Erschienen in Lankwitz Journal Februar/März 2021
Musik macht frei und verbindet – eine Erfahrung, die auch viele der rund 90 aktiven Chormitglieder der Berliner Singakademie gemacht haben dürften.
1963 nach dem Mauerbau als Ost-Berliner Pendant zur West-Berliner Sing-Akademie zu Berlin gegründet, hat sich die Berliner Singakademie auch nach dem Zusammenwachsen der Stadt Berlin als herausragender Laienchor bewiesen und ist bis heute für das Berliner Musikleben unverzichtbar. Als großer gemischter Chor begeistert er sein Publikum ebenso wie als daraus gebildeter Kammerchor und in Madrigalbesetzung. Die Sänger verfügen über ein breites Repertoire, das Kirchenmusik, Volkslieder und zeitgenössische Werke beinhaltet, aber auch den A-cappella-Gesang pflegt.
Seit 1989 singt der Chor unter der Leitung von Achim Zimmermann, der über seine eigene Begeisterungsfähigkeit die Sänger spürbar zu motivieren und das Publikum zu begeistern vermag.
Die Geschichte der Berliner Singakademie ist mit der Berlins fest verbunden: Dabei den Ton kraftvoll gehalten haben die Chormitglieder sowohl in Zeiten der Teilung als auch in denen des Zusammenwachsens der Hauptstadt.
So geht der Chor eigentlich auf die im Jahr 1791 von Carl Friedrich Christian Fasch und Carl Friedrich Zelter gegründete Sing-Akademie zu Berlin zurück. Doch mit der Teilung Berlins blieb sie im Westteil der Stadt aktiv, während im Ostteil Berlins 1963 auf Initiative des Kulturpolitikers und Cembalisten Hans Pischner die Berliner Singakademie neu gegründet wurde. Mit dem Ziel, das musikalische Oratorien-Erbe aus dem 18. und 19. Jahrhundert nicht nur Kirchen- und Profi-Chören in der DDR zugänglich zu machen. Doch ohne institutionelle Anbindung des Chores wäre dieses Ziel in der DDR unerreichbar gewesen. Durch Pischner, der seit 1963 Intendant der Deutschen Staatsoper war, konnte glücklicherweise diese Anbindung an die Staatsoper geschaffen werden.
Wertvolle Partnerschaften entstanden über die Jahre aus prominenten Reihen der Staatsoper, der namhafteste DDR-Chordirigent und „Händel-Renaissancier“ Helmut Koch konnte schließlich als Direktor und künstlerischer Leiter für die noch junge Berliner Singakademie gewonnen werden.
Nach seinem Tod im Jahr 1975 übernahm Dietrich Knothe, Spezialist für Alte Musik, dieses Amt.
1988 war Achim Zimmermann, heutiger Chorleiter, das erste Mal auf Einladung Knothes mit der Berliner Singakademie in Kontakt gekommen: Er dirigierte Händels Brockes-Passion so überzeugend, dass Knothe ihm nahelegte, sich um seine Nachfolge zu bewerben. Von den drei in die engere Auswahl gekommenen Kandidaten wurde 1989 schließlich Zimmermann als studierter Chorleiter, Orchesterdirigent und Kapellmeister mit großer Mehrheit zum neuen Direktor der Berliner Singakademie gewählt.
Zimmermann nahm damit die Herausforderung an, den herausragenden Laienchor in ein wiedervereintes, Konkurrenzkampf-reiches Deutschland zu führen – und hat sie gemeinsam mit den Sängerinnen und Sängern bis heute erfolgreich erfüllt.
Bereits 1991 gründete Achim Zimmermann aus Mitgliedern des Hauptchores einen 40-köpfigen A-cappella-Chor, aus dem wiederum eine kleinere Madrigalbesetzung zusammengestellt werden kann.
Seit 1791 gehört es zur Tradition der Singakademie, neue zeitgenössische Werke aufzuführen. Eine Aufgabe, die bereits Knothe weiterführte, und hinter der Achim Zimmermann nun mit vollem Engagement steht, indem er mit dem Chor neuere Werke des 20. und 21. Jahrhunderts erarbeitet und aufführt. Kompositionsaufträge, eigene Veranstaltungen, Konzertreisen und Kontakte zu internationalen Musikinstitutionen und Spezialensembles gehören dazu, sowie die moderneren Werke großer Komponisten, zu denen Eisler, Honegger und Britten zählen.
Bei Musikkennern Geheimtipp sind die Auftragswerke der Berliner Singakademie:
Da begeistert beispielsweise „Medea in Korinth “ von Georg Katzer nach einem Libretto von Christa Wolf und Gerhard Wolf das Publikum ebenso wie „Das Glück“ von Helmut Zapf nach dem gleichnamigen Gedicht von Friedrich Schiller.
