Erschienen in Gazette Schöneberg & Friedenau Juli 2021
Die Pressemitteilung der SPD-Fraktion Tempelhof-Schöneberg zum 20. Mai 2021 ließ großes erhoffen. Unter dem Titel „Ein Ende in Sicht – SPD-Fraktion begrüßt Baubeginn am Breslauer Platz“ erklärte da der stellvertretende Fraktionsvorsitzende und verkehrspolitische Sprecher der Fraktion, Oliver Fey:
„Gerade wir als SPD-Fraktion freuen uns sehr, dass der Breslauer Platz endlich zu einer Fußgängerzone wird. Wir haben über 10 Jahre für die Umsetzung des Projekts gekämpft. Die Fertigstellung des Breslauer Platzes ist aber auch ein großer Erfolg für die Bürgerinitiative Breslauer Platz, die sich gegen Widerstände mit großem ehrenamtlichem Engagement ebenfalls über viele Jahre sehr konstruktiv an den Planungen beteiligt hat und die stets ein guter Partner in der Zusammenarbeit war. Der Breslauer Platz ist das Herzstück Friedenaus, auf dem sich viele Menschen aufhalten. Die Aufenthaltsqualität wird sich durch die Einrichtung einer Fußgängerzone deutlich steigern.“ Und auch Grünen-Stadträtin Christiane Heiß hatte eingeladen, „die Einweihung des Breslauer Platzes als Fußgängerzone zu feiern“. Doch wer sich vor Ort ein Bild vom aktuellen Zustand des Breslauer Platzes macht und mit der Initiative Breslauer Platz e. V. ins Gespräch kommt, versteht, dass es für sie alles andere als Grund zum Feiern dieser mit ihren Worten „Pseudoeinweihung“ gibt: Vielmehr treibt die seit Jahren zunehmende Verwahrlosung und halbherzige Instandsetzung des Platzes vor dem Rathaus Friedenau der engagierten zwanzigköpfigen Bürgerinitiative Breslauer Platz Zornesröte anstatt Freudentränen ins Gesicht. Die Initiative aus Friedenauer Bürgern hatte sich 2011 gegründet, mit dem Ziel, sich in erster Linie für einen lebenswerten Bürgerplatz für Friedenau einzusetzen, und hat seitdem – unterstützt von der Bezirksverordnetenversammlung – intensiv für diese Umwandlung gekämpft. Langwierige Vertröstungen und immer wieder aufgeschobene oder fehlerhaft ausgeführte Instandsetzungsmaßnahmen rund um den Platz aber stellten und stellen die Geduld der Initiative-Mitglieder auf eine harte Probe.
Seit dem 20. Mai 2021 ist nun die Lauterstraße zwischen Niedstraße und Rheinstraße von einem verkehrsberuhigten Bereich in eine Fußgängerzone umgewandelt. Dieses Teilstück der Lauterstraße, das den Platz vom Gehweg trennt, ist seit der Umwandlung nur für Lieferverkehr am Montag, Dienstag und Freitag in der Zeit von 6 bis 10 Uhr und für den Marktbetrieb freigegeben, wobei notwendige Rettungs- und Entsorgungsfahrzeuge sowie Radfahrer die Fußgängerzone weiterhin passieren dürfen. Doch wenig Einladendes finden die Fußgänger entlang der Zone vor, die immer noch alles andere als gehobene Aufenthaltsqualität besitzt. „Und das, obwohl wir seit Jahren den verwahrlosten Zustand und die schadhafte Pflasterung des Breslauer Platzes angemahnt haben – vergebens“, kritisieren vom BI-Vorstand der Architekt Joachim Glässel und der Ingenieur Gregor Mann – beide von Anfang an ehrenamtlich aktiv in der Initiative Breslauer Platz – das über vier Jahre schleppende Umwandlungsverfahren. Mit folgender Begründung beteiligte sich die Bürgerinitiative dann auch nicht an der Einweihung des Platzes am 20. Mai: „Nach solch jahrelanger Verschleppung gab es an diesem Datum nichts zu feiern. Zumal die eigentlichen Bauarbeiten zur Fertigstellung des Abschnitts bis zur Schmargendorfer Straße jetzt erst noch anstehen. Zu feiern gibt es erst, wenn unser Platz einschließlich Schmargendorfer Straße endlich in Gänze als Fußgängerplatz mit allen noch fehlenden Gestaltungselementen baulich fertiggestellt worden ist.“
Verkehrsteilnehmer würden in der seit 20. Mai neuen Verkehrssituation durch einen verwirrenden Schilderwald geschickt, nicht angeglichene Ampelphasen erhöhten laut BI die Unfallgefahr außerdem. Um einer unberechtigten Durchfahrt der Fußgängerzone Einhalt zu gebieten und die Fußgänger zu schützen, griffen die engagierten Bürger zur Selbsthilfe und platzierten anstelle der fehlenden Schranke Scooter Roller als Barriere.
