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Der 11. Januar – ein Datum mit Geschichte

Beitrag von René Rögner-Francke – Vorsteher der Bezirksverordnetenversammlung Steglitz-Zehlendorf von Berlin

Erschienen in Gazette Steglitz und Zehlendorf Februar 2021
René Rögner-Francke
René Rögner-Francke

Wegen der seit gut einem Jahr währenden Pandemie und der damit einhergehenden Einschränkungen des öffentlichen Lebens sind am 11. Januar 2021 zwei Jahrestage von geschichtlicher Bedeutung für Berlin – fast unbemerkt von der Öffentlichkeit – begangen worden.

Der 11. Januar 1951 und der 11. Januar 1991

Vor 70 Jahren konstituierte sich das Abgeordnetenhaus von Berlin zum ersten Mal im Rathaus Schöneberg und vor 30 Jahren das erste Gesamt-Berliner Landesparlament in der Nikolaikirche in Berlin-Mitte.

Als nach dem Ende des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkrieges 1945 die Waffen schwiegen, wurden in mühevollen ersten Schritten die lebensnotwendigem Grundlagen für die Menschen in der Stadt geschaffen. Gleichzeitig wurde unter Aufsicht der damaligen alliierten Siegermächte die Verwaltung wieder aufgebaut und im Herbst 1946 eine freie und demokratische Volksvertretung, die Stadtverordnetenversammlung, gewählt.

Doch schon bald wurden Stadtverordnetenversammlung (StVV) und die Verwaltung der Stadt geteilt. Unter Gewaltanwendung durch kommunistische Demonstranten musste – während der Blockade Berlins 1948 – die StVV nach West-Berlin ausweichen und blieb schließlich bis 1993 im Rathaus Schöneberg.

Im August 1950 beschloss die StVV – in Anlehnung an das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland – eine neue Verfassung für Berlin. Am 3. Dezember 1950 wählten – wegen der Teilung der Stadt allerdings nur die Berlinerinnen und Berliner im West-Teil der Stadt – zum ersten Mal das Abgeordnetenhaus von Berlin und am 11. Januar 1951 trat die frei gewählte Volksvertretung Berlin zu ersten Mal im Rathaus Schöneberg zusammen.

Der seit 1946 amtierende Vorsteher der StVV, Otto Suhr, der am 11. Januar 1951 zum 1. Präsidenten des Abgeordnetenhauses gewählt worden war, skizzierte in seinem Geleitwort zum Handbuch des 1. Abgeordnetenhauses die neue verfassungsrechtliche Bedeutung des Hauses: „Das Abgeordnetenhaus von 1951 ist das erste Berliner „Parlament“. Nach einer fast 150jährigen Tradition kommunaler Selbstverwaltung verlieh die Verfassung vom 1. September 1950 Berlin auch den Status eines Landes.“

Und Suhr fasste im Weiteren zusammen, dass die Verfassung im Grunde nur die Konsequenz u. a. aus der Provinzfreiheit Berlins seit dem Ende des 19. Jahrhunderts war und trug zugleich der staatsrechtlichen Lage Rechnung, die sich für die Stadt aus der „Zerschlagung“ Preußens nach dem Zweiten Weltkrieg durch die Alliierten Siegermächte 1947 ergab. Der politische Wille war es, ein Land der neugegründeten Bundesrepublik Deutschland zu sein. Da aber die Verfassung wegen der Teilung Berlins nur im West-Teil der Stadt Anwendung finden konnte, konnten auch die Wahlen nur in den westlichen Besatzungssektoren durchgeführt werden. Außerdem wurden statt der eigentlich vorgesehen 200 Mitglieder nur 127 Abgeordnete (davon 6 aus dem Ostsektor) gewählt. Hinzu kamen 8 weitere Mitglieder aus dem Ostteil, die das eingeräumte Recht wahrnahmen, als 1946 gewählte Stadtverordnete (ohne Stimmrecht) dem Abgeordnetenhaus anzugehören. Die weiteren Plätze, die für den Ostsektor bestimmt waren, blieben frei. Formal galt diese Regelung bis 1990. Die Mitgliederanzahl 200, die die Verfassung vorsah, wurde daher bis zur Wiedervereinigung nie erreicht.

