Erschienen in Zehlendorf Mitte Journal August/September 2021
Rennen auf der AVUS! Ein Berliner Großereignis für alle, die Benzin im Blut hatten. Das erste Rennen startete am 23. September 1921 – nur fünf Tage vorher hatte man den Bau der AVUS abgeschlossen. Die Idee stammte bereits aus dem Jahr 1909. Der technikbegeisterte Kaiser Wilhelm II. gab den Anstoß zu dem Bau. Nachdem deutsche Rennfahrer ihren englischen und französischen Konkurrenten hinterher fuhren, wurde eine Trainingsstrecke gebraucht. Finanziert wurde die Straße von wohlhabenden Berliner Automobilbesitzern die sich zur Automobil-Verkehrs- und Übungsstraße GmbH zusammenschlossen. Die neue Strecke, auf der Pferdefuhrwerke, Fahrräder und Fußgänger nichts zu suchen hatten, verlief entlang der Wetzlarer Bahn zwischen Charlottenburg und Nikolassee. Der Erste Weltkrieg sorgte dafür, dass der Bau zum Erliegen kam. In den Nachkriegsjahren demontierte die notleidende Bevölkerung alles, was sich verkaufen oder anderweitig verwerten ließ.
Erst 1921 konnte der Bau dank der Investitionen des Industriellen Hugo Stinnes vollendet werden. Die AVUS war noch eine reine Renn- und Versuchsstrecke. Doch auch Privatleute konnten sie nutzen, sie mussten eine Gebühr von zehn Mark zahlen. Am 23. September 1921 senkte sich erstmals die Startflagge auf dem Kurs, durch den Grunewald. Sieger des ersten Rennens war Fritz von Opel, der mit 128,84 km/h so natürlich auch den ersten Streckenrekord erzielte. Obwohl schon die erste Rennveranstaltung ein Publikumsmagnet war, kam der Sport auf der Strecke aufgrund der Inflation nur schleppend in Gang. Auf der AVUS wurden nur kleine, unbedeutende Rennen gefahren. Das nächste große Ereignis war der Große Preis von Deutschland am 11. Juli 1926. Es war die Stunde von Rudolf Caracciola, der am Start erst den Motor abwürgte und nach einer spektakulären Aufholjagd mit seinem Mercedes-Benz siegte. Der zweite Fahrer seines Teams erlebte hingegen einen schwarzen Tag. Sein Wagen kam ins Schleudern und zerstörte ein Zeitnehmerhäuschen. Dabei starben drei Menschen. Nach diesem Unfall wurde der Große Preis von Deutschland auf den 1927 eröffneten Nürburgring verlegt.
Dennoch wurden auf der AVUS weiterhin Rennen gefahren und Rekorde aufgestellt – besonders spektakulär war hierbei wiederum Fritz von Opel mit seinem Opel RAK 2, einem raketengetriebenen Fahrzeug. Er erreichte im Jahr 1928 die Spitzengeschwindigkeit von 230 km/h. Allerdings fuhr er kein Rennen gegen andere Fahrzeuge, sondern war mit dem sehr speziellen Fahrzeug allein auf der Straße. 1937 ersetzte man die alte, flache Nordkurve durch ein neues Bauwerk mit einem geringeren Radius: Die berühmt-berüchtigte steile neue Nordkurve mit 46,6° sollte die Strecke noch schneller machen und der Plan ging auf. Die Tribüne an der Rennstrecke folgte. Weitere Geschwindigkeitsrekorde kamen hinzu, ein Silberpfeil von Mercedes erreichte die Durchschnittsgeschwindigkeit von 260 Stundenkilometern. In den 1930er-Jahren wurde auch die Südkurve geplant, die aber nie gebaut wurde. Der Zweite Weltkrieg verhinderte den Baubeginn und nach Kriegsende nutzten die Alliierten die bereits aufgeschütteten Erdwälle als Schießplatz.
