Gazette Verbrauchermagazin

Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Berlin e. V.

Seit 72 Jahren Förderer für mehr Verständnis und interreligiösen Dialog

Vertreter des GCJZ-Vorstandteams (v.l.n.r.): Jael Botsch-Fitterling, Norbert Kopp, Bernd Streich und Reinhard Naumann.
Vertreter des GCJZ-Vorstandteams (v.l.n.r.): Jael Botsch-Fitterling, Norbert Kopp, Bernd Streich und Reinhard Naumann.
Erschienen in Gazette Steglitz Juni 2021
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Seit 1.700 Jahren leben Menschen jüdischen Glaubens in Deutschland. Der römische Kaiser Konstantin hatte vor 1.700 Jahren im Jahr 321 in einem Edikt erklärt, dass von nun an Juden in Ämter der Kurie und der Stadtverwaltung berufen werden könnten. Im Jubiläumsjahr 2021 werden dieser Erlass und das deutsch-jüdische Zusammenleben bundesweit gewürdigt. Doch Vorurteile, Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und menschenverachtende Äußerungen bestehen in unserem Land auch heute noch. Dem tritt die gemeinnützige Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Berlin e. V. (GCJZ) seit 72 Jahren als eine der ältesten Institutionen, die sich mit diesem zeitübergreifenden Thema befassen, mit ständiger Aufklärungsarbeit und im religiösen Dialog entschieden entgegen – als zuverlässiger Brückenbauer für mehr Verständnis, Zusammenarbeit und ein besseres Verhältnis zwischen Juden und Christen. – Und das nicht nur während der „Berliner Woche der Brüderlichkeit“, die in diesem Jahr am 27. Juni zum 69. Mal startet.

Brückenbauer der Toleranz

Die Geschäftsstelle der GCJZ befindet sich in der Laubenheimer Straße 19 in Berlin-Wilmersdorf auf denkwürdigem Terrain: Wo unter den Nationalsozialisten viele namhafte Bewohner der KünstlerKolonie unterdrückt, verfolgt und vertrieben worden sind, informiert heute die umfangreiche Vereins-Bibliothek Interessierte mit den aus Privat- und Fachbereich zusammengetragenen Büchern und kulturhistorischen Archivalien zu Themen wie Juden in Deutschland, Erinnerungs-Geschichte und Verfolgung. Hier trifft sich auch der Vorstand der Gesellschaft regelmäßig zur Vereinsarbeit und Vorbereitung aufklärender Vorträge, Seminare, Exkursionen, kultureller Veranstaltungen und Projekte. „Wir sind eine Gesellschaft, die – von ehrenamtlichen Laien getragen – das, was Juden und Christen an gemeinsamer Geschichte besitzen, im guten Miteinander wirkungsvoll nach Außen und Innen transportiert“, erklärt Bernd Streich, Katholischer Vorsitzender der GCJZ, der seit 2003 im Verein mit ganzem Herzen dabei ist. Er war bis vor Kurzem außerdem Vorsitzender des Diözesanrates der Katholiken im Erzbistum Berlin und ist ehrenamtlicher Vertreter im Islamforum in Berlin. In der GCJZ unterstützt er den interreligiösen Dialog und befürwortet im Kampf gegen jede Form von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus auch die menschenfreundliche Begegnung mit anderen Religionen, wie beispielsweise den christlich-islamischen Austausch. Streichs Stellvertreter in der GCJZ ist der Studienrat i.K. und Lehrbeauftragte an der FU Berlin, Michael Brinkhoff, dessen Fachbereiche die Katholische Theologie und Erziehungswissenschaften sind.

Ein Prinzip der GCJZ ist es, zu zeigen, wer welche religiöse Meinung vertritt, ohne dabei in einen (Wett)streit zu geraten, welche religiöse Meinung nun die einzig wahre ist. Darauf basierend die Verbindung von Bildungs- und Gedenkarbeit im Verein voranzubringen, weiß Bernd Streich im Vorstand die Unterstützung namhafter Mitstreiter an seiner Seite: So ist als jüdische Vorsitzende und seit ihrem Beitritt unverzichtbar für die Gesellschaft Jael Botsch-Fitterling dabei, die den Lesern nicht nur mit dem Projekt der Spiegelwand am Rathaus Steglitz im Gedächtnis geblieben sein dürfte. Gemeinsam mit ihrem zweiten Mann, dem Politwissenschaftler Dieter Fitterling, hatte sie sich maßgeblich dafür eingesetzt, dass für die von den Nazis im Gas ermordeten jüdischen Menschen 1995 auf dem Hermann-Ehlers-Platz gegenüber dem Gebäude, in dem sich die Synagoge am Wolfensteindamm befunden hatte, ein Mahnmal eingeweiht werden konnte. Die in Palästina geborene und aufgewachsene Sozialdemokratin besitzt neben der israelischen auch rückwirkend die deutsche Staatsbürgerschaft und setzt sich seit ihrer Studienzeit in Frankfurt und in Berlin engagiert für die christlich-jüdische Zusammenarbeit ein. In der GCJZ ist sie seit 1982 aktiv. Die Studiendirektorin a.D. und Fachbereichsleiterin für Naturwissenschaften wirkte an verschiedenen Oberschulen in Steglitz wie an der Fichtenberg- und der Kopernikus-Oberschule sowie als Iwrit-Dozentin an der VHS Steglitz. Sie ist ehrenamtlich in hochkarätigen jüdischen Institutionen sowie schulischen Einrichtungen engagiert und als Repräsentantin der Jüdischen Gemeinde zu Berlin im Namen der Erinnerungs- und Gedenkkultur unterwegs. Verständlich, dass ihr die Jugendarbeit besonders am Herzen liegt, in der sie Zeitzeugen und junge Menschen mit viel Fingerspitzengefühl und pädagogischer Weitsicht in Israel und Deutschland zusammenbringt. Die Sichtbarmachung des Geschehenen und die Sensibilisierung der Jüngeren für die Gräueltaten im Holocaust ist dabei ihr Anliegen für eine bessere und verständnisvollere Zukunft. Ebenbürtige Stellvertreterin der jüdischen Vorsitzenden ist Sara Nachama, Rektorin und Vizepräsidentin des Touro College and University System in Berlin. Sie ist als Vorstandsmitglied auch in der Jüdischen Gemeinde zu Berlin tätig sowie in verschiedenen wissenschaftlichen und medizinischen Einrichtungen vertreten.

