Erschienen in Gazette Steglitz Januar 2018
Seit einem Jahr sind das Ethnologischen und des Asiatische Museum in Dahlem geschlossen, und ein wichtiger Tourismusmagnet fehlt damit dem Bezirk. Lediglich das Museum Europäischer Kulturen verbleibt mittelfristig am Dahlemer Museumsstandort. Die Exponate der verlagerten Museen warten auf ihren Umzug ins Humboldt-Forum, dessen Eröffnung für 2019 angesagt ist.
Auf sich warten lässt der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) Prof. Dr. Hermann Parzinger mit einem aussagekräftigen Konzept zur Nachnutzung der Dahlemer Museen, das seit Langem vom Bezirksamt und dem Regionalmanagement Berlin SÜDWEST gefordert wird.
Doch Steglitz-Zehlendorf ist selbst aktiv geworden und überlegt, wie der Bezirk zukünftig kulturell Anschluss halten kann, verfügt er doch über eine kleine, aber feine Anzahl kultureller Highlights jenseits des Berliner Zentrums, zu der in reizvoller Grünlage gelegene Museen wie beispielsweise das Brücke Museum, das benachbarte Kunsthaus Dahlem oder das Haus am Waldsee, aber auch das einzigartige Museumsdorf Düppel oder die Domäne Dahlem zählen. Das Bezirksamt unter Bezirksbürgermeisterin Cerstin Richter Kotowski lud daher kurz vor Weihnachten gemeinsam mit der stellvertretenden Generaldirektorin der Staatlichen Museen Berlin Prof. Dr. Christina Haak und in Kooperation mit dem Regionalmanagement Berlin SÜDWEST zur Eröffnungs-Veranstaltung der Diskussionsreihe „IDEENWerkstatt MUSEEN“ ein, die unter dem etwas provozierenden Motto „Wie zeitgemäß sind Museen?“ stand und Anstoß geben sollte, wie den vorhandenen Dahlemer Museumsjuwelen zukünftig noch mehr Glanz verliehen werden kann.
Ziel der Veranstaltungsreihe soll sein, unter Beteiligung der Öffentlichkeit darüber nachzudenken, wie Museen und Ausstellungen im Wandel der Zeit zukünftig zu gestalten sind, um neben Interessierten aus der Region ebenso die Touristen erreichen zu können. Dabei werden Ansprechpartner aus dem Kulturbereich zu Wort kommen sowie Bezirksbewohner, Politiker und Vertreter unterschiedlichster Institutionen und Organisationen.
Wie wichtig das Thema „Museum“ für kulturliebende Menschen ist, zeigte der am Diskussionsabend vollbesetzte Vortragssaal am alten Museumsstandort in der Dahlemer Lansstraße 8. Nicht nur aus dem eigenen Bezirk waren sie gekommen, sondern ebenso aus entfernteren Bezirken und aus dem Umland.
Auf dem Podium stellten sich der Moderation des Kultur-Ressortleiters vom Tagesspiegel Rüdiger Schaper die Bezirksbürgermeisterin Cerstin Richter-Kotowski, Prof. Dr. Oliver Rump vom Fachbereich Museumsmanagement der Hochschule für Technik und Wirtschaft, Paul Spies, Stadtmuseums-Direktor und Chefkurator des Landes Berlin im Humboldt Forum sowie Prof. Dr. Moritz Wullen, Gründungsbeauftragter der SPK im Humboldt Forum.
Mit der Frage, was denn eigentlich für sie ein zeitgemäßes Museum ausmache, richtete sich die Diskussion zu Beginn themengemäß an die hochkarätigen Podiumsgäste. Zum „weltweiten Erfolgsmodell Museum“ fielen Begriffe wie Partizipation, Barrierefreiheit und Relevanz für die Gesellschaft.
„Was ist Ihr Lieblingsmuseum?“ lautete die nächste Frage. Die Antworten waren so unterschiedlich wie die Gäste selbst. Für Cerstin Richter-Kotowski liegt das Gute so nah: Sie favorisiert für sich das Museum für Naturkunde, „weil es ein gutes Beispiel dafür ist, wie Althergebrachtes sich neu erfinden kann “. Und auch das historische Museum besucht sie öfter, „weil es dort immer wieder neue Facetten eines komplexen Themas zu entdecken gibt“. Prof. Rump hingegen mag es weiter weg: Sein Museumsfavorit ist der Louvre in Abu Dhabi mit für ihn zeitgemäßem Konzept: Bei unbegrenztem Budget werden dort Kunstwerke der zweiten Wahl aus dem Pariser Louvre präsentiert.
