Gazette Verbrauchermagazin

Welche größten Baustellen hinterlässt uns das Bezirksamt für die kommende Wahlperiode?

Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) diskutiert

Erschienen in Gazette Charlottenburg und Wilmersdorf September 2021

Am 26. September wird gewählt. Die Bürger stimmen auch über die Bezirksverordnetenversammlung von Charlottenburg-Wilmersdorf ab. Lesen Sie, wie die BVV-Fraktionen die Politik der vergangenen Wahlperiode einschätzen.

SPD-Fraktion

Kommunalpolitik ist oftmals ein langer Prozess. Für die nächste Wahlperiode bleiben damit einige Themen, die bisher nicht abgeschlossen werden konnten. Dazu zählt z. B. die Ausweitung von Milieuschutzgebieten auch in Wilmersdorf und der Bau von preisgebundenen Wohnungen. Hier müssen wir als Bezirk besser werden – genauso wie beim Thema Radwegeausbau. Beim Schoeler-Schlösschen und bei den Jungfernheidebühnen haben wir wichtige Hürden auf dem Weg zur Sanierung und Wiederinbetriebnahme genommen. Beim ersten wollen wir nun, dass die Arbeiten abgeschlossen werden und alle das Programm in Zukunft mitentscheiden. Beim zweiten warten wir auf Gutachten und die Umsetzung. Die Schulsanierung ist gut vorangekommen, wir sind berlinweit spitze. Mit mehr Mitteln wären wir sogar noch schneller. Beim Thema Schulwegsicherheit sind wir einen ersten großen Schritt vorangekommen, indem wir im Haushalt Geld für umfangreiche Gutachten bereitgestellt haben. In der kommenden Wahlperiode müssen diese nun konsequent umgesetzt werden. Auch bei der Personalsituation im Bezirk wurden Verbesserungen erreicht: Es gibt mehr Zu- als Abgänge. Das muss nun durch eine Stärkung des Bewerbungsbüros und Erhöhungen der Ausbildungszahlen unterstützt werden.

Alexander Sempf

CDU-Fraktion

In einigen Abteilungen fünf verschenkte Jahre. Die Corona-Pandemie hinterlässt ihre wirtschaftlichen Spuren und das Bezirksamt sucht bis heute nicht den Dialog mit den betroffenen Unternehmen und Einzelhändlern im Bezirk. Entschieden wird vom grünen Tisch aus; die Sorgen, Nöte, aber auch die Ideen der Betroffenen in den Geschäftsstraßen bleiben ungehört. Auch bildungspolitisch wurde in den vergangenen fünf Jahren viel erzählt und nichts erreicht. Ein Bekenntnis zu den Europaschulen – Fehlanzeige. Und immer noch fehlt es an ausreichenden Kita- und Schulplätzen. Die soziale Infrastruktur ist und bleibt eine ebenso katastrophale Baustelle, wie das nicht vorhandene Radwegenetz, um unseren Bezirk für die Menschen lebenswerter zu machen. Kulturschaffende haben es in diesem Bezirk nicht leicht. So ist das Konzept des Globe Theaters bis heute nur eine Interimslösung, es fehlt an Verbindlichkeiten der Verwaltung. An Bauvorhaben wie Reemtsma-Gelände und Spreeufer zeigt sich zudem, dass es innerhalb des Bezirksamtes kein Zusammenspiel zwischen den einzelnen Abteilungen gibt. Es fehlt an Ideen und Gestaltungswillen. Rot-Grün ist ein Auslaufmodell.

Judith Stückler

B‘90/Grünen-Fraktion

Der Knackpunkt im Bezirksamt bleibt die Personalpolitik. Beste Absichten nützen nichts, wenn niemand da ist, der sie umsetzt. Viel zu lange hat der Bezirk seine Beschäftigten vernachlässigt. Was jetzt in Ansätzen – zu wenig, zu spät – zu sehen ist, wird Jahre brauchen bis es Wirkung zeigt.

Währenddessen geht der grüne Stadtrat mit neun Milieuschutzgebieten konsequent gegen die Verdrängung von Mieter*innen vor – bei wütendem Protest von FDP bis AfD. Das zweite wichtige Schutzinstrument, das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum, wird unter CDU-Verantwortung nicht in gleichem Maße durchgesetzt. Der Bezirk darf keine Chance für effektiven Mieter*innenschutz auslassen, er kann sich keine Vollzugsdefizite leisten.

Mit den Grünen hat die Verkehrswende auch bei uns im Bezirk begonnen. Beispiele wie der Pop-up-Radweg Kantstraße oder die Beruhigung am Karl-August-Platz zeigen aber auch, wie zäh Konservative Auto-Privilegien verteidigen. Bei diesem Kulturwandel werden progressive Mehrheiten noch viele Widerstände überwinden müssen.

