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Wort der Bezirksbürgermeisterin

Steglitz-Zehlendorf Mai 2021

Erschienen in Gazette Steglitz und Zehlendorf Mai 2021
Cerstin Richter-Kotowski
Cerstin Richter-Kotowski. Foto: Uwe Steinert

Liebe Leserinnen und Leser,

es ist ein beklemmender Gedanke: keine Kinder, keine Gefährten, keine Angehörigen – und dann ein einsamer Tod. Eine Vorstellung, die betroffen macht und traurig stimmt. Denn wenn ein Mensch einsam stirbt, hat er mutmaßlich auch einige Zeit davor einsam gelebt, ohne freundliche Kontakte oder ein soziales Netz, und dies mitten unter uns. In einer Stadt und einem Bezirk, die für gewöhnlich so voller Leben sind, scheint es schwer vorstellbar, dass Menschen aus dem Leben scheiden, ohne dass jemand Anteil daran nimmt.

Einsam verstorben bedeutet jedoch nicht vergessen!

Die Gründe, aus denen ein Mensch unbegleitet verstirbt, sind genauso vielfältig wie die Menschen selbst. Damit sie nicht spurlos aus unserem Bezirk und unserem Bewusstsein verschwinden, hat das Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf 2019 auf Wunsch der Bezirksverordnetenversammlung beschlossen, jährliche Gedenkfeiern in Erinnerung an die einsam Verstorbenen aus unserem Bezirk zu begehen.

Auch im vergangenen Jahr hätte die Gedenkfeier stattfinden sollen, musste dann jedoch, wie so vieles, pandemiebedingt auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden.

Die Pandemie verhinderte nicht nur das Zusammenkommen im Gedenken an die Toten, sondern bedeutet auch, dass noch mehr Menschen allein versterben – sogar, wenn Familie und Freunde eigentlich da sind, aber den letzten gemeinsamen Weg mit ihren Liebsten nicht bestreiten können. Das Wissen, dass ein geliebter Mensch allein gestorben ist und der Verlust, ohne richtig Abschied nehmen zu können, sind für die Hinterbliebenen nur sehr schwer auszuhalten. Wir haben als Gesellschaft gerade erst begonnen, diesem Leid und diesen unerträglichen Verlusten einen Raum einzuräumen.

Das einsame Sterben ist auch für das Personal des Gesundheitswesens schwer ertragbar. Seit über einem Jahr arbeiten Pflegerinnen und Pfleger, Ärztinnen und Ärzte, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gesundheitsämter und viele, viele weitere an der Grenze des Möglichen, und oft auch darüber hinaus. Sie geben alles, um so viele Leben wie möglich zu retten und müssen doch so oft erleben, dass ihre Bemühungen den Tod nicht verhindern können. Überdies ist die Unterstützung der Angehörigen oftmals nur telefonisch möglich. Die persönliche Begegnung, die tröstende Geste fehlen so dringend, um den Hinterbliebenen in ihrer Trauer beizustehen.

Angesichts dieser unerträglichen Umstände bin ich sehr dankbar, dass das Personal in unserem Gesundheitswesen schon über Monate hinweg schier Übermenschliches leistet, um Leben zu retten, Familien und Hinterbliebene zu unterstützen und dabei allzu oft auf die eigenen Wünsche und Bedürfnisse verzichtet.

Die einsam Verstorbenen, die keine Angehörige und Freunde (mehr) haben, und diejenigen, die in der Pandemie allein sterben, weil ihre Angehörige und Freunde nicht bei ihnen sein können – ihnen allen gemein ist, dass ihr Schicksal uns sehr bewegt. Und so war es dem Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf und mir ein wichtiges Anliegen, dass das Gedenken für die einsam Verstorbenen, unter den gebotenen Schutzmaßnahmen, auch während der Pandemie stattfinden konnte.

Am 29. April wurden in der Kapelle auf dem Friedhof Steglitz die Namen aller einsam Verstorbenen verlesen und ihnen, unterstützt durch die evangelische und katholische Kirche, in Ansprachen gedacht. Da das Gedenken nicht in einem größeren Rahmen stattfinden konnte, steht ein Video auf unserem bezirklichen Youtube-Kanal und der Homepage des Bezirksamtes zur Verfügung.

www.steglitz-zehlendorf.de

Es mag ungewohnt erscheinen, sich auf einem solchen Wege mit dem Tod zu befassen, online, ganz anders als die Abläufe, die wir gewohnt sind. Doch gerade in einer Zeit, in der die Geschehnisse sich überschlagen, die Nachrichten vom Morgen am Abend vielleicht schon veraltet sind und die andauernde Wiederholung von Corona-Statistiken dazu verleiten, dem Gedanken an den Tod auszuweichen, möchte ich Sie einladen, an unserem virtuellen Gedenken teilzunehmen. Denn das ist es, was unser gemeinschaftliches Zusammenleben ausmacht: die Anteilnahme. Nehmen Sie teil am Schicksal unserer Mitmenschen, gedenken Sie den namentlich Genannten, den vielen Opfern der Pandemie, die uns in den letzten Monaten verlassen haben, oder einem lieben Menschen, dessen Verlust Sie verkraften mussten. Wir erinnern uns an diejenigen, die am Ende ihres Lebens ganz allein waren. Im Sinne der Worte Albert Schweitzers bedeutet unser gemeinsames Gedenken, dass sie trotzdem nicht vergessen sind, denn „Das schönste Denkmal, das ein Mensch bekommen kann, steht in den Herzen seiner Mitmenschen“.

Ein Lichtblick in diesen langen Monaten des Verzichts und der Verluste sind die Impfungen, die Tag für Tag immer mehr Menschen erhalten. In den Seniorenstätten unseres Bezirkes sind bereits sehr viele Bewohnerinnen und Bewohner und Mitarbeitende geimpft. Die deutlichen Effekte sehen wir daran, dass es glücklicherweise keine großen Ausbrüche in den Einrichtungen mehr gibt.

Endlich können wir so Stück für Stück wieder mehr Begegnung, mehr gemeinsames Leben, mehr Normalität zulassen. Ich hoffe, dass Sie in dieser Aussicht Kraft für die noch vor uns liegenden Momente des Verzichts und der Sehnsucht nach Beisammensein finden.

Halten Sie durch und bleiben Sie gesund!

Ihre
Cerstin Richter-Kotowski
Bezirksbürgermeisterin

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