Erschienen in Dahlem & Grunewald Journal Dezember/Januar 2020
Kriminalistik und Klaviere? Für den Leitenden Kriminaldirektor a. D. und Dozenten Prof. Heinz Jankowiak in Berlin-Zehlendorf kein Problem. Er, der in seinem Berufsalltag am Landeskriminalamt Berlin und als Leiter der Abteilung „Delikte am Menschen“ tagtäglich mit Mord, Sexualdelikten, Kinderpornografie, Vermissten und Bränden konfrontiert war, schaffte sich als Ausgleich zu den belastenden Kriminalfällen in seinen eigenen vier Wänden seine kleine heile Tastenwelt, aus der er bis heute Kraft und neue Freude schöpft.
Über fast 50 Jahre hat der sympathische Pensionär, Reise- und Musikfreund Exponate zum Thema Miniatur-Konzertflügel gesammelt, die inzwischen weitaus mehr als ein Zimmer seiner Zehlendorfer Wohnung füllen, vom Gemälde bis zum Mini-Flügel jeglichen Materials.
Wer Einblick in seine Sammlung bekommt, der ist bald ebenso begeistert wie der Professor selbst, angesichts dieser so entzückenden Ausstellungsstücke, die vom wertvollen Meißen-Flügel bis zum witzig-kitschigen Souvenir-Klavier aus den USA die Regale und Vitrinen füllen, genauestens dokumentiert in Ordnern, und nach Themen übersichtlich sortiert, wie es in mancher Asservatenkammer nicht besser sein könnte.
Auch wenn er seinem Bezirk Steglitz-Zehlendorf treu geblieben ist, wo er an der Droste-Hülshoff-Oberschule Abitur machte, 1973 seine Frau Evelyn heiratete und bis heute in der Familienvilla lebt: Sowohl beruflich als auch privat ist der 1948 in Berlin-Lichterfelde geborene Heinz Jankowiak viel in der Welt herumgekommen. Vorträge brachten ihn ebenso in ferne Länder wie zahlreiche Erkundungen mit seiner Frau, die seine Reiselust teilt. Seine Sammelleidenschaft unterstützt sie, nennt selbst aber den Garten und das Puzzeln ihre Hobbys. Die zwei Töchter und drei Enkel – das vierte Enkelkind ist unterwegs – leben in den USA.
Viele seiner Miniatur-Flügel stammen daher aus Amerika, andere kommen u. a. aus Dubai, Japan, Dänemark, Neuseeland oder Spanien; selbstgekauft, ersteigert über das Internet oder als Geschenk erhalten. – Seine ganz eigene Geschichte hat jedes einzelne Stück, die zu erzählen der Sammler nicht müde wird. Bei jeder seiner Reisen trägt er einen kleinen Keramikflügel in der Hosentasche bei sich, um Händlern und Verkäufern aller Herren Länder anschaulich weismachen zu können, was er eigentlich sucht oder kaufen möchte.
Dass es gerade das Tasteninstrument ist, das Jankowiaks Sammelleidenschaft wecken konnte, hat seine ganz besondere Bewandtnis: Bereits vor dem Abitur, parallel zur Schule, besuchte der junge Musikliebhaber das Städtische Konservatorium in Berlin, an dem er Klavier, Harmonielehre und Komposition studierte.
„Mit 18 Jahren hatte ich schon ein eigenes Auto und eine Wohnung“, erinnert sich Professor Jankowiak, der damals als Pianist die eine und andere gute Mark nebenbei verdiente, auch während seines Jura-Studiums. Er fährt schmunzelnd fort: „Sogar In der halbfertigen Gropiusstadt habe ich auf meiner Philicorda-Orgel gespielt.“
Das Jura-Studium tauschte er schließlich gegen den aussichtsreichen gehobenen Dienst der Berliner Polizei, wo er als Kriminalbeamter dann in verschiedenen leitenden Positionen der Berliner Polizei und der Senatsverwaltung für Inneres tätig wurde. 2010 ging Jankowiak, der auch als gefragter Dozent für Kriminalistik viele Erfolge verzeichnete, als stellvertretender Leiter des Landeskriminalamtes Berlin und Leiter der Abteilung „Delikte am Menschen“ in Pension.
Die Musik begleitet ihn schon sein ganzes Leben lang als ernstgenommenes und liebgewonnenes Hobby: So war er willkommener Pianist in Theatern, wirkte als Organist in Kirchen und war im Polizeichor als Sänger und Pianist aktiv.
Seine Frau Evelyn war mit ihrer Mutter und Schwiegermutter aktives Mitglied im Frauenchor Zehlendorf 1952 – und ist es noch heute. Als ein neuer Chorleiter gesucht wurde, war es ihr Mann Heinz Jankowiak, der vorstellig wurde – und dann 20 Jahre blieb und den Frauenchor leitete.
So nimmt auch dieses Exponat seiner Sammlung einen ganz besonderen Platz im Regal und in seinem Herzen ein: Der edle kleine Puppenhaus-Flügel aus dem KaDeWe, den ihm der Frauenchor als Anerkennung überreicht hat. Er steht nicht weit entfernt vom kleinen Holz-Bechstein-Flügel, den Heinz Jankowiak schon als Student von der Berliner Musik-Lehrerin, Chorleiterin und Gründerin des Berliner Kinderchors, Felicitas Hübbe-Haunert, erhalten hatte, und der den Grundstein für seine spätere Sammlung legen sollte. Ein weiteres frühes und gehegtes Stück aus Heinz´ Studententagen ist der Miniatur-Flügel in Form eines Tischfeuerzeugs, den er als junger Raucher am Frankfurter Bahnhof beim Berliner Zigarrenhändler Otto Boenicke gekauft hatte.