Dahinter bleibt die Alte Musik jedoch keineswegs zurück. Die Berliner Singakademie, die u. a. Mitglied der Neuen Bachgesellschaft e. V. und der Mendelssohn-Gesellschaft e. V. ist, lässt in ihren Konzertprogrammen der Alten Musik viel Raum, wie sie beispielsweise Bach, Brahms, Händel und Mendelssohn-Bartholdy unvergesslich haben werden lassen.
Seit 1984 sind Hauptveranstaltungsorte des Chores, der mindestens ein A-cappella-Konzert jährlich gibt, das Konzerthaus Berlin sowie die Berliner Philharmonie mit Kammermusiksaal, die Nikolaikirche und die Gethsemanekirche.
Der Altersdurchschnitt des Chores liegt bei 45 Jahren, Sängerinnen und Sänger vom Studentenalter bis zum 75. Lebensjahr sind darin vertreten, kommen aus ganz Berlin.
Zahlreiche Kooperationen mit anderen Chören und Orchestern pflegt die Berliner Singakademie, darunter das Konzerthausorchester Berlin, das Kammerorchester Carl Philipp Emanuel Bach und das Kammerorchester der Komischen Oper.
Achim Zimmermann erklärt: „Wir sind außerdem dabei, eine Gesprächsebene für zukünftige eventuelle Kooperationen mit der Singakademie zu Berlin aufzubauen.“
Auch wenn derzeit regelmäßige Veranstaltungen eine Besonderheit geworden sind: Die vom Land Berlin institutionell geförderte Berliner Singakademie tut ihr Bestes, zwischen den Einschränkungen ihrem Publikum über Freiluft-Konzerte weiter musikalischen Hochgenuss bieten zu können, egal ob am Pfingstberg, in Seniorenresidenzen oder im Botanischen Garten. Und auch über den Schulhof der Friedrich-Bergius-Schule in Berlin-Friedenau klingt es von Zeit zu Zeit stimmungsvoll bei abendlichem Konzert. – Ein von Schulleitung und Publikum immer wieder gern angenommenes Dankeschön des Chores, der die Schule von Schulleiter Michael Rudolph als Probenort angeboten bekommen hatte und seitdem zweimal wöchentlich – Dienstag und Donnerstag – die Schulmensa zur Chorprobe nutzt. Seit 2016 besteht dieser Kooperationsvertrag: Als Gegenleistung für die kostenfreie Raumnutzung hat der Chor die Wartung und Reparatur des schuleigenen Flügels übernommen und bietet Mitgliedern aus der Schulgemeinschaft Ermäßigungen für Konzerte sowie die Teilnahme an Stimmbildungskursen.
Unverzichtbar für die erfolgreiche Arbeit der gemeinnützigen Berliner Singakademie ist auch Nikolaus Sander, Bass, Pressesprecher und Manager der Berliner Singakademie. Er, der wertvolle Erfahrung aus seiner Arbeit als Abgeordneter, Geschichts- und Deutschlehrer und aus dem Kulturbereich mitbringt, betont: „In unserem Chor ist Singen aus eigener Kraft angesagt.“ So gibt es – im Vergleich zu Profichören – in dem Amateurchor keine Aushilfen.
Neue und jüngere Mitglieder mit erwünschten Notenkenntnissen sind in der Berliner Singakademie, die sich auch um die Nachwuchsförderung kümmert, willkommen. Eine dezente „Vorauswahl“ trifft der Manager selbst, bevor es bei Achim Zimmermann in dem eigentlichen Aufnahmetest dann für potentielle neue Chormitglieder musikalisch wird.
Sanders Organisationstalent und Flexibilität ist besonders in Corona-Zeiten gefragt. Auch wenn Planungsunsicherheit aktuell zum Alltag gehört, freut sich die gesamte Berliner Singakademie dennoch heute schon auf ihr ganz besonderes musikalisches Chorereignis, das auf den Tag genau am 25. Februar 2021, dem 200. Geburtstag des Konzerthaus am Gendarmenmarkt, dort stattfinden soll: Die Aufführung von Händels „Alexanderfest“ in deutscher Sprache – wie vor 200 Jahren am Eröffnungstag des Konzertsaales.
Dort dürfte sich wieder einmal zeigen, dass dank Achim Zimmermanns ebenso konzentrierter wie lebendig motivierender Art und der professionellen Laienchor-Mitglieder die Berliner Singakademie heute das ist, wofür Zimmermanns Vorgänger einen soliden Grundstock gelegt haben: Einer von Deutschlands bedeutendsten Oratorienchören für chorsinfonische Werke und A-cappella-Konzerte.
Terminvorschau und weitere Informationen unter www.berliner-singakademie.de .
Jacqueline Lorenz
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