Erschienen in Lichterfelde West Journal Dezember/Januar 2020
Das erste Rathaus im Bereich Steglitz wurde in Groß-Lichterfelde erbaut. Für den zusammenwachsenden Ort Groß-Lichterfelde, der aus den Villenkolonien Lichterfelde West und Lichterfelde Ost sowie aus den Dörfern Lichterfelde und Giesensdorf bestand, musste ein richtiges Rathaus her.
Die Räume des Amtsvorstehers in seinem Haus in Giesensdorf (heute Ostpreußendamm 128, das Gebäude wurde jedoch längst abgerissen) reichten nicht mehr aus. Ausweichquartiere im Bahnhof Lichterfelde Ost und in einer Schulaula waren nur vorübergehende Notbehelfe für die Gemeindeverwaltung.
Der neu angelegte Ortsmittelpunkt für Groß-Lichterfelde wurde nahe dem 1881 eröffneten Schiller-Gymnasium geplant, heute OSZ Bürowirtschaft 2. Das Rathaus an dem Standort Goethestraße/ Ecke Schillerstraße und Berliner Straße – heute Ostpreußendamm – wurde zwischen 1892 und 1894 nach Plänen von Baurat Bohl für die Summe von 255.000 Reichsmark fertiggestellt. Wie auf historischen Postkarten zu sehen ist, war es von großzügigen Grünanlagen umgeben.
Ein für die Kaiserzeit typischer repräsentativer Backsteinbau mit dominantem Turm und mit Malereien geschmücktem Rathaussaal war nun der neue, angemessene Sitz der Verwaltung in Lichterfelde. 20 Jahre später kamen Erweiterungsbauten hinzu, diesmal zeichneten die Architekten Meurer und von Tietzen verantwortlich für die Ausführung. Die Verwaltung von Groß-Lichterfelde benötigte jetzt noch genau drei Jahre lang ein eigenes Rathaus, dann gehörte der Ort zu Steglitz und wurde somit in die Großstadt Berlin eingemeindet. Während des Zweiten Weltkriegs wurde das ursprüngliche Rathaus stark zerstört. Die Überreste sprengte man um 1950. Lediglich die Erweiterungsbauten konnten gerettet und wieder instand gesetzt werden. Noch bis in die 1990er-Jahre waren hier Teile der Steglitzer Verwaltung untergebracht. Heute nutzt die Victor-Gollancz-Volkshochschule Steglitz-Zehlendorf die Räume.
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