Gazette Verbrauchermagazin

Ist der demokratische Umgang in der BVV verbesserungsbedürftig?

Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) diskutiert

Erschienen in Gazette Charlottenburg und Wilmersdorf Oktober 2021

Wie soll die politische Auseinandersetzung in der BVV geführt werden? In den folgenden Beiträgen nehmen die Fraktionen der BVV zu dem Thema Stellung.

SPD-Fraktion

Zu jeder Zeit sind in der politischen Auseinandersetzung in der BVV, in den Ausschüssen und Gremien sowie zwischen den Fraktionen Regeln unverzichtbar. Diese gibt es sowohl in geschriebener und ungeschriebener Form. Ihre Aufgabe ist es, eine verbindliche und allseits akzeptierte Grundlage für den möglichst reibungslosen Ablauf der kommunalpolitischen Arbeit und ein kollegiales Miteinander zu bieten. Natürlich müssen solche Regeln dabei stetig weiterentwickelt, verbessert und an neue Gegebenheiten angepasst werden. Ein guter demokratischer Umgang ist dabei auch, Entscheidungen der Mehrheit zu akzeptieren, auch wenn man sie selbst nicht teilt.

Die Diskussion eignet sich hier allerdings nicht, denn es sollte an dieser Stelle über Themen, die die Menschen in unserem Bezirk betreffen, diskutiert werden. Und nicht über den Versuch einer Fraktion mit solch einer Fragestellung Aufmerksamkeit zu erregen – insbesondere, da die fragestellende Fraktion häufiger mit Provokation statt mit inhaltlichen Argumenten aufgefallen ist.

Alexander Sempf

CDU-Fraktion

Es gibt mit Sicherheit keinen von Menschen gestalteten Lebensbereich, der nicht noch verbessert werden kann. Das demokratische Verhalten muss immer wieder reflektiert und auch daran gearbeitet werden. Zu einer Demokratie gehört, dass jeder seine Meinung äußern darf. Von diesem demokratischen Recht Gebrauch zu machen, verpflichtet aber auch, dabei andere Menschen nicht zu diffamieren, herabzusetzen oder bewusst zu verletzen. Demokratischer Umgang verlangt, andere Meinungen zu hören und zu respektieren, solange die Menschenwürde geachtet wird. Eine mit Mehrheit gefasste Entscheidung muss nicht geteilt werden, sie kann in respektvoller Weise kritisiert werden, dennoch muss sie respektiert werden. Umgekehrt muss mit einer demokratisch erlangten Mehrheit verantwortungsbewusst umgegangen werden. Demokratische Mehrheit heißt nicht, rücksichtslos die eigene Meinung und die eigenen Entscheidungen durchzusetzen, sondern verlangt immer das Gespräch, das Hinterfragen der Entscheidungen und die Anhörung / Beteiligung der anderen. Ob insbesondere der respektvolle Umgang und das Respektieren einer anderen Meinung in der Bezirksverordnetenversammlung immer gegeben sind, mag jeder für sich selbst beurteilen.

Susanne Klose

B‘90/Grünen-Fraktion

Der demokratische Umgang in der BVV ist in der Tat verbesserungswürdig. Spätestens seit der Aufkündigung des informellen Konsenses seitens der AfD, werden sämtliche BVV Sitzungen unnötigerweise behindert und im Ablauf gestört. Sie setzen das Verfahren aus, bei dem Beschlussempfehlungen aus den Ausschüssen, die dort ohne Gegenstimme verabschiedet wurden, im Ältestenrat durch alle Fraktionen auf die sogenannte Konsensliste gesetzt werden. Diese wird einmal in der BVV abgestimmt. Damit werden alle unstrittigen Empfehlungen beschieden. Aktuell jedoch erzwingt die AfD einzelne Abstimmungen über jeden Antrag, obwohl sie inhaltlich keinen Widerspruch hat. Neben dem Zeitverlust ist dies zudem ein maximal unkooperativer Stil. Dieses Verhalten erstreckt sich sogar auf neue Anträge, die zunächst in die thematisch zuständigen Ausschüsse überwiesen werden sollen. Auch hier verweigert die AfD als einzige Fraktion die pauschale Abstimmung der Anträge und erzwingt die Abstimmung über jede Überweisung, ohne inhaltlichen Widerspruch.