Hinzu kam, dass bis 1990 wegen der Alliierten Vorbehalte die Gesetze des Bundes erst durch einen formalen Beschluss des Abgeordnetenhauses für Berlin (-West) übernommen werden konnten und dabei bestimmte Bundesgesetze in Berlin nicht galten.

Wer übrigens dieses 1. Handbuch des Abgeordnetenhauses aufmerksam studiert, findet u. a. auch die Biografien von bereits damals oder aber in späteren Jahren für die Stadt prägenden und berühmt gewordenen Berliner Politikern: Ernst Reuter, Otto Suhr, Walther Schreiber, Franz Amrehn, Willy Brandt, Franz Neumann, Ernst Lemmer, Willy Henneberg, Hans-Günter Hoppe, Hubert Schwennnicke, Edith Krappe, Gustav Klingelhöfer, Rudolf Wissel, Joachim Tiburtius aber auch Ella Barowsky und Willy Kressmann, die beide zeitgleich das Amt einer Bezirksbürgermeisterin/eines Bezirksbürgermeisters ausübten. 1951 war es nämlich noch möglich, zugleich Mitglied eines Bezirksamtes und des Abgeordnetenhauses zu sein.

Bis 1990 existierte im Ost-Teil der Stadt eine Stadtverordnetenversammlung und ein Magistrat, die allerdings bis zum Frühjahr dieses Jahres nicht demokratisch legitimiert waren.

Mit der Wiederherstellung der Einheit Deutschlands am 3. Oktober 1990 hatten die beiden demokratisch gewählten Parlamente und die beiden existierenden Exekutiven (Senat und Magistrat) in der bisher geteilten Stadt die Aufgabe, die Arbeit der Verwaltungen und der Volksvertretungen zusammenzuführen.

Am 2. Dezember 1990 wurde – zeitgleich mit den Wahlen zum gesamtdeutschen Bundestag – erstmalig ein Gesamt-Berliner Landesparlament von den Berlinerinnen und Berlinern gewählt. Am 11. Januar 1991 konstituierte sich die Volksvertretung an einem schneereichen und kalten Tag in der Nikolaikirche in Mitte mit 241 Abgeordneten. Zur ersten Präsidentin dieses ersten frei gewählten Gesamt-Berliner Parlaments wurde die frühere Bürgermeisterin von Berlin und Schulsenatorin, Dr. Hanna-Renate Laurien, gewählt.

Eine Erinnerungstafel an der Kirche, die vom Abgeordnetenhaus 2001 zum 10. Jahrestag der Konstituierung gestiftet wurde, erinnert seitdem an die Geschichte der Nikolaikirche (dort wurde bereits 1809 die erste Stadtverordnetenversammlung von Berlin feierlich eingesegnet und vereidigt) und an die Konstituierung des ersten Gesamt-Berliner Parlaments.

Zwei Jahre tagte das Abgeordnetenhaus von Berlin noch im Rathaus Schöneberg, bevor es im April 1993 in die Mitte Berlins zurückkehrte und seither seinen Sitz im Gebäude des ehemaligen Preußischen Landtages hat.

Lang und beschwerlich waren die Stationen der Berliner Volksvertretung seit 1945. Vom Neuen Stadthaus in der Parochialstraße in Berlin-Mitte, über das Rathaus Schöneberg am heutigen John F. Kennedy-Platz bis zum ehem. Preußischen Landtag in der Mitte der Stadt. Der 70. Jahrestag der Konstituierung des ersten Abgeordnetenhauses von Berlin und der 30. Jahrestag des ersten Zusammentritts des frei gewählten Gesamt-Berliner Abgeordnetenhauses sind deshalb Grund genug, sich an das Datum 11. Januar zu erinnern.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr René Rögner-Francke

Titelbild

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