Erschienen in Gazette Charlottenburg September 2021
Zehn Jahre war Reinhard Naumann (SPD) vom Rathaus Charlottenburg aus als Chef des Bezirksamtes unterwegs. Als Bezirksbürgermeister von Charlottenburg-Wilmersdorf und Leiter der Abteilung Personal und Finanzen (seit 2016 zusätzlich Leiter der Wirtschaftsförderung) hat er dabei die Menschen in seinem Bezirk und ihre Vielfalt hin zu einer „Creative World“ vor der eigenen Haustür im Blick behalten und sich für die gelebte gesellschaftliche Solidarität mit ganzem Herzen eingesetzt. „Ich bin ein Menschenfreund, suche sehr gerne den persönlichen Kontakt und die Bürgernähe. Indem ich mir die Sorgen und Nöte meiner Mitmenschen anhöre und sie mitnehme, bringe ich ihnen meine Wertschätzung entgegen“, betont Reinhard Naumann und bewirbt sich nun mit dieser Grundüberzeugung bei der Wahl am 26. September als Direktkandidat für das Abgeordnetenhaus in Charlottenburg-Wilmersdorf, Wahlkreis 4 anstatt um eine weitere Kandidatur für das Bürgermeisteramt. „Eine Herausforderung, für die noch viel Energie in meinen Batterien steckt, auch um meinen Horizont zu erweitern. Diese Herausforderung will ich nun auf höherer politischer Ebene für ein starkes Demokratiebewusstsein in der Gesellschaft, für Vielfalt und DIversität annehmen“, erklärt der waschechte Berliner, der als Bezirksbürgermeister häufig eine 80-Stunden Woche hat und sich – wenn es die Zeit erlaubt – gerne zum Durchatmen in sein Ferienhaus nach Halland an die schwedische Westküste zurückzieht.
1960 ist Pfarrerssohn Reinhard Naumann in Zehlendorf zur Welt gekommen und wuchs ab 1963 in Charlottenburg auf. Am Schiller-Gymnasium machte er 1979 Abitur und wurde noch im selben Jahr Mitglied der SPD. Im Nachbarbezirk an der Freien Universität Berlin studierte er Jura mit Schwerpunkt Staats- und Verwaltungsrecht. Die Karriereleiter ging es für den weltoffenen Charlottenburger nun Stufe für Stufe empor: Wichtige Stationen seiner Laufbahn wurden 1989 die Wahl in die BVV, der Landesvorsitz der SCHWUSOS, der SPD-Fraktionsvorsitz, die stellvertretende Referatsleitung am Landesamt für Zentrale Soziale Aufgaben, die Gruppenleitung in der Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales und Frauen und schließlich 2001 das Amt des Bezirksstadtrates für Jugend, Familie, Schule und Sport. Die daraus resultierenden Erfahrungen lieferten Reinhard Naumann stabiles Rüstzeug für die folgende über zehnjährige Amtszeit als Bezirksbürgermeister von Charlottenburg-Wilmersdorf.
Dass sich in dieser Zeit das Bezirksamt von Charlottenburg-Wilmersdorf zu einem beispielhaften Verwaltungsbetrieb entwickeln konnte, ist zu einem Großteil seinem nun scheidenden Bürgermeister zu verdanken, der dort deutliche Spuren hinterlässt. So hat er sich beispielsweise, als der Personalstopp viele Bezirksämter an die Grenze des Machbaren brachte, erfolgreich für mehr Personal eingesetzt: Die Zahl der 2.000 Beschäftigten in der Bezirksverwaltung erhöhte sich unter Naumanns Personalmarketing auf aktuell 2.170 Beschäftigte, auch wenn Corona zwischenzeitlich einen weiteren Personalausbau behinderte. „Bürgeramt, Schulamt oder auch Gesundheitsamt prägen das öffentliche Erscheinungsbild des Bezirkes maßgeblich mit“, weiß der noch bis zur Amtsübernahme seiner Nachfolger amtierende Bezirksbürgermeister und setzt damit auf eine positive Wirkung beim Publikum. Auch die Zahl digital sicherer Arbeitsplätze in der Verwaltung wurde unter seiner Leitung von 200 auf 700 erhöht. Ein wichtiges weiteres Moment für den Erfolg einer funktionierenden Verwaltung ist die Altersstruktur der Beschäftigten und die Nachfrage nach Ausbildungsplätzen. So arbeiten junge Menschen heute, um zu leben, und nicht umgekehrt. Dieser bundesweite Prozess verlange ein Umdenken in der Verwaltung, wie Naumann betont. So spricht auch er sich für den „familienfreundlichen Betrieb“ aus, zu dem sich die Verwaltung entwickeln muss, um junge Kräfte für die Arbeit in ihr begeistern zu können. Dazu gehöre im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf, in dem immerhin 40 Prozent der Bewohner Migrationshintergrund haben, auch die interkulturelle Öffnung der Verwaltung, um ein stimmiges Bezirksbild zu erreichen. „Vieler Mosaiksteinchen bedarf es dazu“, erklärt der Bezirksbürgermeister. Ein strahlender Mosaikstein mehr dabei ist die von Naumann initiierte Kampagne „Creative Work“. Sie wendet sich an Nachwuchskräfte und Auszubildende für das Bezirksamt, das spannende Einstiegs- und Aufstiegsmöglichkeiten sowie Weiterbildung in über 50 Berufsbildern offeriert. Und auf noch etwas ist der scheidende Bezirksbürgermeister stolz, das ihm besonders am Herzen liegt: Das Integrationsbüro des Bezirks konnte er von 1 ½ Stellen auf 8 Stellen erweitern.