Den evangelischen Religions-Bereich im Vorstand teilen sich der mit seiner fast 53-jährigen Mitgliedschaft in der Gesellschaft schon als „Urgestein“ zu bezeichnende, seit 1992 evangelische Vorsitzende Ulrich Schürmann sowie sein Stellvertreter Reinhard Naumann, der seit 2004 in der Gesellschaft aktiv ist. Ulrich Schürmann, Oberstudiendirektor und ehemaliger Leiter der John-F.–Kennedy-Schule in Zehlendorf, bringt zusätzliches Know-how und ein weites Netzwerk aus seinen ehemaligen Tätigkeiten als Bezirksverordneter, Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin und Mitglied im Rundfunkrat des SFB mit. Historisch sattelfest, kann er fast jede Frage zur Geschichte der GCJZ beantworten.

Sozialdemokrat Reinhard Naumann hat eine geschickte Hand, wenn es um soziale Themen wie Toleranz und Gleichberechtigung geht. Das hat er bereits u. a. als Gruppenleiter in der Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales und Frauen sowie als Landesvorsitzender der SCHWUSOS bewiesen und knüpft daran als amtierender Bezirksbürgermeister von Charlottenburg-Wilmersdorf an. Der Berliner Pfarrerssohn, dessen Vater das Gemeindezentrum Plötzensee mit aufgebaut hat, bringt für interreligiöse Dialoge nützliches Rüstzeug mit, hatte er doch im Elternhaus viel über die Barbareien der Nazis erfahren und war so schon früh sensibilisiert für das Thema Antisemitismus. Die Grundlage für sein heutiges GCJZ-Engagement aber schufen seine Besuche der Kirchentage in Berlin und Nürnberg als 17- bzw. 19-Jähriger. Auf GCJZ wurde er über den „Markt der Möglichkeiten“ aufmerksam. „Er war eine nicht nur von mir geschätzte Begegnungsstätte. Dort habe ich dann auch die Gesellschaft mit ihrer wichtigen Aufgabe kennengelernt“, erinnert er sich. Später, als Berufspolitiker, trat Reinhard Naumann in die Gesellschaft ein und war dort zuerst im Kuratorium aktiv. Als untrennbare Trias sieht er im Kampf gegen den Antisemitismus die Beschäftigung mit der Vergangenheit, aus der wir eigentlich gelernt haben müssten. Nur mit der richtigen Weichenstellung in der Gegenwart könne man gemeinsam erfolgreich auf ein freundliches Miteinander für die Zukunft hinarbeiten. Naumann betont: „Als nachgeborene Generation habe ich keine Schuld an der Shoah, aber die Verantwortung und Verpflichtung, im Rahmen meiner Möglichkeiten dafür zu sorgen, dass so etwas nicht noch einmal geschieht.“ Aus dem Rat der Bürgermeister kennen sich er und Norbert Kopp, Bezirksbürgermeister a.D. von Steglitz-Zehlendorf, der 2009 zur Gesellschaft dazukam und heute die GCJZ mit seinem sprichwörtlichen Organisationstalent unterstützt. Seit fünf Jahren ist er im Vorstand und hält als Schatzmeister die Finanzverwaltung des Vereins fest in erfahrener Hand. Die Thematik der Gesellschaft ist ihm gut bekannt. „Schließlich hatte ich als Bezirksbürgermeister viel mit den vielfältigen Religionen im Bezirk zu tun“, erinnert Norbert Kopp und pflegt diese spannenden Kontakte aus seiner Dienstzeit bis heute, – wie beispielsweise den Dialog zur Griechisch-Orthodoxen Gemeinde Steglitz-Zehlendorfs.