Nicht zuletzt schadet der Bezirksverordnetenversammlung auch etwas Selbstkritik nicht: Kontrolle und politische Initiative setzen effizientes Arbeiten und zielführende Debatten voraus. Da geht auf jeden Fall noch mehr.

Christoph Wapler

FDP-Fraktion

Viele Probleme, denen wir uns seit Anfang der Wahlperiode gewidmet haben, sind weiterhin ungelöst. Milieuschutzgebiete oder der verfassungswidrig eingeführte Mietendeckel haben den Wohnungsmarkt nicht entspannt. Der Wohnungsnot muss endlich mit geeigneten Mitteln, wie der Bebauung von Brachflächen z. B. am Westkreuz, dem Aus- und Aufbau von Dachgeschossen und Supermärkten oder der Überbauung der A 100 entgegengewirkt werden. Im Bereich Verkehr wurde der PKW zum Feindbild, Pop-up-Radwege wie in der Kantstraße – ohne Bürgerbeteiligung und zu Lasten Anderer – zum neuen Maßstab. Hier braucht es mehr Ausgewogenheit: Das Auto sollte nicht verbannt, sondern der Verkehr mit guten Konzepten – wie Quartiersgaragen und P&R-Plätzen – entlastet, der Fuß- und Radverkehr durch bauliche Maßnahmen gestärkt werden. Und Verwaltung und Schulen sind nach wie vor nicht auf dem Stand heutiger digitaler Möglichkeiten. Verwaltungsintern führt dies zu erschwerten Arbeitsabläufen, die Mitarbeitern und Bürgern wertvolle Zeit rauben. Bezirkliche und schulische Verwaltungsvorgänge müssen vollständig digitalisiert und unsere Kinder befähigt werden, die Herausforderungen der Zukunft zu meistern.

Felix Recke und Johannes Heyne

AfD-Fraktion

Viele Probleme sind ungelöst:

Wohnen: Das Bezirksamt darf Neubau nicht verhindern (Westkreuz) und durch immer weitere Milieuschutzgebiete Modernisierungen blockieren. Der Bau von Hochhäusern darf nicht aus ideologischen Gründen vereitelt werden, sonst entspannt sich der Wohnungsmarkt nie.

Personalpolitik: Eine Pensionierungs- und Verrentungswelle steht bevor. Durch Herabgruppierung von frei werdenden Stellen, unzureichende Digitalisierung der Arbeitsplätze und die ideologisch gewollte Einstellung oftmals minderqualifizierter Migranten wird das Bezirksamt für qualifizierte Arbeitnehmer unattraktiv. Zum Schaden der Bürger.

Mobilität/Verkehr: Wie geht’s weiter mit Ku‘damm, Wilmersdorfer- und Kantstraße? Noch mehr Gängelung der Autofahrer?

Kinder/Schule: Kita-Angebot ist zu gering, Elternwünsche bei der Schulwahl werden oft nicht erfüllt.

Umweltpolitik: Der „Klimanotstand“ darf Bürger nicht bevormunden.

Demokratieverständnis: Vor Linksextremismus und politischem Islam verschließt das Bezirksamt die Augen. Dafür Vergewaltigung der Sprache durch Gendern.

Am 27. September besteht die Chance, eine anders zusammengesetzte BVV zu wählen und damit ein neues Bezirksamt.

Die AfD-Fraktion bleibt wachsam und kritisch – für die Bürger unseres Bezirks.

Michael Seyfert

Linksfraktion

Bezahlbar wohnen: das SPD-Grüne-CDU-Bezirksamt hat zu wenig für den Mieter:innenschutz getan. Seit 2016 wurde keine einzige Sozialwohnung im Bezirk gebaut – obwohl die Hälfte der Bewohner:innen einen Anspruch hat. Unsere Lösung: private Unternehmen müssen bei Bauprojekten 50 % Sozialwohnungen bauen. Wir wollen den ganzen Bezirk unter Milieuschutz stellen. Wohnungen sollten nicht in der Hand von Spekulant:innen liegen: Deutsche Wohnen & Co enteignen.

Mobilitätswende: Der Verkehr ist bei uns im Bezirk kaum ökologischer oder sicherer geworden. Jetzt: Nahverkehr ausbauen und günstiger machen, überall sichere Radwege und Querungsmöglichkeiten für Fußgänger:innen schaffen. Die Stadt muss weniger auto- und dafür menschengerechter werden. Gefährliche Straßen (z. B. Kaiser-Friedrich-Straße oder Havelchaussee) brauchen sofort (!) einen geschützten Radweg.

Investieren: wir lehnen jeden Sparzwang ab. Stattdessen sind wir die soziale Versicherung dafür, dass auch künftig genug Geld für mehr Personal, eine bessere Beteiligung, eine digitale und zügige Verwaltung, Jugendfreizeitheime oder Kultureinrichtungen da ist.

Wie wir das schaffen? Mit Euch machen wir das.

Niklas Schenker

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