Erschienen in Gazette Zehlendorf Dezember 2020
Bereits mehrere Bücher im praktischen Taschenformat von Autor Andreas Jüttemann, die Lust aufs Spazierengehen machen, sind im Berliner Traditionsverlag Pharus-Plan erschienen.
Nach den bisherigen Ausflugstipps für Nikolassee, Westend, Schmargendorf, Düppel, Hermsdorf, Frohnau, Steglitz und Lichterfelde-West gesellen sich nun interessante Empfehlungen für Schlachtensee und Krumme Lanke dazu. Auf sie macht Jüttemann unter dem Titel „Spaziergänge und Entdeckungen rund um Schlachtensee und Krumme Lanke“ aufmerksam. Dabei führt der Autor zu den beliebten Seen im südwestlichen Teil Berlins und beschreibt ebenso kurzweilig und interessant die Bebauung und Entstehung des Gebietes wie Geschichtliches, Aktuelles sowie Wissenswertes über die Bewohner.
Mit aufklappbarem Umschlag, auf dem auf aktuellem Kartenausschnitt die beschriebene Region und gekennzeichnete Tour nachverfolgt werden kann, ist das Büchlein aus der Feder des Stadthistorikers Jüttemann ein weiterer nützlicher Begleiter mancher Wandertour.
Wer einen kurzen Steckbrief vom Schlachtensee wünscht, findet übersichtliche Daten auf Seite 7 des Büchleins: So weiß wohl mancher bereits, dass der Rundweg um den See 5 ½ Kilometer misst, man ihn in etwa 30 Minuten mit dem Rad und in 40 Minuten als durchschnittlicher Jogger umrunden kann. Dass der See 8 Meter tief ist, wissen nur wenige, und das im Buch angesprochene Mythos eines Riesen-Wels‘ im See kennen nur einige.
Woher der in seiner längsten Ausdehnung 2,2 Kilometer lange „goldene“ See vermutlich seinen Namen hat, beschreibt der Autor ebenso eingängig wie er Fontanes Begeisterung über den Schlachtensee zitiert: „Wem das Herz nur aufgeht bei Klang und Farbe, wer nur Sinn hat für die Linie des Schönen und ihr nachgeht, der wird waldeinwärts wandern, bis ihn sein Weg an den nah gelegenen Schlachten-See führt, der sich schmal, aber in graziosen Wellenlinien am Ostrande des Grunewalds entlangzieht,…“
Jüttemann beginnt gemeinsam mit dem Leser seinen Rundweg am S-Bahnhof Schlachtensee, dessen Historie und Liegewiese er anschaulich schildert. Richtung Westen geht es weiter, wobei des ehemaligen Lokals „Auf dem Kynast“ gedacht wird und der Bogen anekdoten- und geschichtsreich zu weiteren ehemaligen und aktuellen Ausflugslokalen am Schlachtensee geschlagen wird. Natürlich dürfen dabei Bootsverleih und die „Neue Fischerhütte“ nicht fehlen.
Doch auch oberhalb von ihr gibt es viel Interessantes zu entdecken: Etwa in der 1938-1943 errichteten Marinesiedlung, die gehobenen Marineoffizieren vorbehalten war. Im Marinesteig wohnte der ehemalige Bundeskanzler Willy Brandt in den 50er-Jahren, an den Jüttemann ebenso erinnert wie u. a. an den Korvettenkapitän Adolf Konrad Achilles Albrecht und die Bauten des Architekten und Industriedesigners Peter Behrens.
Weiter geht’s am Schlachtensee-Ufer, vorbei an der oberhalb des Sees gelegenen Villa Am Schlachtensee 130, die von Gregor Gysis Eltern 1939 bezogen worden war. – Deren Geschichte wird erzählt, und auch über die Bewohner der benachbarten Prachtvillen erfährt der Leser einiges. Da erscheint auf der Bildfläche der Maler Walter Leistikow, nach dem das Westufer des Sees bis heute „Leistikow-Ecke“ genannt wird. Man spaziert auf den Spuren des Mittelalterhistorikers Robert Holtzmann, liest von Regierungsrat Hahn und stößt auf die Spanische Allee und die Hoiruper Straße, ihre geschichtlichen Hintergründe und einstigen Bewohner, überwiegend hohe Beamte wie Reichsbahndirektor Meilicke, Regierungspräsident Elsgen und der liberale Regierungspräsident Ferdinand Friedensburg.
Die kleinen und größeren Badestellen am Seeufer werden vorgestellt mit ihren früheren und aktuellen Bade- und Wassersport-Angeboten des Schlachtensees.
Hinter der Fischerhütte beginnt die sogenannte Wolfsschlucht, in der heute ein asphaltierter Weg zur Krummen Lanke führt. An ihrem Ende erinnert ein Imbisswagen an ein in den 60er-Jahren abgerissenes Ausflugslokal.
Am Südostufer des Sees – früher „Seeschlag“ genannt – geht es vorbei an prachtvollen Villen, hinauf zur oberhalb des Sees verlaufende Terrassenstraße, in der Schauspieler wie Götz George, Friedrich Wilhelm Bauschulte und Ernst Stahl-Nachbaur lebten. Ein Abstecher in den Elvirasteig lässt Erinnerungen an den CDU-Politiker Peter Lorenz, aber auch an Hellerau-Fertighäuser aufkommen.
