folke Braband und Philip Thiedemann, namhafte Schauspieler wie Thomas Borchert, Michael Mendl, Brigitte Grothum und Frederike Haas und last but not least Dieter und Johannes Hallervorden stehen dafür. Gastspiele, Konzerte, Kabarett und Lesungen runden das Programm, zu dem sich u. a. Franziska Troegner, Robert Atzorn, Elke Heidenreich, Hannelore Hoger, Sissi Perlinger, Walter Plathe, Christian Berkel und Andrea Sawatzki dazugesellen werden.
„Gottes Lebenslauf“ wird bis zum 18. Oktober gespielt. Mit der Premiere der deutschsprachigen Erstaufführung „Ein deutsches Leben“ am 10. Oktober erwartet das Publikum ein ganz besonderes Einpersonenstück: Brigitte Grothum in der Rolle von Goebbels Sekretärin Brunhilde Pomsel stellt in dem omnivalenten, nach einem Interview verfassten Stück die Frage: Wie viel Pomsel steckt in uns allen?
Im November dann die bereits für einen früheren Zeitpunkt angesetzte Zwei-Personen-Komödie „Zwei wie Bonny und Clyde“.
Als Wiederaufnahmen kehren in der 12. Spielzeit ins Programmheft Erfolgsproduktionen zurück wie „Schmetterlinge sind frei“, „Ich bin nicht Mercury“, „Adel verpflichtet“ und „Der letzte Raucher“.
Für das junge Publikum erarbeitet auch in dieser Spielzeit das YAS-Junges Schlosspark Theater unter Stefan Kleinert wieder berühmte Klassiker, und mit der Literaturinitiative Berlin wird Kinder- und Jugendbuchautoren der Weg auf die Bühne des Schlosspark Theater gewiesen.
Das alles bedarf in Corona-Zeiten viel zusätzlicher Energie und Kraft, um in gewohnter Professionalität erfolgreich präsentiert werden zu können.
Kraft, die Dieter Hallervorden für das Wesentliche einsetzen will. Und so erklärt er „In eigener Sache“, nach sechzig Jahren „Interview-Marathon“ auf diesem Gebiet kürzer treten und der Disziplin Interview eine wohlverdiente Pause gönnen zu wollen.
Für geraume Zeit wird er deshalb keine Interviews mehr geben.
Seine neuen Projekte werden für ihn, den großen Theatermann, sprechen, dem noch lange nicht der Atem ausgehen möge.
Spielplan und Tickets unter www.schlossparktheater.de
Jacqueline Lorenz
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