Sehr bestimmte Worte der BI bringen auch die schadhafte Pflasterung ins Gespräch, dank derer sich im vergangenen Sommer eine ältere Dame beide Arme brach. Wie Joachim Glässel erklärt, nicht zuletzt auch deshalb, weil man von Seiten des Bezirksamtes versäumt habe, rechtzeitig Regressansprüche für die fehlerhaft ausgeführte Pflasterung geltend zu machen. Darauf habe die Initiative Breslauer Platz e. V. bei Zeiten hingewiesen
Die Pflasterung wird zunehmend unebener und bleibt steter Stein des Anstoßes; Bänke, die die Initiative schon längst zu lackieren und pflegen angeboten hatte, und wofür bis heute Rücklauf und Freigabe durch die Stadträtin noch immer ausstehen, verwittern langsam vor sich hin und sind in ihrem inzwischen ungepflegten Erscheinungsbild alles andere als einladend – und selbst durch die Bürgerinitiative inzwischen wohl kaum noch zu retten.
Und auch sonst tat sich nicht viel von zuständiger Bezirksseite bei allem ehrenamtlichem Einsatz, den die Initiative immer wieder u. a. durch die zeitintensive Durchführung von Umfragen unter den Anwohnern und durch fachlich professionell ausgearbeitete Vorschläge zur Platzverschönerung investiert hatte. Vielmehr „bezaubern“ bis heute über Jahre beschmierte Poller und schiefstehende Pflanzkübel mit ihrem ungepflegtem Anblick. Anstatt des durch die Initiative gewünschten städtebaulich passenden Marktbrunnens an festgelegtem Standort wurde ein wenig nachhaltiger Trinkbrunnen vorgeschlagen, eines Rathausplatzes eher unwürdig.
Auch dieses Thema zaubert zusätzliche Falten auf die Stirn der Bürgerinitiative: So hatte der Berliner Senator für Kultur und Europa, Klaus Lederer, einen „Breslauer Zwerg“ von der polnischen Stadt Wroclaw verehrt bekommen. Der Zwerg geht auf den in den 80er-Jahren von der politischen Oppositionsbewegung in Breslau´s Altstadt als Kritik zum kommunistischen System Polens aufgestellten und inzwischen zur Touristenattraktion entwickelten, gusseisernen „Papa Zwerg“ zurück. Lederers bronzenes Exemplar soll nun – laut Vorschlag der Grünen an die BVV – zusammen mit zwei Schaukästen einen passenden Standort auf dem Breslauer Platz beziehen. Diesen Vorschlag, den Zwerg auf den Breslauer Platz in Verbindung mit zwei Erinnerungsstelen zu präsentieren, habe die Bürgerinitiative bereits vor längerer Zeit für den Bezirk ausgearbeitet, erklärt Joachim Glässel und sieht damit die Initiative Breslauer Platz e. V. als eigentlichen Ideengeber für den nun von den Grünen anvisierten Standort.
Auch dieses Thema zeigt einmal mehr, dass zwischen Bürgerinitiative und Bezirksamt in Sachen Breslauer Platz noch deutlicher Gesprächs- und Aufarbeitungsbedarf besteht – für einen lebenswerten und endlich fertiggestellten Bürgerplatz und damit mehr Lebensqualität der Friedenauer.
Weitere Informationen der Initiative Breslauer Platz e. V. unter www.breslauerplatz.de
Jacqueline Lorenz
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