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Historische Baukultur erhalten

Heimatverein Zehlendorf plädiert für Beirat

In der Straße Zum Löwen 1 steht eines der letzten verbliebenen Sommerhäuser der Colonie Alsen.
In der Straße Zum Löwen 1 steht eines der letzten verbliebenen Sommerhäuser der Colonie Alsen.
Erschienen in Wannsee Journal Juni/Juli 2021
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Alle, die sich für den Erhalt des baukulturellen Erbes im Südwesten von Berlin einsetzen, sind entsetzt: Das 1871 erbaute Haus mit der Adresse „Straße Zum Löwen 1“ soll abgerissen werden. Damit verschwindet eines der wenigen noch erhaltenen Sommerhäuser aus den Anfängen der Colonie Alsen, die einst von dem Bankier Wilhelm Conrad gegründet wurde. Im Gegensatz zu z. B. dem „Mäusebunker“ in Steglitz steht das Haus in Wannsee jedoch nicht unter Denkmalschutz und es ist schwierig, den Abriss zu verhindern. Traurige Beispiele aus der Vergangenheit sind die Landhäuser Stern und Gaffron von Hermann Muthesius und die Villa Flamm von Bruno Taut.

Deshalb stellt der Heimatverein eine dringliche Frage: Wie kann es gelingen, stadtbildprägende und historisch wertvolle Gebäude auch ohne Denkmalschutz zu bewahren? Vielleicht kann eine Inventarliste mit Häusern und Siedlungen erstellt werden, die bauhistorische Bedeutung besitzen, ohne dem Denkmalschutz zu unterstehen? Hierbei sind insbesondere solche Häuser gemeint, die bauhistorische Bedeutung für ein Quartier besitzen oder stark zur Identifikation eines Gebiets beitragen. Deshalb schlägt der Heimatverein Zehlendorf einen Beirat für Baukultur vor. Genügend Sachverstand ist im Bezirk vorhanden und das künftige Erscheinungsbild vor Ort sollte diese Mühe wert sein. Ergänzt wird die Initiative durch eine Petition, die der Heimatverein beim Berliner Abgeordnetenhaus einreichte. In ihr wird die Rücknahme der Abrissgenehmigung gefordert. Dort heißt es unter anderem „Für eine neue (Um-) Baukultur

Bedauerlicherweise wurde die ursprüngliche Bebauungsstruktur der Villenkolonie mit großzügigen Grundstücken, herrschaftlichen Wohnhäusern und ausgeprägtem Baumbestand allzu häufig stark verändert und verdichtet. Umso wichtiger ist es, die wenigen noch vorhandenen Spuren der Erstbebauung zu sichern und weitere Abrissmaßnahmen zu unterlassen. Anstelle von Abriss- und Neubauvorhaben gilt es eine bestandsschonende und ressourcensparende Umbaukultur zu etablieren.

„Aus baukultureller Sicht sprechen zahlreiche Gründe für das Weiterbauen und Verändern nicht nur von Denkmalen, sondern von Bestandsbauten insgesamt. Es wäre fahrlässig, die Potenziale im Bestand nicht auszuschöpfen. Eine kreative Auseinandersetzung mit vorhandener Bausubstanz führt zu anspruchsvollen und das Stadtbild bereichernden Ergebnissen. Sie voreilig aus Gründen einer vermeintlich mangelnden Anpassungsfähigkeit oder fehlenden Wirtschaftlichkeit aufzugeben, führt zu unwiederbringlichen Verlusten. Das Weiterbauen von Bestandsgebäuden sowie das erkennbare Zusammenführen verschiedener Zeitschichten können dagegen sowohl im Quartier als auch auf Objektebene einen Grundstein für die ,Denkmale von morgen‘ legen. (...). Vor einem Abriss sollten jedoch der baukulturelle Wert, der materielle und immaterielle Nutzen und die im Bauwerk gebundene graue Energie zwingend in die Abwägung einfließen“ (Baukulturbericht 2018119, S. 87).

Mit seinen zahlreichen Villenkolonien besitzt Berlin einen bauhistorischen Schatz. Keine andere Stadt besitzt eine derartige Vorortkultur. Das Haus Straße zum Löwen 1 gehört dabei zu den frühesten Zeugnissen der Colonie Alsen. Aus diesem Grund fordern wir die Rücknahme der Abrissgenehmigung und die Erhaltung der Conrad-Villa Nr. 3 sowie die Aufnahme in die Berliner Denkmalliste!“

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