Erschienen in Lankwitz Journal April/Mai 2021
Ihre Tiere sind ihr Kapital und ihre Zukunft: Zirkusleute gehen mit ihren Gefährten – egal ob zwei- oder vierbeinig – durch dick und dünn.
Und so gilt im Lockdown die Sorge der Familie Rogalli vom „Zirkus Rogall“ in erster Linie ihren Tieren. Sie satt zu bekommen, fit und einsatzbereit zu halten, daran setzen sie gemeinsam mit ihren zwei Mitarbeitern viel tägliche Energie im Lankwitzer Winterquartier an der Birkbuschstraße 54, das sie bereits im vierten Jahr vom Bezirk Steglitz-Zehlendorf für die Winterzeit zur Verfügung gestellt bekommen haben. Auch im zweiten Shutdown ist der Optimismus der Familie, die keine Corona-Hilfe bekommt, auf eine harte Probe gestellt worden.
Die dringende Frage, die sie sich immer wieder stellt, lautet: „Wann dürfen wir wieder vor Publikum auftreten, und wann heißt es endlich wieder „Manege frei“?
Das 1977 von den Berlinern Hans-Jürgen und Sonja Rogalli gegründete Familienunternehmen wird heute in zweiter Generation von Roman Rogalli und seiner Frau Angela geführt. Ihre drei Kinder Celine-Michelle, Filano und Giorgio vertreten in der Manege mit artistischem Können und Fingerspitzengefühl für ihre tierischen Kollegen die bereits dritte Generation. Damit das Kindern und Erwachsenen so viel Freude spendende Lebenswerk ihrer Großeltern und Eltern auch weiter bestehen kann, benötigt das Zirkusunternehmen dringende Unterstützung aus der Bevölkerung, sei es durch Futterspenden oder finanzielle Zuwendung. Jeder Apfel, jede Möhre und jeder Euro zählt in dieser harten Pandemie-Zeit und kann vor Ort abgegeben werden.
Helle Wintersonne fällt durch die Fenster in das geräumige Stallzelt des Zirkus Rogall. Maskottchen Wutzi, eine gemütliche „Hängebauch-Schweinerolle“, lässt sich das zweite Frühstück aus dem Trog schmecken, und nebenan raspeln eifrig die Kaninchen im Auslauf Möhren. Lamas, zwei Esel und Ponys teilen sich im gemeinsamen Laufstall das von Filano frisch aufgeschichtete Heu. Er und seine erwachsene Schwester Celine-Michelle sind gerade mit dem Tränken der Tiere fertig, es ist frisch eingestreut – auch bei den rund 15 Großpferden, darunter elegante Friesen und der 41-jährige Schimmel-Senior „Gordon“, der noch von den Großeltern angeschafft und ausgebildet worden ist, und über dessen toppen Zustand der Haustierarzt immer wieder nur anerkennende Worte findet. Michelle betont: „Als Einhorn hat er noch immer seinen altersgerechten und erfüllenden Auftritt in der Manege.“ – Wie es sich für ein altes Zirkuspferd wohl gehört.
Irgendwo kräht ein Hahn, die Hühner und Tauben, die ebenfalls „manegentauglich“ sind, gackern und gurren im Extrastall.
Fröhliches Bellen kommt aus dem Hundeareal. Fuchs oder Spitzbuben können sich hier nicht unbemerkt aufs Gelände schleichen, die vierbeinige Security funktioniert. Rund 15 Hunde gehören zum Tierbestand der Rogallis. Heute ist etwa die Hälfte der Fellnasen im Auslauf, auch der Nachwuchs, während die anderen übers Gelände durch den Schnee toben. Im Auslauf gemütliche Körbchen, es wird gerauft, gebellt, gespielt und in den auf verschiedenen Ebenen platzierten Hundekörben, -höhlen und -bettchen gekuschelt. Ein 17-jähriger Hundesenior hat sein abgeteiltes eigenes Areal, wo er seine altersbedingte Ruhe findet. Als Michelle zu ihren Schützlingen in den Auslauf tritt, ist sie sofort Mittelpunkt des allgemeinen Interesses. Doch die Streicheleinheiten wollen gut verteilt sein: Die beiden Schottischen Hochlandrinder Max & Moritz haben schließlich ebenfalls Kuschelbedarf. Verzückt stemmt sich Max gegen die streichelnde Hand.