Einen Siebenmeilen-Museumsschritt von Abu Dhabi nach Dahlem wagte der Chefkurator des Humboldt Forums. Paul Spies brachte das Auditorium zum Raunen, als er das Museumsdorf Düppel begeistert lobte: „So etwas kann man in Berlin-Mitte nicht machen“, betonte er. Einen unvergesslichen Tag könne der Besucher in dem Museumsdorf erleben, ganz ohne Meisterwerke, dafür aber mit umso mehr erlebbarer Geschichte. Ein zeitgemäßes Museum müsse eben intelligent sein und partizipativ. – Das fände man übrigens auch im Museum of Liverpool, wo Kinderbetreuung, Popmusik, Empire-Kritik und Kiezgeschichte ein durchdachtes Ganzes schaffen, das die unterschiedlichsten Geschmäcker und Bedürfnisse der Besucher anspricht. Und Prof. Rump ergänzte: „Im Berliner Südwesten gibt es wunderbare Gebäude und gute Sammlungen. Sie zu bewahren und zu präsentieren, bildet für mich eine sehr gute Ausgangslage für das `Schaufenster Humboldt Forum Dahlem´.“ Einen drauf setzte dann noch Prof. Moritz Wullen, Gründungsintendanz im Humboldt Forum, der mit der National Gallery of Singapur einen Aktionsort mit „Partizipation pur“ favorisiert: Über 2.000 Quadratmeter erwarten dort Kinder und Jugendliche zum spielerischen Lernen. Workshops für alle jüngeren Altersklassen werden angeboten und die Eltern darüber geschickt mit ins Museumsgeschehen eingebunden. Denn: „Kinder sind wichtig, um Eltern ins Museum zu bekommen.“ Und: Immerhin 26 Prozent der Weltbevölkerung sind unter 18 Jahren. Zum alten und neuen Museumsstandort erklärte er: „Beide Orte bilden ein Universal-Museum. Zwischen den Standorten Humboldt Forum und Dahlem entsteht eine neue Migrationskultur.“
Lief bis dahin alles nach Themenvorgabe, geriet die Diskussion unversehens in ganz andere Bahnen: Während der eine Teil des Publikums erfahren wollte, wie denn nun das moderne und attraktive Museum von morgen aussehen sollte, saß der andere, überwiegend aus dem Bezirk stammende Teil im Saal mit Bauchgrummeln über den Wegzug seiner Dahlemer Museen und die noch immer ungewisse Nachnutzung des Standortes. Entscheidungsträger darüber sind SPK und Landespolitik. Sie favorisieren in den Dahlemer Räumen für die Zukunft Restaurationswerkstätten und Archive des Humboldt Forums. Außerdem könnten sie sich dort gut einen Forschungscampus vorstellen, wie Prof. Wullen bestätigte.
Und so driftete die Diskussion unaufhaltsam vom eigentlichen Thema ab und landete bei der Museen-Nachnutzung. Emotionen schäumten auf, Ideen wurden auf den Diskussionstisch geworfen, die von einer Zwischennutzung durch Künstler, „um das Licht im Leuchtturm Dahlem nicht erlöschen zu lassen“, bis zum Denkforum mit Wissenschaftler reichten. Es wurde vorgeschlagen, ein europäisches Zentrum für Kunst und Kultur in den Museumsräumen zu errichten und es zum Zukunftsmuseum zu entwickeln. Zukunftsforscher Rolf Kreibich sprach emotional geladen schließlich aus, was viele im Bezirk denken: „Die Verlagerung der Museen ist für den Berliner Südwesten eine Katastrophe.“
Weitere Vorwürfe wurden laut und erstickten den Abend im Keim, der – wie von Bezirksamt und Regionalmanagement vorgesehen – durchaus fruchtbarer hätte werden können.
Ausgleichend und realitätsnah trat schließlich Paul Spies dazwischen, der dem Bezirk zu „einer Perlenkette ganz besonderer kleiner Kulturinstitutionen“ gratulierte. Doch sie als Alternative zu den verlagerten Museen weit über den Bezirk hinaus zum Leuchten zu bringen, bedürfe es neben Visionen auch des Geldes. So müsse der Bezirk finanziell beweisen, wie lieb und teuer ihm seine attraktive kulturelle Zukunft ist. Spies bot aber an, sich an höherer Stelle für mehr Mittel einzusetzen. „Da bin ich gern an Ihrer Seite“, betonte die Bezirksbürgermeisterin und erklärte noch einmal: „Wenn der Standort Dahlem vorrangig als Depot und Werkstätten genutzt werden soll, ist das zu wenig. Dafür ist der Museumsstandort Dahlem zu schade.“
Für 2018 sind vier weitere Veranstaltungen geplant, eine pro Quartal:
1. Wie wichtig ist Europa für Berliner Museen?
2.Was fasziniert junge Menschen an Museen und Ausstellungen?
3. Wie digital sollen Museen sein?
4. Abschlussveranstaltung: Museums Slam – Marken, Macher und Museen
Weiter Informationen unter www.rm-berlin-sw.de .
Jacqueline Lorenz
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