Erschienen in Wannsee Journal August/September 2021
Der Fischersche Beweis zur Strukturaufklärung von Zucker ist wohl nur Wissenschaftlern bekannt. Er stammt von einem Mann, der im allgemeinen Gedächtnis zu Unrecht vergessen wurde. Emil Fischer (1852 – 1919) widmete sein Leben der Chemie.
Der in Euskirchen geborene Emil Fischer begann nach einem hervorragenden Abitur und einer abgebrochenen Kaufmannslehre Chemie zu studieren. Schon während seiner Studienzeit fielen die analytischen Stärken des Studenten auf. Die Karriere begann früh – nach dem Studium in Bonn, Straßburg und München – dort legte er seine Habilitation ab – erfolgte der Ruf zum Professor für analytische Chemie. Zunächst lehrte er in München, dann folgten Erlangen, Würzburg und im Jahr 1892 schließlich Berlin.
Sein Umzug nach Berlin hatte er an eine Bedingung geknüpft – hier sollte ein neues, den zu jener Zeit aktuellen Arbeitsbedingungen entsprechendes, Institut erbaut werden. Dieses Institut an der Hessischen Straße wurde „an Mannigfaltigkeit und Reichhaltigkeit der Arbeitsmittel von keinem ähnlichen Institut der Welt übertroffen“, wie Fischer in seiner Festansprache zur Einweihung sagte. Hier leisteten Emil Fischer und seine Mitarbeiter wesentliche Forschungsbeiträge auf dem Gebiet der Aminosäuren, Peptide und natürlicher Gerbstoffe. 1902 erlebte Emil Fischer den Höhepunkt seiner Karriere – für seine außerordentlichen Verdienste auf dem Gebiet der Zucker- und Purin-Gruppen wurde ihm der Nobelpreis für Chemie verliehen. Er war der erste deutsche Chemiker, dem dieser Preis zuteil wurde.
Im Privatleben ereilten Emil Fischer mehrere schwere Schicksalsschläge. Seine Frau Agnes, mit der er drei Söhne hatte, starb im November 1895 an einer Meningitis, die wohl Folge einer unbehandelten Sinusitis war. Sein zweitgeborener Sohn Walter, der an einer manisch-depressiven Erkrankung litt, nahm sich 1916 das Leben und der jüngste Sohn Alfred starb während seiner Ausbildung zum Arzt im Jahr 1917 an Fleckfieber. Er hätte sich bei seiner Arbeit in einem Lazarett angesteckt. Als der Erste Weltkrieg ausbrach, zählte Emil Fischer noch zu den Unterstützern des Einmarschs in Belgien. Er unterzeichnete ein Manifest, das den Einmarsch rechtfertigte. Gemeinsam mit anderen Forschern wurde Fischer zur Entwicklung von chemischen Kampfstoffen hinzugezogen. Die Versuche mit wasserfreier Blausäure überzeugten jedoch nicht. Sein Kollege Fritz Haber – der 1918 den Nobelpreis für Chemie verliehen bekam – hatte sich mit dem Einsatz von Chlorgas in der zweiten Flandernschlacht durchgesetzt. Gegen Kriegsende bereute Emil Fischer seine Unterstützung des Manifestes und lehnte Krieg ab.
Emil Fischer gehörte zu den Gründern der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften. Das Institut wurde in Dahlem, einem Ort „10 Kilometer von Berlin entfernt, mit 4000 Einwohnern“ angesiedelt. 1948 wurde die Max-Planck-Gesellschaft Nachfolger der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft. Zu ihr gehören mittlerweile 86 Forschungsinstitute und -einrichtungen, die über ganz Deutschland verteilt sind. Auf dem Gelände des Max-Planck-Instituts in Dahlem und auf dem Robert-Koch-Platz in Mitte steht ein Denkmal von Emil Fischer.
Erholung fand Emil Fischer in seiner Villa in der Moltkestraße 24 in Wannsee – heute Hugo-Vogel-Straße 24/25. Anfangs hatte die Familie dicht am Ufer des Wannsees gewohnt, doch nachdem Alfred dort mehrere fiebrige Erkrankungen bekam, zogen sie „auf den Berg“. Dort verlebte Emil Fischer auch seine letzten Tage. Nachdem bei ihm Darmkrebs diagnostiziert wurde, nahm er sich mit Zyankali das Leben. Er wurde auf dem Friedhof Wannsee in der Lindenstraße beerdigt, sein Grab ist ein Ehrengrab der Stadt Berlin. Nach ihm wurde die Emil-Fischer-Straße benannt, die zwischen der Bergstraße und der Straße zum Löwen verläuft und an seinem früheren Institut in der Hessischen Straße erinnert eine Gedenktafel an ihn.
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