Kultur, Sport, Migration und Integration, interreligiöser Austausch und Geschlechterdiversität – Themen, denen sich der Sozialdemokrat seit frühester Jugend widmet und die er fest verbunden mit Toleranz und Gleichberechtigung sieht und auch nach seinem Perspektivwechsel fest im Auge behalten will. Diese Bereiche sind es, die einen aktiven städtepartnerschaftlichen Austausch im Bezirk hervorgebracht haben, an dem sich Naumann als amtierender Bezirksbürgermeister mit der ihm eigenen Neugier und Menschenfreundlichkeit beteiligt hat – und dies fortsetzen will, wenn er seine kommunalpolitische Erfahrung künftig in die Landespolitik einbringt. Mit Europäischen Partnerstädten und -landkreisen von Trento in Italien über den Landkreis Kulmbach, mit dessen Delegation im Bezirk gerade gemeinsam die 30-jährige Partnerschaft gefeiert werden konnte, bis hin zu Split in Kroatien und zu den beiden israelischen Städten Or-Jehuda und Karmiel pflegt der Bezirk zahlreiche lebendige Partnerschaften. Besondere Herzensangelegenheit für Naumann sind die deutsch-israelischen Beziehungen: Auf ein für ihn großes Vorbild, dessen Gedenkstele gleich gegenüber vom Rathaus Charlottenburg steht, blickt er – noch vom derzeitigen Amtssitz aus – gerne hinüber: Dr. Magnus Hirschfeld war die zentrale Figur der ersten deutschen Homosexuellenbewegung und begann 1897 mit dem Aufbau des Wissenschaftlich-Humanitären Komitees (WHK), welches sich für die Rechte homosexueller Menschen einsetze. Zeit seines Lebens war Hirschfeld als jüdischer Sozialdemokrat politisch engagiert und kämpfte für die Abschaffung des Paragraphen 175, der homosexuelle Handlungen unter Männern unter Strafe stellte. Von den Nationalsozialisten wurde er verfolgt und starb 1935 im Exil in Nizza. Die Regenbogenfahne hisst Reinhard Naumann heute regelmäßig in stolzem Gedenken an ihn und ebenso überzeugt mit Blick auf die heutigen Herausforderungen angesichts von Homo- und Transphobie – sowie für seinen Mann und sich selbst.
Reinhard Naumann, der sich als evangelischer Christ intensiv gegen Antisemitismus und Hasspropaganda einsetzt, wird auch nach seiner Amtszeit im Charlottenburger Rathaus in der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Berlin e. V. aktiv im Vorstand tätig bleiben – und befindet sich damit als ehemaliger Bürgermeister in passendem Umfeld, gehört doch schließlich auch der ehemalige Bezirksbürgermeister von Steglitz-Zehlendorf, Norbert Kopp (CDU), mit dazu.
Hinhören, Zuhören, den Dialog suchen: Tugenden, die Reinhard Naumann vom Elternhaus mitbekommen und schon früh verinnerlicht hat. So findet man ihn als Bezirksbürgermeister oft dicht am Volk und mit ihm in lockerem Gespräch, wobei er den echten Berliner Jungen in sich nie versteckt, sondern wohltuend zu Wort kommen lässt, entkrampft auf Augenhöhe mit seinem Gegenüber.
Selbst sportlich-elegant mit Mut zur Farbe, sind auch Naumanns Reden alles andere als farblos und humorvoll abgerundet, wenn das Thema es zulässt.
Den Menschen zu Wort kommen lassen, ihm zuhören und seine Anliegen mitnehmen will Reinhard Naumann auch nach über 30 Jahren in der Kommunalpolitik, will sich weiterentwickeln und dabei Parteikollegen wie Michael Müller und Franziska Giffey auf ihrem politischen Weg unterstützen. Und es ist ihm wichtig, mit seinen kommenden Aufgaben das Demokratieempfinden in der Gesellschaft zu festigen. „Denn wir neigen dazu, die Demokratie als selbstverständlich anzusehen und zu vergessen, wie viele Menschen auf der Welt im Kampf für sie sterben. Eine zeitgemäße Demokratie mit Zukunft braucht Menschen mit Haltung“, erklärt Sozialdemokrat Naumann und lässt keinen Zweifel daran, dass er auch in der Landespolitik darauf hinarbeiten will.
Jacqueline Lorenz
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