Doch die AVUS diente nicht nur der Weiterentwicklung der Fahrzeuge und Motoren. Auch der Straßenbelag auf der Strecke wurde ständig verbessert. Anfangs bildeten sich bis zu zehn Zentimeter hohe Bodenwellen. Durch Versuche mit anderen Bodenbelägen lieferte die AVUS weitreichende Erkenntnisse für den künftigen Bau von Straßen. Im Jahr 1939 erfolgte der Verkauf der AVUS, die sich bis dato noch in Privatbesitz befand. Käufer war das Deutsche Reich und die AVUS wurde nun zu einem Stück der Reichsautobahn. Der Zweite Weltkrieg folgte und mit ihm starke Beschädigungen der Straße. Nach Kriegsende beseitigte man diese und 1951 startete das erste Nachkriegsrennen. Die Nordkurve erwies sich in den folgenden Jahren mehr und mehr als schwierig und sogar tödlich. 1954 klagten Fahrer über Bodenwellen. Seit 1956 kam es immer an der gleichen Stelle an der Nordkurve zu folgenschweren Unfällen. So geriet Richard von Frankenbergs Fahrzeug über den Kurvenwulst, der Fahrer wurde schwer verletzt, ein weiterer Fahrer geriet ins Schleudern. Dennoch fand am 1. August 1959 erneut ein Großer Preis von Deutschland auf der AVUS statt. Mit dem Rennen in der geteilten Stadt sollte ein Zeichen gesetzt werden. Das Formel-1-Rennen nahm jedoch einen tragischen Verlauf. Der Franzose Jean Behra starb, als sein Porsche auf der Nordkurve ins Schleudern kam und an einem Betonklotz – dem Sockel eines früheren Luftabwehrgeschützes – zerschmetterte. Nach diesem tödlichen Unfall gab es in den nächsten drei Jahren keine Rennen mehr auf der AVUS. Anschließend starteten auf der Traditionsstrecke nur noch schwächer motorisierte Fahrzeuge. Steilkurven in Autorennen galten mittlerweile auch als überholt und so wurde die berüchtigte Nordkurve 1967 abgetragen. Noch bis zum Jahr 1998 fanden Rennen mit Tourenwagen auf der AVUS statt. Mittlerweile ist der Rennsport auf der Strecke Geschichte, da Sperrungen immer problematischer wurden und Rennen in der Stadt auch nicht mehr zeitgemäß waren. Der Nachfolger für den Rennsport sollte der Lausitzring werden.
Der PS.SPEICHER im niedersächsischen Einbeck zeigt ab dem 12. September die Sonderausstellung „Ein rasantes Jahrhundert“ mit originalen Fahrzeugen an die Rennstrecke und Verkehrsstraße „AVUS“. „Die AVUS ist nicht nur Berliner Historie, sie ist auch deutsches Kulturgut und genießt einen weltweiten Ruf. Wir präsentieren eine einmalige Auswahl an Exponaten, die in dieser Form noch nie gemeinsam zu sehen waren“, verspricht Ausstellungsleiter Sascha Fillies. Zudem informiert die Ausstellung über Details dieses Sinnbilds automobiler Geschichte und erinnert an unzählige Anekdoten.
Warum die Wahl auf Einbeck fiel, erklärt AVUS100-Initiator Ulf Schulz: „Mit dem PS.SPEICHER konnte ich einen Partner gewinnen, der es versteht, den Besuchern legendäre Geschichten mit Herz und Hand sowie einem guten Gespür für Ausstellungsästhetik näherzubringen. Zwar liegt der PS.SPEICHER nicht in der Hauptstadt, dafür aber zentral, mitten in Deutschland.“
Pünktlich im September erscheint das gleichnamige Buch „Ein rasantes Jahrhundert” von Ulf Schulz. Das Werk entstand in Zusammenarbeit mit Co-Autor Sven Wedemeyer und erscheint im Prestel-Verlag. Zusätzlich ist am 24. September ein Publikumsevent geplant. Ferner arbeitet der Fernsehsender arte an einer Dokumentation und die Deutsche Post bringt eine Sonderbriefmarke zum 100. Geburtstag auf dem Markt. Das Hörspiel „Leo und die Abenteuermaschine“ rundet die AVUS100-Aktivitäten ab. In der Folge bringen die Akteure den Kindern die Erfindung des Autos und die AVUS als Rennstrecke in Berlin näher.
Weitere Informationen unter www.ps-speicher.de und unter www.avus100.de .
© Gazette Verbrauchermagazin GmbH 2023