Erschienen in Dahlem & Grunewald Journal August/September 2021
„Keine Ehrung für Kolonialverbrecher und Rassisten: Wissmannstraße umbenennen” lautete der Titel eines BVV-Beschlusses, der einen Prozess initiierte, der den Bürgerinnen und Bürgern des Bezirks Charlottenburg-Wilmersdorf eine Teilhabe ermöglichte.
Bis zum 9. April wurden 47 Namensvorschläge für eine Umbenennung eingereicht. Viele der zu ehrenden Persönlichkeiten lebten in Grunewald, in direkter Nachbarschaft zur Wissmannstraße oder sogar direkt in der Straße.
Mit dem Straßennamen soll an die Familie Barasch erinnert werden, die in der Wissmannstraße 11 gelebt haben. Arthur Barasch und Irene Barasch-Haas zogen mit ihren Kindern Else und Werner 1921 nach Grunewald. Artur war ein erfolgreicher Geschäftsmann, Irene war als Professorin für fremde Sprachen und Phonetis an der Hochschule für Musik in Charlottenburg tätig. Als Teilnehmer im Ersten Weltkrieg hatte Arthur Barasch das Eiserne Kreuz erhalten. Das Haus der Familie war ein kultureller Treffpunkt, die Baraschs luden Künstler ein und veranstalteten Konzerte. Nicht selten waren um die 100 Gäste in der Villa. 1933 wurde Irene Barasch-Haas entlassen. Else war bereits 1932 an das Oxford-College in England gegangen und reiste später weiter in die USA. Werner studierte seit 1934 in Rom. Als seine Mutter ihn 1938 dort besuchte, wurde sie vor der Rückreise nach Berlin gewarnt. Nach einem mehr als zweimonatigen Auslandsaufenthalt hätte sie in Deutschland das KZ erwartet. Arthur Barasch verkaufte seinen Besitz in der Wissmannstraße 11, um seine Familie zu unterstützen. Irene Barasch-Haas versuchte, zu Else in die USA zu kommen. Sie musste jedoch zwei Jahre lang auf Kuba warten, bevor sie ein Visum bekam. Werner ging erst in die Schweiz, und von da aus nach Frankreich. Er musste jedoch auch dort vor den Nazis fliehen und wurde mehrfach verhaftet. Schließlich kam er am 8. Mai 1945, an dem Tag, an dem Deutschland kapitulierte, in den USA an. Arthur Barasch war schon 1942 im KZ Sachsenhausen gestorben. Sein gesamtes Vermögen wurde beschlagnahmt. An ihn erinnert ein Stolperstein vor dem Haus Nummer 11.
Annegret Hansen, Vorsteherin der Bezirksverordnetenversammlung: „Auch, wenn die Jury sich nicht für einen Namen aus dem kolonialen Widerstand entschieden hat, freut es mich doch sehr, dass erneut an das vielfältige jüdische Leben und das Leiden der Menschen in Grunewald erinnert werden soll. Mit einer geplanten Stele an der neu benannten Straße soll aber auch an das Leid erinnert werden, dass Deutsche wie Hermann von Wissmann in den afrikanischen Kolonien über die Menschen gebracht haben.“
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