Gemeinsam stellen sich die hochrangigen Vorstandsmitglieder auch zukünftig den Herausforderungen auf dem Weg zur Erfüllung der Gesellschaftsziele. An ihrer Seite in der GCJZ heißen sie aber auch gerne junge Menschen willkommen, die gemeinsam mit ihnen mit frischen Ideen und zeitgemäßen Ansichten gegen Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit Kante zeigen und sie im interreligiösen Dialog begleiten wollen.

Gestern, heute und morgen der GCJZ

Wie die ersten Gesellschaften Deutschlands wurde auch die Berliner Gesellschaft auf Initiative der amerikanischen Besatzungsmacht im Rahmen der Reeducation (Umerziehung der Deutschen) im Jahr 1949 gegründet und bis 1952/53 aus amerikanischen Mitteln finanziert. Danach stellte der Senat von Berlin einen Sockelbeitrag zur Verfügung, der Rest kam aus den Mitgliedsbeiträgen. Von den Amerikanern handverlesene Kuratoriums- und Vorstandsmitglieder kamen aus der Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur, kirchliche Vertreter blieben eher noch im Hintergrund. In den ersten Jahren stand auf dem Weg zu Brüderlichkeit und Toleranz thematisch die Auseinandersetzung mit den Verbrechen des Nationalsozialismus noch nicht im Mittelpunkt, dafür aber die Beschäftigung mit Klassikern wie Lessing und Goethe. Erstes Ziel war die Bildung eines Erziehungsausschusses, der sich an die Lehrerschaft wandte. 1952 endlich erreichte die Berliner Gesellschaft die Öffentlichkeit in der von nun an jährlich durchgeführten „Woche der Brüderlichkeit“ (WdB), die bis heute jedes Frühjahr vom Deutschen Koordinationsrat der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit zur Aufarbeitung des Holocaust ausgerichtet wird und mit rund 250 von der GCJZ angeregten Organisationen und Kooperationspartnern sich des Christlich-Jüdischen Themas in unterschiedlichsten Formaten stellt. Erst ab den 70er-Jahren war das Interesse an Berichten von Holocaustüberlebenden spürbar gestiegen, so dass auch die Landeskirchen sich langsam mit den Gesellschaften und ihren Zielen auseinandersetzten und in einen effektiven christlich-jüdischen Dialog einstiegen – heute wichtiger Bestandteil in der Arbeit der Katholischen wie Evangelischen Akademie. Auch die Gründung des Instituts Kirche und Judentum geht letztendlich auf die Anregungen der Berliner GCJZ zurück. Inzwischen gibt es deutschlandweit rund 80 dieser Gesellschaften, die sich gegen Antisemitismus und für ein friedliches Miteinander einsetzen.

Die Berliner GCJZ hat weiterhin die Aufklärungsarbeit im Auge und wendet sich damit verstärkt an die Jugend, an Schulen und Hochschulen. Auch zukünftig will sie mit Lesungen, Vorträgen, Projekten und Diskussionsveranstaltungen für ein tolerantes Miteinander sprechen. Aktuell erarbeitet dazu der Vorstand ein Konzept, jüngere Menschen zielgerichteter über Social Media-Kanäle anzusprechen, sie so für die Arbeit der GCJZ zu interessieren und schließlich einzubeziehen. – Denn Zeitzeugen werden aufgrund ihres inzwischen hohen Alters weniger, so dass es besonders wichtig wird, jüngere Menschen, die diese Gruppe und ihr Schicksal noch kennengelernt haben, weitergeben zu lassen, was sie von Holocaust-Überlebenden erfahren haben.

Derzeit sieht die Berliner GCJZ coronabedingt einer etwas anderen 69. Woche der Brüderlichkeit entgegen. Dennoch wird es am 27. Juni 2021 ab 15 Uhr in der Kaiser- Wilhelm-Gedächtniskirche die feierlichen Eröffnungsveranstaltung geben, in deren Rahmen die politische und religiöse Gesellschaft zum zweiten Mal die Jeanette-Wolff-Medaille verleiht. Anlässlich des 70-jährigen Bestehens der GCJZ war sie zum ersten Mal an den früheren Verwaltungschef im damaligen Bezirksamt Zehlendorf, Walter Sylten, für seinen besonderen Einsatz für Verfolgte der Nazi-Diktatur und damit für die Ziele der Gesellschaft und für die Zusammenarbeit von Christen und Juden vergeben worden. In diesem Jahr soll der Preis, der sich an Gruppen, Verbände und Einzelpersonen Berlins und Brandenburgs richtet, der Zeitzeugin und Holocaust-Überlebenden Margot Friedländer überreicht werden. Trotz ihres hohen Alters ist sie eine unverzichtbare Partnerin im Kampf gegen das Vergessen und den Antisemitismus.

Jacqueline Lorenz

Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Berlin e. V.

Weitere Informationen zur GCJZ für Interessierte und potentielle neue Mitglieder sowie zum Programm der Berliner „Woche der Brüderlichkeit“ unter www.facebook.com/gcjzbln und www.gcjz-berlin.de

Spendenkonto GCJZ Berlin:
Pax Bank
IBAN: DE78 3706 0193 6010 5360
BIC: GENODE1PAX

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