Erschienen in Gazette Charlottenburg und Wilmersdorf Juni 2021
Welche Schwerpunkte bei der sozialen Infrastruktur brauchen wir im Bezirk, um alle Interessen zu berücksichtigen? In den folgenden Beiträgen nehmen die Fraktionen der BVV zu dem Thema Stellung.
Die Frage ist einfach zu beantworten. Wir brauchen von allem mehr Infrastruktur! Zuletzt hat der Bezirk erfolgreich seine Kitaplätze ausgebaut, Spielplätze saniert, Jugend und Seniorenclubs gehalten und Stadtteilzentren gestärkt. Aber das reicht nicht! Wir brauchen kreative Flächennutzungen, damit Kita, Spielplatz und Stadtteilzentrum nicht gegeneinander ausgespielt werden. In einer wachsenden Stadt, in der Flächenkonkurrenzen zunehmen, dürfen wir keine soziale Infrastruktur gegeneinander ausspielen, sondern müssen sie gemeinsam denken. Warum nicht ein Basketballfeld auf einer neuen Stadtbibliothek bauen? Oder morgens das Jugendzentrum als Stadtteilzentrum nutzen und für den Seniorenclub öffnen. Temporär Straßen sperren, damit Kinder dort spielen und Nachbarn sich zum Kaffee trinken raus setzen können. Wir setzen uns hier für eine zukunftsweisende und kreative Stadtentwicklung und die unbürokratische Umsetzung ein. Für uns ist klar: wir werden unsere sozialen Schwerpunkte weiter verfolgen! Ausbau der Kita- und Schulplätze, mehr Spiel- und Freizeitflächen für Jung und Alt, Stärkung der Stadtteilzentren und ein Mehrgenerationshaus in Wilmersdorf, eine große Stadtbibliothek, sowie mehr kulturelle Freiflächen.
Dr. Ann-Kathrin Biewener
Soziale Infrastruktur gehört als Bestandteil der Daseinsvorsorge zu den Grundaufgaben kommunaler Selbstverwaltung. Soziale Infrastruktur umfasst die materielle Infrastruktur (Schulen, Kitas usw.), die personelle soziale Infrastruktur (das Fachpersonal) und institutionelle soziale Infrastruktur (die gesetzlichen Regelungen usw.). Die Ausstattung mit sozialer Infrastruktur ist für die Daseinsvorsorge und damit für die Umsetzung gleichwertiger Lebensverhältnisse die wesentliche Grundlage. Es ist aufgrund der „Wachsenden Stadt“, auch in Charlottenburg-Wilmersdorf daher wichtig, Strukturen zu erhalten, weiterzuentwickeln und gegebenenfalls zu erneuern. In Charlottenburg-Nord gibt es den ersten Kiez im Bezirk, der hier neue Maßstäbe setzen kann. Dazu gehört, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, Nahversorgung und Einzelhandel in den Kiezen zu stärken, Bildungs- und Freizeitangebote in der unmittelbaren Umgebung zu finden, alle Verkehrsteilnehmer sozialverträglich zu organisieren. Das wird in den nächsten Jahren im Bezirk eine spannende Aufgabe werden, weil der rot-rot-grüne Senat nicht das Miteinander in den letzten Jahren gefördert hat, sondern mehr das Gegeneinander. Hier sollte weniger Ideologie, sondern mehr Realismus und Gemeinsinn zurückkehren.
Karsten Sell
Der Bedarf an sozialer Infrastruktur wie Kitas, Jugendzentren und Schulen ist in den letzten Jahren gestiegen. Doch der Bezirk hat nicht genügend Mittel, um alles zu bauen. Deshalb wird vorrangig das vorhandene Geld in die Schulen gesteckt sowie in Kitas. Aber wir mussten jetzt auch sehen, dass Grünflächen fehlen, gerade in den Zeiten von Corona waren die Parks oder auch der Savignyplatz überfüllt. Am Halemweg plant der Bezirk für die Volkshochschule, die Bibliothek und ein Stadtteilzentrum 8.000 m² Fläche. Die Planung sieht nicht so aus, als hätten die Ämter miteinander gesprochen. So sind drei Cafés nebeneinander geplant. Eine Finanzierung ist nicht in Sicht. Für Jugendliche brauchen wir mehr Treffpunkte, das muss nicht immer gleich ein Jugendclub sein, doch eine Anlaufstelle, besonders direkt am Ku‘damm. Der Skaterpark Rudolstädter Straße braucht eine Erweiterung. Wir brauchen mehr generationsübergreifende Nachbarschaftstreffs. Doch für alles ist eine Grundlage zu schaffen, seit Jahren gibt es im Bezirk weder einen Schul-, noch einen Kitaentwicklungsplan. Hier kommt die Stadträtin nicht hinterher, um die Grundlagen für eine seriöse Planung zu schaffen.
