Erschienen in Gazette Steglitz und Zehlendorf Januar 2021
Im Juni 2020 hat eine Fraktion einen Antrag in die BVV Steglitz-Zehlendorf eingebracht, in dem dem Bezirksamt empfohlen wird, sich für die Sperrung der Havelchaussee für den privaten PKW-Verkehr an den Wochenenden und Feiertagen einzusetzen. Einen ähnlichen, weitergehenden Antrag hat die BVV Charlottenburg-Wilmersdorf bereits mit Mehrheit beschlossen. Gegen diesen Vorschlag gibt es allerdings auch erheblichen Widerspruch in der Öffentlichkeit und in der BVV. Im Folgenden nehmen die Fraktionen in der BVV Steglitz-Zehlendorf zu diesem Vorschlag Stellung.
Die Havelchaussee soll nach dem Willen der Linksparteien (SPD/Grüne/Linke) für den Fahrzeugverkehr gesperrt werden, sei es vollständig, sei es durch ein Durchfahrtshindernis in der Mitte, um eine Fahrradstraße zu schaffen. Verkehrlich ist eine Fahrradstraße nicht nötig, für den Normalradfahrer ist die Havelchaussee denkbar ungeeignet, die Anstiege zum Grunewaldturm sind zu steil, dieser benutzt geschützt vor Kfz-Verkehr den Kronprinzessinnenweg, der, auf ganzer Länge asphaltiert, kürzer ist, und außerdem keine Steigungen aufweist. Für den Ausflugsverkehr stehen Radfahrern sämtliche Grunewaldwege, viele gut ausgebaut, zur Verfügung. Ältere oder behinderte Bürger werden so vom Ausflugsverkehr ausgeschlossen, die Ausflugsgaststätten unerreichbar oder nur über große Umwege anfahrbar. Ein Schlachtenseer, Nikolasseer oder Wannseer, der nach Spandau fährt, macht einen 11,4 km langen Umweg über die AVUS, sicherlich kaum ökologisch sinnvoll. Die linken Innenstadtparteien führen ihren Kulturkampf gegen individuelle Mobilität, wozu bedarf es sachlicher Gründe, wenn man nur seiner Ideologie folgt?
Wir wehren uns gegen eine Sperrung!
Torsten Hippe
Seit einer Petition vor einigen Monaten wird wieder über eine Sperrung der Havelchaussee für den privaten Autoverkehr diskutiert. Im Zentrum der Forderung der „Autofreiheit“ steht der Schutz der Natur und die Erhaltung der Aufenthaltsqualität – ohne Einschränkungen durch zuparkende PKW. Insbesondere an den Wochenenden im Frühjahr und Sommer drängen sich Auto- und Radfahrer auf der Havelchaussee und verursachen Konflikte. Deshalb fordert der sich in der Ausschussberatung befindende SPD-Antrag die Sperrung an Wochenenden und Feiertagen für den privaten Fahrzeugverkehr – mit Ausnahmen. Und auch der Busverkehr muss erhalten bleiben und in der Taktung noch erweitert werden. Wichtig ist, dass das Gebiet auch für Personen weiterhin erreichbar bleibt, die nicht längere Strecken zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurücklegen können.
Der eigentliche Spielball liegt aber im Feld der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz. Was macht nun also die grüne Senatsverwaltung? Wir hoffen auf eine positive Prüfung, in die auch die beteiligten Bezirke einschließlich der bezirklichen Fahr-Räte und anderer Initiativen eingebunden werden.
Olemia Flores Ramirez
In der schönen Havelchaussee finden sich Durchgangsverkehr, (Rad-) Sporttreibende, Naturerholungssuchende – das alles mit verschiedenen Verkehrsmitteln (Bus, Auto, Motorrad, Fahrrad). Das führt bisher häufig zu gefährlichen Situationen, da die Strecke schmal, kurvig und teils unübersichtlich ist. Hier brauchen wir Maßnahmen der Verkehrssicherheit und -beruhigung zur Sicherung des Erholungsraumes. Diese müssen naturgerecht und unter Beachtung des Wasserschutzgebietes umgesetzt werden. Dabei sollten alle weiterhin die Ausflugsziele an der Havelchaussee erreichen können. Daher möchten wir unter anderem eine so genannte „Busschleuse“ in Höhe des Grunewaldturms prüfen lassen. Diese lässt Busse passieren, Pkw erreichen aus beiden Richtungen die Parkplätze und damit Restaurants, Grunewald und Grunewaldturm. Der konfliktträchtige und die Erholung störende Durchgangsverkehr mit Pkw wird hingegen herausgehalten. Problematisch sind auch das illegale Parken und die Einfädelung des Rad- und Fußweges entlang der Autobahn. In beiden Fällen gab es schon schwere Unfälle und Tote. Auch hier sind Maßnahmen zu prüfen und umzusetzen.
