Erschienen in Gazette Schöneberg & Friedenau Juni 2021
„Haben Dinge ein Gedächtnis? Haben sie die Fähigkeit, uns aufzuklären über eine verdrängte oder vergessene Geschichte?“ (Sonya Schönberger)
Zwangsarbeit war im Nationalsozialismus ein Massenphänomen. Allein im Deutschen Reich wurden zwischen 1938 und 1945 rund 13 Millionen Frauen und Männer in der Industrie, Landwirtschaft und Haushalten zwangsbeschäftigt. Auch in Tempelhof beteiligten sich zahlreiche Betriebe an dieser Ausbeutung.
Auf dem Tempelhofer Feld befanden sich ab 1941 Zwangsarbeitslager der Deutschen Lufthansa und der Weser Flugzeugbau. Tausende Menschen unterschiedlicher Nationalitäten wurden in dieser Zeit unter menschenverachtenden Bedingungen für die nationalsozialistische Rüstungsproduktion zwangsverpflichtet. Zwischen 2012 und 2014 brachten archäologische Grabungen historische Überreste dieser Zeit zutage.
In ihrer Installation „Nägel“ thematisiert Sonya Schönberger dieses System von Ausbeutung und Unterdrückung. Der Schwerbelastungskörper steht bis heute weithin sichtbar für die megalomane Stadtplanung der NS-Führung, die für die geplante Neugestaltung Berlins selbst zahlreiche Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter einsetzte.
Die Installation präsentiert im Schwerbelastungskörper 13.000 archäologisch geborgene Nägel, die einst die Baracken im Lager auf dem Tempelhofer Feld zusammenhielten. Die Sonderausstellung bietet einen einzigartigen interdisziplinären Zugang aus Kunst, Geschichtswissenschaft und Archäologie zur Erinnerung an Zwangsarbeit. Mit ihrer begehbaren Rauminstallation lenkt die Künstlerin Sonya Schönberger den Blick auf die unmenschliche Situation in den Lagern – und verschränkt sie zugleich mit der Geschichte des Schwerbelastungskörpers.
Die Künstlerin Sonya Schönberger verbindet in ihrer künstlerischen Praxis ihre Studien der Ethnologie und der Experimentellen Mediengestaltung. In den letzten Jahren hat sie ein Langzeitarchiv aufgebaut, für das sie in verschiedenen Ländern private Gespräche mit Zeitzeugen des Zweiten Weltkriegs führte. Mit Hilfe dieses „Archivs der Erinnerungen“ untersucht sie die Auswirkungen der Traumata einer Nation auf zukünftige Generationen.
Die Ausstellung wird bis 31. Oktober gezeigt. Informationsort Schwerbelastungskörper, General-Pape-Straße/Loewenhardtdamm, 12101 Berlin. Buchen Sie Ihr Zeitfenster telefonisch unter (030) 90277-6163 von Montag bis Donnerstag von 9 bis 15 Uhr und Freitag von 9 bis 14 Uhr. Für den Besuch ist ein zertifiziertes, negatives Testergebnis erforderlich. Beim Besuch muss eine FFP2-Maske getragen werden. Aktuelle Informationen unter www.schwerbelastungskoerper.de. Pandemiebedingte Änderungen zur Ausstellung und des Programms unter www.museen-tempelhof-schoeneberg.de.
Am Sonntag, den 27. Juni um 14 Uhr findet eine Führung mit Prof. Dr. Reinhard Bernbeck zum Thema „Zwangsarbeit auf dem Tempelhofer Feld“ statt. Anmeldungen telefonisch unter (030) 90277-6163 oder per E-Mail an die Museen Tempelhof-Schöneberg.
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