Jüttemanns Büchlein führt Wanderfreudige zur Fischerhüttenstraße zurück, wo zwei Villen ihr besonderes Interesse wecken sollten: Die Hausnummer 106, ein Gropiusbau, den sich Verlagsdirektor Joseph Lewin hatte 1928 bauen lassen, und links davon in der Herrmannstraße das Haus Perls mit der Hausnummer 14 a, 1911 von Bauhausdirektor Ludwig Mies van der Rohe entworfen. Auch das benachbarte Haus Werner im Quermatenweg stammt von ihm.
Ins Auge fallen ebenso die beiden hölzernen „Urban Tree Houses“ am Quermatenweg 23, die Kolja Stegemann direkt am Wald, nahe des Südufers der Krummen Lanke vom Baumhaus-Architekten Andreas Wenning errichten ließ.
Über die Herrmannstraße geht es nun hinunter ans Krumme Lanke-Ufer.
Der Autor lässt auch zu dieser idyllischen Station Fontane und Fredy Sieg – Liedermacher des Krumme-Lanke-Liedes – zu Wort kommen.
Während der Spaziergänger dieses 6 ½ Meter tiefe und 1,1 Kilometer lange Gewässer in etwa 35 Minuten umrunden kann, der Jogger 20 Minuten benötigt und der Radfahrer etwa15 Minuten in die Pedale treten muss, steht sein Name „Lanke“ für Feuchtwiese und Sumpf. Und auch die Krumme Lanke hat ihr Mythos – allerdings soll statt des Riesen-Wels auf ihrem Grund ein Britischer Bomber liegen.
Und ihre „Fischerhütte“ war die „Zwillingsburg“, die allerdings abgerissen ist. Unterhalb von ihr lag am Südufer der Krummen Lanke eine große Badeanstalt, und auf der großen Wiese am Südost-Ufer stand ein weiteres Ausflugslokal, das ebenfalls geschlossen wurde.
Im Uhrzeigersinn führt Andreas Jüttemann um die Krumme Lanke, erinnert an das Wasserwerk Riemeisterfenn und erklärt die Wasserverbindung zwischen Schlachtensee und Krumme Lanke. Zum Baden empfiehlt er deren Ostufer, den „Großen Strand“.
Den Spazierenden leitet das Büchlein wieder hinauf zum Quermatenweg mit seiner berühmten Waldsiedlung Krumme Lanke und ihrer spannenden Geschichte.
Wieder an der Fischerhüttenstraße angekommen, lenkt Jüttemann den Spaziergänger zum kleinen Teich „Vierling“ und zum von Prachtvillen und „Haus am Waldsee“ umbauten beschaulichen Waldsee, bevor er den ebenso entdeckungsreichen wie entspannenden Rundweg und sein Büchlein am U-Bahnhof Krumme Lanke enden lässt.
Andreas Jüttemann wurde am 13. Oktober 1985 in Berlin-Westend geboren, wuchs aber in Berlin-Zehlendorf am Mexikoplatz auf und lebt heute mit seiner Frau in Berlin-Steglitz.
Im Elternhaus mit Psychologie und Technikhistorie früh in Berührung gekommen, sind es auch diese zwei Hauptgebiete, denen sein Interesse bis heute gilt.
„Geografie und Geschichte waren meine Lieblings-Schulfächer, mit Schwerpunkt Stadtplanung “, erklärt der Autor.
So studierte er an der FU Berlin und in Bremen Psychologie, an der Bauhaus-Universität Weimar Urbanistik.
„Dabei war immer die Arbeit mit Menschen für mich wichtig“, betont Jüttemann, der Medizin und Technik für durchaus kompatibel hält.
Der Diplom-Psychologe arbeitete nach mehreren Auslandsaufenthalten schließlich als Stadtführer mit eigener Agentur, bis er 2015 mit einer Arbeit über die preußischen Tuberkuloseheilstätten am Institut für Geschichte der Medizin der Berliner Charité promovierte. Er ist dort sowie an der TU Berlin im Bereich Technikgeschichte Wissenschaftlicher Mitarbeiter. Sein Habilitationsgesuch ist eingereicht.
Zahlreiche Veröffentlichungen und Bücher medizin- und stadthistorischer Themen stammen aus seiner Feder.
Dr. Andreas Jüttemann hat für seine Arbeit nennenswerte Auszeichnungen erhalten, darunter der Preis für medizinische Ausbildung für studentische Lehre und der Nachwuchs-Förderpreis der Deutschen Gesellschaft für Krankenhausgeschichte.
Der Schlachtensee und die Krumme Lanke begleiten ihn seit seiner frühesten Jugend, wie er verrät: „Der Schlachtensee ist für mich bis heute Erfrischung und Entspannung zugleich.“
Kein Wunder also, dass er dieses Büchlein auch diesen Seen gewidmet hat.
– Doch kein Grund, um auszuruhen: Der Autor hat bereits eine weitere Taschenbuch-Idee, die Teltow-Stahnsdorf zum Thema haben soll.
Jacqueline Lorenz
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