Und dann ist da die eher unscheinbare Glitzer-Brosche in Konzertflügel-Form mit umso höherem ideellem Wert: 1998, auf der Silberhochzeitsreise, welche die Jankowiaks nach Amerika führte, schenkte die Frau des Sheriffs der kalifornischen Kleinstadt Mariposa das Schmuckstück dem Sammler aus Deutschland. Der erklärt, noch immer beeindruckt von dieser herzlichen Geste: „Nach fröhlichem Grillabend an 12 Meter langer Theke, die aus einem vom Blitz gefällten Baum gezimmert war, hat sie mir die Brosche verehrt, die sie als Kind anlässlich ihres ersten erfolgreichen Vorspielens am Flügel von ihren Eltern bekommen hatte.“ Und Ehefrau Evelyn ergänzt zwinkernd: „35 neue Sammlerstücke haben wir von dieser Reise mitgebracht.“ Darunter auch der limitierte Mickey-Mouse-Flügel „Liebesmelodie“, den Heinz fast zum Schnäppchenpreis am Pier 39 in San Francisco kaufte. Daneben präsentiert sich dem staunenden Betrachter als weiteres Highlight der Sammlung ein zierlicher, in Florida goldgeschmiedete Flügel oder der filigrane Elfenbeinflügel, handgeschnitzt aus 17 Teilen, mit feinsten Sägearbeiten von der Hand eines Elfenbein-Restaurators verziert. Viel Überredungskunst kostete es, bis er auf dem Leipziger Weihnachtsmarkt der Extrabestellung zustimmte, umso größer heute der Stolz des Sammlers auf das ganz besondere Stück.
Nicht selten muss die Sammlerseele viel Geduld und langen Atem aufbringen, um ans Ziel bzw. ersehnte Exponat zu gelangen. Kriminalist Jankowiak hat beides. So auch in der Porzellanmanufaktur Meißen: Ausgestellt entdeckte er dort einen Porzellan-Miniatur-Flügel, den einst der namhafte Klavier- und Flügel-Fabrikant Thürmer für gute Kunden nach einer Form des Bossierers und Plastikers Peter Strang von der Meißener Porzellanmanufaktur hatte fertigen lassen. Mit Beharrlichkeit und guten Worten schaffte es Sammler Jankowiak schließlich, dass eine neue Form gegossen und daraus ein Einzelstück für ihn gefertigt werden konnte, nachdem Thürmer die Manufaktur zuvor dazu bevollmächtigt hatte.
Und dann gibt es da noch den Flügel aus dem 3D-Drucker nach Entwürfen eines Chilenischen Architekten, den Heinz Jankowiak nur auf Vermittlung seines Schwiegersohnes erhielt. Ihm wichtig ist auch das Etui mit Tastatur und Inschrift „Play it again“ auf dem Deckel und mit Kondomen im Innern, das ihm seine Tochter anlässlich ihres Umzugs in die USA übergab. Und da sind die aus Seife und Fimo-Knete geformten Flügel, Geschenke der Töchter aus Kindertagen – alles Unikate, die niemals vom noch so teuren Exponat überstrahlt werden können, da ihre Kraft direkt aus dem Herzen kommt.
Das Besondere einer Sammlung macht ihre Vielfalt aus: Da stehen vom Material wertvolle Exponate neben fröhlichem Kitsch, Gebrauchsgegenstände neben purem Luxus. Dass das Lächeln dabei nicht zu kurz kommt, dafür sorgen etliche der Sammlerstücke Prof. Jankowiaks.
Da ist das Bärchen am Klavier – natürlich aus San Francisco – das je nach Kopfbedeckung, die man ihm aufsetzt, Kinder-, Kirchen-, Weihnachts- oder Dixi-Songs anstimmt, oder der tönende Schneemann am Flügel, über den Heinz Jankowiak sagt: „Wenn er singt, bekomme ich automatisch gute Laune.“
Barbie und „Die Schöne und das Biest“ stehen mit ihren Miniatur-Flügeln nicht ohne den nötigen Kitsch-Effekt für die Rubrik Film und Fernsehen im Regal, und eine Replik des von Baron Hilton an Liberace überreichten Piano-Rings fehlt in Jankowiaks Sammlung ebenso wenig wie etliche Swarovski-Flügel oder der Schminkkasten einer japanischen Geisha in Form eines Konzertflügel. – Auch wenn Pianist Jankowiak daran stört, was er auf so vielen seiner Flügel-Miniaturen bemängelt: „Die Tonanordnung der Tastatur ist meist falsch wiedergegeben und entspricht nicht der wirklichen Klaviertastatur.“
In der „Herrenecke“ dann präsentiert sich der Hausherr stolz neben seinem neuesten Sammlerstück, einem im August 2020 auf den Markt gebrachten Lego-Miniatur-Flügel mit verstellbarem Klavierhocker. Innerhalb von nicht einmal einer Woche hat er die Stücke aus 3.662 Lego-Teilen zusammengesteckt und mit seiner ersten Lego-Arbeit bewiesen, dass er alles andere als zwei linke Hände hat. Über eine App können eigene Kompositionen bzw. 10 eingespeiste Stücke von „The Clou“ bis „Für Elise“ übers Smart-Phone abgespielt werden – mit beweglichen Tasten und Saiten.
Und wenn ihm das Ganze zum Spielen dann doch etwas zu klein wird, dann setzt sich Pianist Jankowiak in seinem Zimmer ans „echte“ Klavier und zeigt, dass er über die Jahre als Kriminalist so gar nichts von seinem musikalischen Gespür verloren hat.
Jacqueline Lorenz
© Gazette Verbrauchermagazin GmbH 2022