Erschienen in Gazette Steglitz Februar 2021
Was Udo Jürgens in seinem Lied „Was ich dir sagen will, sagt mein Klavier“ beschrieben hat, trifft auch für Elion Meiertal zu, der den österreichischen Musiker mit dem gläsernen Schimmel-Flügel persönlich kannte: Betritt man sein Piano- und Flügelgeschäft am Gardeschützenweg 65 in Belin-Lichterfelde, spürt man schon nach wenigen Sätzen mit dem Fachmann: In Meiertals Brust schlägt eine Klaviertastatur.
Mit ganzem Herzen sorgt der 1946 in Russland geborene geborene Klavierstimmer, -techniker und -restaurator für das Wohl seiner schwarzgelackten Klaviere und Flügel, stimmt, repariert und erweckt sie mit ganzem Herzen zu neuem musikalischem Leben an der Seite feinfühliger Profi- und Amateur-Pianisten.
Längst könnte Meiertal im Ruhestand sein, aber die Liebe zu den Tasteninstrumenten ist stärker und seine Aussage klar: „Mein Hobby ist mein Beruf, damit bin ich glücklich“.
Musik und Technik liegen Elion Meiertal im Blut. Seine Mutter hatte an der Akademischen Hochschule für Musik in Berlin in den 30er-Jahren Klavier studiert und noch Sergei Wassiljewitsch Rachmaninow und Igor Strawinsky kennengelernt, sein Vater, Diplom-Ingenieur, stammte aus Estland, und der Großvater war Professor an der Charité. – Kunst und Technik fanden zusammen.
1936 erfolgte die Aussiedlung. 1946 wurde Elion in Russland geboren, kam aber im Alter von sechs Monaten mit seinen Eltern nach Estland. In den 70er-Jahren schließlich kehrte seine Mutter als Heimkehrerin nach Berlin und zu ihren Wurzeln zurück. Sohn Elion kam1983 im Rahmen der Familienzusammenführung aus Estland nach.
Musikalisch ging es bereits in seiner Kindheit zu. Er und seine Schwester besuchten die Kindermusikschule. Elion hatte 12 Jahre Klavier- und Geigenunterricht. „Mich hat von jeher neben der Musik der Aufbau des Instruments an sich interessiert“, verrät Elion Meiertal, der 17-jährig seinen ersten Blüthner-Flügel aus Schrottteilen zum strahlenden Konzertflügel zusammengebaut hatte. – Dabei war ihm klar geworden, dass dies sein zukünftiger Traumberuf werden würde.
Elion erlernte also den Beruf des Klavierbaumeisters und Kavierstimmtechnikers in Estland, war nach seiner Ausreise nach Berlin weiterhin als Klavierstimmer tätig. Er machte sich selbstständig und eröffnete 1985 seinen ersten Piano-Flügel-Laden an der Düsseldorfer Straße in Berlin-Wilmersdorf. „Ich wollte frei sein und Zeit haben, an Klavieren und Flügeln zu basteln“, erklärt er heute seine Entscheidung, die er nie bereut hat.
Später verlegte er das Geschäft nach Berlin-Lichterfelde, wohnt dort mit seiner Frau Regina gleich gegenüber. Kurzzeitig hatte er den Laden aus Altersgründen in andere Hände gegeben, doch war bald wieder zurückgekehrt zu seinen Klavieren und Flügeln – auch zur Freude der Hauseigentümer, die das charmante Geschäft in ihrem Haus begrüßen.
Nach Betreten des Ladens über dunkelroten Teppichboden fühlt man sich in einer friedlicheren Welt. Gleich neben dem Eingang glänzen sie schwarz im Schein alter Gründerzeitlampen und vermitteln das Gefühl edler Gelassenheit: Klaviere mit Messingkerzenhaltern und der imposante Steinway-Konzertflügel, der nach der Totalüberarbeitung durch Elion wieder traumhaft klingt. Die Technik um 1905 gebauter Instrumente sei oft sehr gut und restaurationswürdig, erklärt mir der Fachmann später.
Hinter dem Verkaufsraum die Werkstatt, der Ort, an denen fast aufgegebenen „Patienten“ von Elion Meiertal wieder Seele eingehämmert, -gefeilt und -gestimmt wird. Manchmal arbeitet er an sieben Instrumenten gleichzeitig. Etwa 6.000 Teile besitzt die Mechanik eines Klaviers, die Operation am „offenen Korpus“ ist daher alles andere als ein Kinderspiel. Im Durchschnitt arbeitet der Restaurator mindestens 1 ½ Monate an einem Instrument.
Doch Elions Ehrgeiz und Können ist groß, größer aber die Freude, wenn von ihm wieder ein Tasteninstrument mehr gerettet werden konnte und in stolzem Klang erstrahlt.
Am Tag meines Besuchs erwartet er neue Ware aus Antwerpen, die, aus Japan geliefert, dort für ihn vorbereitet wird. Doch der Transport lässt auf sich warten.