Draußen im Stallauslauf pflegen zwei Haflinger intensiven Sozialkontakt. Die unterschiedlichen Stalltiere kommen am Tag, in mehrere Gruppen aufgeteilt, in den Auslauf. – Ein Luxus, von dem manch Privat-Reitpferd in enger Stadtbox nur träumen kann.
Ab 15 Uhr geht´s dann in die Manege. „Durch die fehlenden Vorstellungen während der Pandemie würde der Rhythmus sonst zu sehr durcheinander geraten“; weiß Michelle. Das regelmäßige, vorstellungsähnliche Training in der Manege wirkt dem entgegen, auch wenn die Tiere, sobald Publikum dabei ist, einfach konzentrierter und emsiger arbeiten, wie sie erklärt. Vater Roman und Mutter Angela führen u. a. die Großpferde vor und begeistern mit Hoher Schule und Taubennummer, Celine-Michelles Bereiche sind die Hundenummer, Ringtrapez, Strapaden mit Tüchern hoch über dem Boden sowie Hula-Hoop. Und die jüngeren Brüder sind für Ponynummern und die Hand-auf-Hand-Artistik zuständig.
Dies alles ganz coronakonform vor Publikum in Berlin vorführen zu können, hatten die Rogallis, die mit ihrer Tournee in vergangenen Jahren u. a. Polen, Tschechien und Österreich bereisten, viel Geld in Trennwände und Hygienekonzept gesteckt. Doch es kam eben anders.
An diesem Samstag fährt Roman Rogalli nun bis nach Polen, um die nötige Heuladung für die Tiere etwas preiswerter bekommen zu können, in eisiger Kälte stehen die zwei Mitarbeiter vor Rewe und Edeka, bitten um Spenden. – Dabei unterscheiden sie sich von unseriösen Trittbrettfahrern, die in falschem Namen des Zirkus Rogall mit gleichem Anliegen unterwegs sind: Sie als „echte“ Mitarbeiter tragen deutlich die Zirkus Rogall-Telefonnummer auf ihren Westen, unter der potentielle Spender sich rückversichern können.
Täglich zwischen 11 und 15 Uhr ist das Zirkus-Gelände an der Birkbuschstraße für Besucher offen, die sich ein Bild von den Tieren machen oder etwas abgeben möchten. Auch an diesem Sonnabend wird das genutzt: Sabine und Gerd H. wohnen in der Siemensstraße. Mit ihrem Labrador „Bubi“ nutzen sie heute den Hundespaziergang, um Möhren abzuliefern. Sie erzählen: „Wir kennen den Zirkus schon von den Jahren zuvor im Bezirk. Die Artistenfamilie geht so einfühlsam mit den Tieren um und stellt gerade auch für Kinder ein so lustiges und liebevolles Programm auf die Füße, sodass wir da in diesen Tagen wenigstens etwas Hilfe leisten möchten. Denn es wäre jammerschade, wenn dies alles hier Corona zunichtemachen würde.“
Menschen wie ihnen und dem Bezirk für die Möglichkeit, hier auf dem Areal bis Mai ausharren zu dürfen, sind Roman Rogalli und seine Familie von Herzen dankbar und hoffen, sich bald wieder öffentlich mit einem seeleerfrischenden Programm dafür in gut besuchtem Zirkuszelt bedanken zu dürfen. -Natürlich zuerst vor Ort in Lankwitz, wo sie mindestens noch bis Mai ihr Zelt aufgebaut haben werden.
„Denn für uns ist es doch das Wichtigste, die kleinen und großen Menschen zu erfreuen, zum Lachen zu bringen und mit unserem Programm einen Gegenpol zum grauen Alltag zu schaffen“, erklärt Celine-Michelle und spricht damit für ihr kleines Zirkus-Team, aber auch für die vielen anderen Zirkusunternehmen.
Jacqueline Lorenz
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