Gazette Verbrauchermagazin

Liebe Leserinnen und Leser,

Erschienen in Gazette Steglitz und Zehlendorf Dezember 2020
Anzeige
Woermann & Söhne GmbHKönigin-Luise-Stiftung
Frank Mückisch. Foto: Laurence Chaperon
Frank Mückisch. Foto: Laurence Chaperon

haben Sie eigentlich schon vom Freilandlabor (FLL) Zehlendorf gehört? Unmittelbar an Buschgraben und Berliner Mauerweg gelegen, wo unser Bezirk an die brandenburgische Nachbargemeinde Kleinmachnow grenzt, erstreckt sich auf rund 30.000 qm das 1984 gegründete und damit berlinweit älteste Freilandlabor seiner Art. Es ist außerschulischer Lernort und ideales „grünes Klassenzimmer“, wo ganzjährig Biologieunterricht unter freiem Himmel stattfindet. Unser Bezirk mit seinem Reichtum an lebendigen Naturräumen, Grün- und Wasserflächen ist dafür prädestiniert.

Lehrkräfte aus unserem Bezirk sind herzlich eingeladen, ihre Schulklassen für Führungen, Kurse oder zum Abhalten von Projekttagen im FLL anzumelden: Sachtlebenstraße 32, 14165 Berlin, Tel. 030-8183612; Bus 101, Haltestelle Nieritzweg. Ein typischer Unterrichtstag beginnt mit einem Stuhlkreis und dem gemeinsamen Frühstück, manchmal mit selbstgemachtem Apfelmus aus eigenem Garten. Danach schwärmen alle aus und widmen sich der ausgiebigen Naturbeobachtung. Sehr praxisnah können verschiedene Lebensräume von Kindern und Jugendlichen erfahren, erkundet, erforscht und erlebt werden: der Teich, die Streuobstwiese, der sumpfige Bruchwald und vieles mehr. Nach getaner Arbeit tauschen sich alle bei der Abschlussreflexion über die gesammelten Eindrücke aus.

Die AHA-Regeln zur Eindämmung der Pandemie hatten im ausgehenden Pandemiejahr 2020 oberste Priorität. Unterricht im Freien hat den unschätzbaren Vorteil, dass Infektionsrisiken gering sind und Abstandsregeln problemlos eingehalten werden können.

Aus der Sicht von Fachleuten ist ein Virus „dem Leben nahe stehend“. Ein richtiges Lebewesen ist es nicht, weil es keinen eigenen Stoffwechsel betreibt. Jede Menge richtige Lebewesen gibt es auf dem Gelände des Freilandlabors zu bestaunen – auf einer Gesamtfläche, die sieben Fußballfeldern entspricht: Der Artenreichtum in Flora und Fauna ist überwältigend. Zahlreiche Reptilien, Amphibien, Vögel und Insekten tummeln sich an diesem für sie so gastfreundlichen und ganz auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenen Ort. Frösche quaken, Insekten logieren (garantiert ohne Beherbergungsverbot) im Insektenhotel, Ringelnattern schlängeln sich durchs Unterholz, im dichten Schilf gibt der Teichrohrsänger seine regelmäßigen Konzerte. Fledermäuse finden hier ebenso Unterschlupf wie der Fuchs mit seiner Familie. In der warmen Jahreszeit summt es allerorten, wenn Honigbienen auf der Suche nach Nektar ausschwärmen. Für die Kinder vergehen die Stunden ihres Freiluftunterrichts wie im Flug. Dabei nehmen sie die Naturvielfalt intensiv wahr, entdecken Gedeihen und Erblühen, aber auch Verfall und Vergänglichkeit. Das Wunder der Schöpfung versetzt sie in Staunen. Sie fühlen sich ganz bei sich und werden eins mit der Umgebung. Wir Erwachsene haben oft die Fähigkeit verlernt, Begeisterung für etwas zu entwickeln. „Dünger fürs Gehirn“ nennt der Neurobiologe Gerald Hüther diesen Effekt.