Bernd Steinhoff
Die erste rot-grüne Koalition in Berlin hatte 1989 die Strecke schon einmal für den Autoverkehr gesperrt, doch mit dem Ende der Koalition endete auch dieser Versuch. Er hatte sich nicht bewährt und die Gastronomen entlang der Strecke beklagten massive Umsatzrückgänge. Der knapp acht Kilometer lange Abschnitt soll nun erneut allein Radfahrern und Fußgängern vorbehalten sein. Das heißumstrittene Thema beschäftigt die BVVen aller drei involvierten Bezirke. Wir fordern, vor einer Entscheidung über eine eventuelle Umwidmung der Havelchaussee eine fundierte Analyse des Verkehrsgeschehens nach Art und Intensität, Zielen und Nutzerkonflikten vorzunehmen und deren Ergebnisse sorgfältig zu prüfen und abzuwägen. Dabei müssen die berechtigten Interessen aller Arten von Verkehrsteilnehmern ebenso berücksichtigt werden wie die wirtschaftlichen Belange der im Einzugsgebiet ansässigen Wirtschaftsbetriebe. Letzteres gilt im Besonderen für die derzeit ohnehin wirtschaftlich stark betroffene Gastronomiebranche. Vorschnelle Entscheidungen, um die Interessen einzelner Lobbygruppen umzusetzen, gehen regelmäßig zu Lasten einer sachgerechten Lösung.
Peer Lars Döhnert
Nein, eindeutig Nein! Eine Sperrung der Havelchaussee für Autos und die von einigen angestrebte Umwandlung in eine Fahrradstraße, wird von den Freien Demokraten (FDP) unmissverständlich abgelehnt. Die Havelchaussee mit Grunewaldturm, Ausflugsgastronomie, den Badestellen sowie einem direkten Zugang zum Grunewald, ist für viele Berliner traditionell ein wichtiges Naherholungsgebiet. Die Havelchaussee muss daher auch weiterhin für alle frei erreichbar sein. Das Fahrrad, aber auch der dort verkehrende Traditions-Bus, sind nicht ausreichend, um Familien, älteren Erholungssuchenden, in ihrer Mobilität eingeschränkten Menschen und Wassersportlern gleichermaßen den Zugang zur grünen Lunge im Westen der Stadt zu ermöglichen. Bereits heute ist das Befahren der Havelchaussee stark eingeschränkt und die Geschwindigkeit auf 30 Km/h reduziert. Weitere Beschränkungen und vor allem eine Bevorteilung nur des Radverkehres wäre nicht nachvollziehbar. Jedoch spricht vieles dafür, die bauliche Ausgestaltung der Havelchaussee, nicht nur im Sinne des Radverkehrs, zu überdenken, um den Charakter als attraktiven Ausflugsort neu zu unterstreichen.
Andreas Thimm
„Die Havelchaussee soll Fahrradstraße werden! Während in Steglitz-Zehlendorf durch Schwarz-Grün wieder einmal gezögert und gezaudert wird, ist unser Nachbarbezirk ein großes Stück weiter. In der BVV Charlottenburg-Wilmersdorf wurde im letzten November ein gemeinsamer Antrag von SPD, Grünen und Linken beschlossen. Das Bezirksamt C-W ist nun aufgefordert, sich bei der Senatsverwaltung dafür einzusetzen, „dass eine Entlassung der Havelchaussee aus dem Hauptverkehrsstraßennetz ermöglicht wird, um [sie] zwischen Postfenn und Kronprinzessinnenweg in eine Fahrradstraße umzuwandeln.“ Danach soll in Absprache mit Steglitz-Zehlendorf „eine vollständige Sperrung für den motorisierten Durchgangsverkehr“ eingerichtet werden. „Die Ausflugsgaststätten sollten weiterhin für Pkw-Anlieger*innen erreichbar sein.“ Zudem sollen Bustakte kürzer und in die Abendstunden ausgedehnt werden. Die Linksfraktion Steglitz-Zehlendorf wird diesen vernünftigen und ausgeglichenen Antragstext auch in unserer BVV zur Abstimmung stellen. In anderen Bezirken hat man bereits verstanden, dass die Verkehrswende konkretes Handeln statt Absichtserklärungen erfordert.
Mathias Gruner
© Gazette Verbrauchermagazin GmbH 2023