Der Verkauf von Instrumenten ist das eine Standbein, aber besonders viel Herzblut steckt Elias Meiertal in sein zweites, die Restauration alter Instrumente, eine Tätigkeit, der er auch für die Zukunft höchste Priorität zuordnet.
Seit fast 40 Jahren ist er nun in Berlin als Klavierstimmer, -verkäufer und als Restaurator alter Klaviere und Konzert-Flügel tätig, in Fach- und Musikkreisen längst ein Geheimtipp. Mundpropaganda und die besondere Qualität seiner Arbeit haben ihm einen breiten Kundenstamm eingebracht, von denen er einige mit ihren Tasteninstrumenten bereits in der dritten Generation begleitet. Konsulate gehören u. a. ebenso zu seinem Klientel wie seit Karajan-Zeiten die Philharmonie sowie namhafte Pianisten, aber auch Vivantes, die Kinder-Jugend-Psychiatrie und Schulen im Berliner Raum.
Über sein Hobby, den Fußball, und seine Torwart-Funktion bei den Hertha 03-Veteranen hatte Elion Meiertal zu Alliierten-Zeiten gute Kontakte zu den Amerikanern aufbauen können und dort so manches Instrument betreut. Mit einem Spezialausweis für den Militärbereich standen ihm (fast) alle Türen offen, und er war gern gesehener Gast bei Veranstaltungen, auf denen er namhafte Politiker und Persönlichkeiten kennenlernte und Geschäftskontakte vertiefte.
„Ich bin auch regelmäßig zu Kunden nach Hamburg und Heidelberg gefahren“, erzählt Elion, doch das mache er jetzt in Corona-Zeiten nicht mehr. Aufträge in Neuruppin nimmt er immer noch gerne an. Wenn er dort mit seinem Wagen die Straße heraufkommt und die Kinder rufen: „Der Klavierdoktor kommt“, dann mache ihn das glücklich: „Da kenne ich so manche Familiengeschichte und gehöre irgendwie dazu.“
Doch auch so ist sein Terminkalender für die nächsten Wochen schwarz, die Menschen besinnen sich in diesen Tagen wieder vermehrt auf ihr Zuhause und ihre Instrumente, die sie gewartet und spielbereit wissen möchten.
Und auch für die Stiftung „Kiezklänge e. V.“ und ihre Musikschulförderung Jugendlicher engagiert sich der Klavier- und Musikfreund, der immer ein offenes Ohr beweist, wenn es darum geht, auch denen ein solides Tasteninstrument zu vermitteln oder zu reparieren, deren finanzielle Mittel eher knapp sind. Dazu zählen nicht selten Musikstudenten.
Stolz ist der Meister seines Fachs über die Rückmeldungen, Dankesbriefe und herzlichen Worte, die er immer wieder von seinen Kunden erhält:
Da ist beispielsweise die14-jährige Magdalena, die sich handschriftlich für den Austausch ihres Klavieres bedankt, aber gleichzeitig bittet, ihr altes Instrument in gute Hände zu geben. – Oder die Berliner Autorin des Buches „Kent Nagano“, Inge Kloepfer, bedankt sich da bei Elion Meiertal für ihren Flügel, auf dem der Pianist Nagano wegen seines so besonderen Klanges besonders gerne spielt, mit einer besonderen Buch-Signatur bei Elion, „der mit dem Flügel so viel Musik in unser Haus gebracht hat.“ – Dankesbekundungen, die Meiertal über die Jahre in dickem Ordner gesammelt hat und besonders zu schätzen weiß.
Und dann sind da die Aufträge für das Stimmen von Klavieren, Konzertflügeln und manchmal auch Cembali. Ein- bis zweimal jährlich und vor Konzerten empfiehlt der Fachmann eine Stimmung, die etwa 1 ½ Stunden vor Ort benötigt.
Zwar gebe es inzwischen Stimmgeräte, doch die erzeugten eher einen toten Klang, da sie zu sauber stimmen. „Aber das menschliche Gehör ist eben keine Maschine“, betont Elion und führt die so unterschiedlichen Stimmungen an, welche Kunden für ihr Instrument bevorzugen. So müsse ein Instrument, auf dem überwiegend Jazz gespielt wird, deutlich härter gestimmt werden als ein Instrument für romantische Musik, die weicherer Klänge bedarf.
– Aufgaben, denen sich Elion Meiertal weiterhin mit ganz viel Herz für Mensch, Musik und Instrument stellen will, auch wenn er für die nahe Zukunft von einem verlängertem Wochenende träumt – um vielleicht wieder selbst häufiger zu Noten, Klavier und Geige greifen zu können.
Öffnungszeiten nach telefonischer Vereinbarung unter Telefon 030 – 80 58 95 05 oder E-Mail kontakt@pianos-fluegel.com
Weitere Informationen unter www.pianos-fluegel.com
Jacqueline Lorenz
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