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Zwei mutige Frauen aus Dahlem

Ihnestraße 51 – Haus des Friedens und Geheimbüro der Bekennenden Kirche

Charlotte Friedenthal und Maria Gerhard im Garten, ca. 1950. Foto: Privat
Charlotte Friedenthal und Maria Gerhard im Garten, ca. 1950. Foto: Privat
Erschienen in Zehlendorf Mitte Journal August/September 2021

Wer an dem Haus in der Ihnestraße 51 vorbeigeht, ahnt nicht, dass sich auch in diesem Haus in Dahlem „Geschichte“ abgespielt hat, zumindest ein Teil der Geschichte der Bekennenden Kirche, die ja eine starke Bastion in der Dahlemer Gemeinde hatte.

Im Zuge der Verhaftung von Martin Niemöller 1937 wurde auch das Büro der Kirchenleitung der Bekennenden Kirche (BK) im Rudeloffweg 11 von der Gestapo geschlossen. In dieser Situation bot Maria Gerhard der BK an, bei ihr Unterschlupf zu finden. „Ich hatte so ein nettes kleines Giebelzimmer in meinem Haus, und da sind sie dann eingezogen. Da haben sie dann gesessen und gearbeitet. Die ganzen Jahre sind sie da verschont geblieben... So kamen die Bekenntnispfarrer dann immer zu mir in die Ihnestraße 51.“

Tochter des Gemeindepfarrers

Wer war Maria Gerhard und warum unterstütze sie die Bekennende Kirche? Maria Gerhard (1897 – 1995) war die Tochter des früheren Gemeindepfarrers Wilhelm Gerhard (1860 – 1937). Sie war also schon „familiär“ mit der Gemeinde verbunden. Ihr Vater war stark deutsch-national geprägt, umso erstaunlicher ist es, wie stark Maria Gerhard sich aus diesen Prägungen hat befreien können und wie eigenständig und hilfsbereit sie gegenüber allen Menschen war. Sie hat das „Haus Gerhard“ geprägt, das zeitweise die zentrale Adresse der Bekennenden Kirche war und für Verfolgte und Untergetauchte ein Ort der Hilfe. Das Gästebuch des „Hauses Gerhard“ ist bis heute erhalten geblieben. Es zeigt die große Offenheit und Verbundenheit von Maria Gerhard innerhalb ihrer großen Familie aber auch mit vielen Freunden und mit der Bekennenden Kirche. Pfarrer Wilhelm Rott, der dort von 1937 bis 1943 wohnte und auch in der Kirchenleitung der Bekennende Kirche tätig war, schrieb bei einem Besuch 1949 in das Buch:

„Genau vor 10 Jahren erlebten wir in diesem gnädig bewahrten Haus des Friedens gemeinsam die Spannung, die zum Kriege führte. In diesen Tagen freuen wir uns mit Lotte [Friedenthal] und anderen lieben Menschen des geschenkten Lebens und der wiedergeschenkten Gemeinschaft. In großer Dankbarkeit scheidet der alte Hausgenosse (1937 – 43) Wilhelm Rott.“

Das Gästebuch wurde von dem Dahlemer Kunstmaler, Prof. Richard Holst, der später dort auch mehrfach wohnte, mit Zeichnungen versehen.

Durch die enge Verbindung zur BK lernte Maria Gerhard auch Charlotte Friedenthal (1892 – 1973) kennen, die als unersetzliche Hilfe für die Leitung der BK auch in der Ihnestraße 51 arbeitete und lebte und zu Maria Gerhard eine tiefe Freundschaft entwickelte. Charlotte Friedenthal war Sozialfürsorgerin in Breslau gewesen. Sie wurde dort von den Nazis als Jüdin aus dem Dienst entfernt und ist in Berlin über Marga Meusel in Kontakt zur BK ge-kommen, für die sie nach kurzer Zeit zu einer der engsten Vertrauten der Kirchenleitung der BK wurde.

Rettung verfolgter Juden

Charlotte Friedenthal überlebte, weil auch sie mit Hilfe der „Unternehmen Sieben“ des Amtes Canaris als „Agentin“ zusammen mit anderen Juden aus Berlin in die Schweiz geschleust wurde. Der Kontakt zur BK lief über Dietrich Bonhoeffer, der zu dieser Zeit im Amt Canaris arbeitete und zugleich der führende Theologe der BK war. Viele der Vorbereitungsarbeiten und Besprechungen für diese einzigartige Rettungsaktion fanden in der Ihnestraße 51 statt. Charlotte Friedenthal hat nach ihrer Rückkehr nach Berlin im Juli 1948 wieder in der Ihnestraße 51 gewohnt und für die Kirchliche Erziehungskammer für Berlin gearbeitet. Maria Gerhard ist im Rahmen der Ehrungsinitiative des Berliner Senats für die „Unbesungenen Helden“ 1965 geehrt worden. (UH Nr. 1151).]

Gedenkveranstaltung Ende September

An diese beiden mutigen Frauen und an das von ihnen geprägte Haus in der Ihnestraße 51 soll mit einer Veranstaltung am Donnerstag, dem 30.09.2021 um 19 Uhr im Martin-Niemöller-Haus in der Pacelliallee 61 erinnert werden. Die Veranstaltung wird auch im Internet zu verfolgen sein. Weitere Informationen auf der Seite des Martin-Niemöller-Hauses www.niemoeller-haus-berlin.de

Dirk Jordan

Titelbild

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