Die pädagogische Leiterin nennt das FLL in kindgerechter Sprache liebevoll „Wohnzimmer der Tiere“, das es sauber zu halten gilt. Damit trifft sie einen Nerv, denn Kinder brauchen Bilder, um später das schützen zu können, was sie lieben gelernt haben. Dienstags und donnerstags können Lehrkräfte das FLL für ihre Klassen buchen. Freitags gehen viele Schülerinnen und Schüler auf die Straße, um sich für eine ökologisch nachhaltige Umwelt einzusetzen. Im FLL legen sie selbst Hand an und gestalten Natur mit den eigenen Händen mit.

Besonders hervorgetan haben sich im zu Ende gehenden Jahr die Schülerinnen und Schüler der Athene-Grundschule und der Schweizerhof Grundschule: Unter Anleitung der Firma Bauereignis, zu deren Haupttätigkeitsfeldern „partizipative Gestaltungs- und Bauprojekte zur räumlichen Schulentwicklung“ zählen, haben zwei Schulklassen der „Athene“ im Herbst 2019 einen 25 m langen Holzsteg neu erbaut, sowie eine Brücke erneuert. Der Steg ruht auf Baumstämmen und führt direkt zum Beobachtungsposten im schilfbedeckten Moor. Eine außerordentliche Leistung der kleinen Baumeisterinnen und Baumeister! Der ursprünglich für März 2020 vorgesehene Eröffnungstermin musste pandemiebedingt auf Ende September verschoben werden.

Gehämmert, geschraubt, gesägt und Pionierarbeit geleistet haben auch die Schülerinnen und Schüler der Schweizerhof Grundschule: Sie haben einen neuen Zaun für den kleinen Bauernhof gezimmert, der Ende März 2021 auf dem FLL-Gelände eingeweiht wird. Schon bald werden dort Schafe grasen und rechtzeitig zur Eröffnung Nachwuchs zur Welt bringen. Alles ist vorbereitet: die Ställe sind gebaut, in der Scheune stapelt sich selbst geerntetes Heu. Dank der fleißigen Kinder der Schweizerhof Grundschule ist die künftige Weidefläche seit September 2020 eingezäunt. Der alte, baufällige Zaun ist einem neuen, wunderschönen Staketenzaun gewichen. Die Schafe können also kommen – die Hühner sind jetzt schon da. Im Oktober 2020 bezogen mehrere bunt gefiederte Exemplare ihr neues Zuhause und hauchten dem künftigen Bauernhof fröhlich gackerndes Leben ein. Zwar erinnert das etwas heisere Krächzen von Hahn „Caruso“ nur entfernt an einen Heldentenor, aber trotzdem heißt er so.

Am Abschluss der Projekttage fasste ein/e Schüler/in der Schweizerhof Grundschule seine/ihre Eindrücke wie folgt zusammen: „Mir hat die Natur gutgetan und ich fand es mal toll, etwas anderes zu machen, als in der Schule nur auf den Stühlen zu sitzen“. Ich denke, schöner und prägnanter kann man das nicht auf den Punkt bringen. Ich möchte alle FLL-begeisterten Schülerinnen und Schüler und ihre Begeisterung entfachenden Lehrkräfte ermuntern, sich weiter für die Bewahrung einer intakten Natur einzusetzen. Nirgendwo kann Umwelterziehung nachhaltiger und eindrücklicher erfolgen als mittendrin in der Natur selbst. Seit es das FLL gibt, wissen auch Großstadtkinder, dass die Natur nie weit weg ist. Vor allem bei uns in Steglitz-Zehlendorf ist das so.

Es grüßt Sie herzlich

Ihr Frank Mückisch

Bezirksstadtrat für Bildung, Kultur,
Sport und Soziales

Titelbild

© Gazette Verbrauchermagazin GmbH 2023