Erfolge sind sicherlich die Kita in der Jungfernheide in Holzbauweise, der Jugendclub im Ruhwaldpark und der Mierendorff-Insel-Rundweg, den die Anwohner*innen im „Inselrat“ gemeinsam planen und gestalten. Von diesen Initiativen brauchen wir mehr.
Ansgar Gusy
In Charlottenburg-Wilmersdorf finden alle ihren Raum: Familien und Alleinstehende, junge und alte Menschen. Damit dies auch in Zukunft weiterhin möglich ist, gilt es die Grundlagen dafür aktiv zu gestalten. Egal ob neue Kitas und Schulen, Jugendzentren und Sportplätze oder Seniorenclubs und Angebote zur Pflege, sie alle müssen in unserem Bezirk den nötigen Stellenwert erhalten. Das bedeutet aber auch, nicht willkürlich Schwerpunkte zu formulieren, sondern überall da, wo es aktuell oder in absehbarer Zeit den Bedarf gibt, entschieden zu handeln und Angebote zu schaffen. Dies gilt nicht nur für die Innenstadt, sondern insbesondere für die zu oft vergessenen äußeren Ortsteile unseres Bezirks.
Wann immer möglich wollen wir dabei die Einrichtungen miteinander verknüpfen. Dies ermöglicht nicht nur den Austausch zwischen den Generationen, sondern schafft einen Mehrwert für alle. Zur Steigerung der Attraktivität braucht es eine moderne digitale Infrastruktur, eine optimale Ausstattung und selbstverständlich Barrierefreiheit überall. Öffnungszeiten müssen sich an den Bedürfnissen der Nutzer orientieren.
Als Freie Demokraten wissen wir zudem, dass Infrastruktur nichts ist, ohne qualifiziertes Personal in ausreichender Zahl. Wir setzen uns dafür ein, dass dieses angestellt werden kann.
Pascal Tschörtner
Bei der sozialen Infrastruktur immer alle Interessen berücksichtigen zu wollen, ist realitätsfern und ideologisch verblendet. Typisch SPD. Es gibt bereits ein Gestaltungsinstrument: die Sozialen Infrastruktur-Konzepte (SIko) des Senats im Austausch mit den Bezirken. Die soziale Infrastruktur ist ständig im Wandel begriffen. Deshalb muss die Politik das Angebot immer wieder neu ausrichten. Heute steht z. B. die Überalterung ganz oben (Stichwort: Pflegenotstand), aber ebenso die digitalen Strukturen für eine sich wandelnde Gesellschaft. Und nicht nur der Staat ist gefragt. Denn das Geld fällt ja nicht vom Himmel. Soziale Infrastruktur muss auch finanziert werden. Und hier ist das Verhältnis zwischen Erwirtschaften und Verteilen schon lange aus den Fugen geraten. Als AfD-Fraktion sagen wir: Im Land mit der weltweit höchsten Steuer- und Abgabenlast ist statt eines Mietendeckels ein Staatsdeckel vonnöten.
Deshalb muss ein abgestimmter „Welfare-Mix“ alle Beteiligten einbeziehen – eben auch Nachbarn, Familien, Kranken- und Pflegekassen, ambulante Dienstleister, Wohnungswirtschaft, Einzelhandel, Träger aus dem Bereich Gemeinnützigkeit und Wohlfahrtspflege, Kirchen, Vereine. Vor allem dürfen nicht zuerst jene bedient werden, die am lautesten schreien.
Michael Seyfert
Wohnortnahe Beratungs- und Begegnungsangebote, die Stärkung aktiver Nachbarschaften sowie stabile Sozialstrukturen schaffen lebendige Kieze. Der Erhalt und Ausbau von Stadtteilzentren und Nachbarschaftshäusern ist dabei ein zentraler Baustein. Sie sind Orte der Begegnung, Brückenbauer für Menschen in verschiedenen Lebenslagen und ihre Mitarbeiter: innen wertvolle Ansprechpartner:innen für Politik und Verwaltung. Sie stehen für Beteiligung, Inklusion, generationenübergreifende Arbeit und die Teilhabe aller Anwohner:innen. Zur Förderung von Aktivitäten in der Nachbarschaft, von freiwilligem und bürger:innenschaftlichem Engagement sowie der Selbsthilfe müssen die sozialen Dienstleistungen in Stadtteil- und Nachbarschaftszentren erweitert und dauerhaft finanziert werden. Denn ein bunter Bezirk braucht Räume für inklusiv gestaltete Angebote und Aktivitäten wie Kreativ-Kurse, Sport- und Lerngruppen, Sozialberatungen und andere vielfältige Veranstaltungen. Stadtteilzentren und Nachbarschaftshäuser können zudem als Räume für Ortsteilkonferenzen dienen, auf denen Menschen unterschiedlicher Generationen, Kulturen und Milieus zusammenkommen, voneinander erfahren und sich gegenseitig unterstützen.
Annetta Juckel
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