Erschienen in Gazette Steglitz Mai 2021
Das ideenreiche Bildungsprogramm des Ackerdemia e. V. ist nicht nur unter Kita-Kindern, Schülern und Jugendlichen bekannt, die mit der 2013 ins Leben gerufenen GemüseAckerdemie spielerisch Wertschätzung und gesundes Ernährungsverhalten lernen: Mit ihrem Projekt „Black Turtle – Alte Sorten für junges Gemüse“ wendet sich die gemeinnützige Organisation mit einem Standort in der Schöneberger Malzfabrik an alle auch älteren Natur- und Gemüsefreunde, die auf ihrem Balkon, im Garten und schließlich auf ihrem Teller alten Sorten eine Zukunft geben und über den Erhalt der Biodiversität die Welt ein wenig bunter machen wollen. Namensgeberin des Programms ist nicht etwa eine gemächlich durchs Beet kriechende schwarze Schildkröte, sondern die besonders in der lateinamerikanischen Küche beliebte schwarzkernige Schildkrötenbohne, eine dekorative kleine, glänzende Buschbohnen-Sorte der gemeinen Bohne. Die Kerne behalten auch nach dem Kochen ihre auffällige Farbe. Lediglich die reifen Samen werden verspeist, anders als bei den Brechbohnen, bei denen man die gesamte Hülse isst. Doch etwas haben die Bohnen doch mit Schildkröten gemeinsam: Auch sie sind vom Aussterben bedroht und werden von Monokulturen verdrängt. Nicht zu vergessen: Alte Nutzpflanzensorten dienen als Nahrungsquellen für Blütenbestäuber und schaffen Lebensräume für heimische Arten.
Dank einer aussagekräftigen Homepage und eines Konzeptes, das auch in „kontaktärmeren“ Zeiten gut umsetzbar ist, findet das 2019 gestartete Programm „Black Turtle“ gerade in diesen Tagen viele Anhänger, die mit den alten Gemüsesorten mehr Abwechslung in ihre Gärten und auf die Balkone bringen.
lautet das originelle Motto des Programms, das in Kooperation mit dem BUND im Bundesprogramm Biologische Vielfalt durch das Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit gefördert wird.
Sechs Leute bilden das Kernteam, darunter Projektleiterin Julia Krebs, Linda Krieg, Content und Concept, sowie Dr. Christoph Schmitz, Strategie. Dazu kommt, wie die Projektleitung erklärt, eine steigende Zahl an „Überzeugungstätern, Landwirtschaftsprofis, Improvisationstalenten und Organisationsgenies“ sowie Unterstützern – allesamt Gemüse- und Gartenfreaks – die mit Herz, Spaten und viel Leidenschaft an der Umsetzung ihres Konzeptes arbeiten. Der Welt neues Wissen über alte Sorten zu vermitteln, ist eines ihrer Hauptziele.
Interessierten Menschen zu zeigen, wie das nachhaltig geht, worauf sie achten müssen und ihnen das dafür passend ausgewählte Saatgut an die Hand zu geben, haben sich die Naturfreunde von Black Turtle mit ihrem Outdoor-Programm zur Aufgabe gemacht.
Mit 450 Teilnehmenden startete das Programm im Jahr 2019, das 2020 deutschlandweit bereits über 2.000 Mitstreiter zählte, Tendenz steigend. In diesem Jahr werden im Rahmen des Programms 21 Gemüsearten von der Bete über die Buschbohne bis zur Zwiebel angebaut. – Und immerhin 28 alte Gemüsesorten, von der kartoffel-/spargelähnlichen Asparges über Rainbow-Mangold bis zur Kartoffel „Red Duke of York“. In fünf verschiedenen, auf unterschiedlichste Bedürfnisse perfekt zugeschnittenen Gemüse-Anbau-Sets für Garten, Hochbeet oder Balkon können zur Saatzeit teilnehmende Hobbygärtner, die einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung und Vermehrung alter Sorten leisten möchten, das Saatgut dieser Sorten zu reellen Preisen Online erwerben: Da gibt es u. a. das Salat-Kräuter-Set für Frischefans, die kleine Tiny-Vielfalt für Balkon oder Hochbeet, die Volle Knolle für Knollenliebhaber oder aber den Black Turtle-Gutschein zum Verschenken. Das angebotene Saatgut stammt teils aus eigener Ackerdemia-Vermehrung, teils aus biologischem Anbau. Teilnehmenden wird empfohlen, Saatgut – auch zum Weitergeben an Gleichgesinnte – aus eigener Vermehrung zu ziehen.
Wichtig ist es dem Black Turtle-Team, seine Gemüsefreunde nicht im Regen stehen zu lassen, sondern sie durchs Gartenjahr über verschiedene Social Media-Kanäle zu begleiten: Wertvolle Anleitungen zu Aussaat, Pflege, Ernte und Saatgutvermehrung, Tipps und Tricks für die Gartenarbeit, aber auch fundiertes Wissen zu Umweltthemen wie u. a. Bodenverdichtung, Einführung in den Klimaschutz, die genetische Vielfalt, oder in die Welt der Insekten vermittelt die Homepage anschaulich und unterhaltsam. Außerdem informieren Newsletter die Teilnehmenden. Daneben erzählt manch alte Gemüsesorte ihre Geschichte, und sogenannte Unkräuter weisen auf ihre wichtige Bedeutung für die Natur hin.
Schritt für Schritt begleitet das Team die Gemüsefreunde – und lässt auch sie zu Wort kommen. – Und wenn dann die erste knackige Gemüseernte im Korb liegt, locken leckere Rezepte zum Ausprobieren: Die Black-Turtle-Bohnen verwandeln sich dann in vegane Schwarze-Bohnen-Brownies, Palmkohl-Bruchetta glänzt auf Schwarzbrot und die Suppe aus Radieschengrün verspricht einen Vitaminkick.
Und ganz nebenbei erfährt man, dass die Bohnensorte „Black Turtle“ mit ihren 200 Jahren die älteste Sorte in der Programm-Vielfalt darstellt und es über 3.000 bekannte Kartoffelsorten gibt. Und wussten Sie, dass heute zwar 7.000 Pflanzenarten vom Menschen genutzt werden, jedoch nur drei Arten 50 Prozent des Nahrungsbedarfs ausmachen?
Doch mit all dem, geben sich die Konzept-Entwickler des Ackerdemia-Teams noch nicht zufrieden. So tüfteln sie an einem weiteren pandemiefreundlichen Black-Turtle-Programmpunkt: In Vorbereitung sind Black-Turtle-Online-Workshops, die Alte-Sorten-Fans am Bildschirm zusammenbringen, nach dem Motto: Wir hören nicht auf, bis es richtig gut ist – aber fangen auch an, bevor es ausgereift ist.
Informationen zum Programm „Black Turtle“ unter www.black-turtle.de . Begrenzte Teilnehmerzahl!
Jacqueline Lorenz
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