Neben diesem anspruchslosen, zeitraubenden und wenig kooperativen Stil bieten Wortbeiträge der AfD Fraktion selten inhaltlichen Tiefgang, teils sind sie sogar menschenverachtend und schlicht rassistisch.

Koray Özbagci

FDP-Fraktion

Extremismus, Populismus und Gleichgültigkeit bedrohen unsere Demokratie gleichermaßen. Für uns Freie Demokraten ist es daher eine Kernaufgabe, die liberale Demokratie mit Leben zu füllen und zu verteidigen. Dafür tragen wir auch auf kommunaler Ebene Verantwortung. Die Bezirksverordnetenversammlung ist ein demokratisch gewähltes Gremium, das von verschiedenen Fraktionen und der damit einhergehenden Meinungsvielfalt geprägt ist. Wir Freie Demokraten bekennen uns zu dieser Form der repräsentativen Demokratie. In Zeiten der Krisenbewältigung, wie der Corona-Pandemie, war es für uns als FDP-Fraktion immer wichtig, die BVV weiterhin für die Bürgerinnen und Bürger durch online-Übertragungen transparent arbeiten zu lassen. Denn die zentralen Orte der Diskussion und politischen Entscheidungen sind die von uns allen gewählten Parlamente. Darüber hinaus sind neue Instrumente der Bürgerbeteiligung außerhalb von Wahlen ein Gewinn für unsere repräsentative Demokratie. Wir sind daher dankbar für die vielen Initiativen, die sich an uns wenden und haben die BVV daher in der vergangenen Wahlperiode unterstützt, verschiedene Instrumente zu schaffen, die eine möglichst breite Bürgerbeteiligung ermöglichen.

Felix Recke

AfD-Fraktion

Vieles ist verbesserungsbedürftig. Der AfD-Fraktion wird seit über einem Jahr ein Sitz im BVV-Vorstand vorenthalten, obwohl dieser uns laut Geschäftsordnung zusteht. Unsere Anträge werden per se abgelehnt – manche dann später gerne kopiert. Die SPD-Stadträtin befindet, sie müsse „speien“, nur weil wir fragen, warum sie die (meist falschen!) Altersangaben von „Minderjährigen Unbegleiteten Flüchtlingen“ nicht kontrollieren will. Der Grünen-Stadtrat rückt die AfD-Fraktion gleich in die Nähe des Amokläufers von Hanau. Vom Satiriker Wiglaf Droste stammt das Bonmot: Ist der Verstand zu kurz gekommen, wird sehr gern Moral genommen. Am Verstand unserer politischen Gegner zweifeln wir nicht. Nur schwimmen sie viel zu oft auf der Welle der Moral, dabei gehen ständig elementarste demokratische Umgangsformen über Bord. Nichts gegen scharfe Kritik und auch mal bissige Polemik. Generell sollte aber für alle gelten: Menschen, die unseren Auffassungen nicht folgen, werden nicht als innere Feinde stigmatisiert (z. B. als Nazis). Wir halten es mit Hannah Ahrendt: Wahrheit gibt es nur Zweien. Auf die BVV angewandt heißt das: Wahrheit gibt es nur, wenn alle zu ihrem Recht kommen und niemand diffamiert und ausgegrenzt wird – egal ob links oder rechts.

Michael Seyfert

Linksfraktion

Der Umgang in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Charlottenburg-Wilmersdorf muss demokratisiert werden. Ein erster und wichtiger Schritt wäre die Abwesenheit der AfD-Fraktion. Denn die BVV soll für Menschen ein Ort der bunten Vielfalt, Toleranz und Weltoffenheit sein – ohne Alternative. Die AfD verweigert jeden demokratischen Konsens – egal ob sie unkollegial einen enormen Bearbeitungsstau durch Einzelabstimmungen bereits mehrheitlich entschiedener Anträge produziert oder indem sie unsolidarisch migrationsfeindliche Positionen auf die Tagesordnung setzt. Sie bedient rassistische Zuschreibungen und Zuspitzungen in Bezug auf Zuwanderung und hält durch ausgrenzende Äußerungen über Minderheiten rechtspopulistische Identitätsthemen in der öffentlichen Debatte. Darum brachte es kein AfD-Antrag je zu einer Mehrheit – und so bleibt es!

Nicht Rechtspopulist:innen gehört die Bühne der BVV, sondern den Bürger:innen unseres Bezirks! Ihre Mitwirkungsrechte wollen wir ausbauen und fest im Bezirksverwaltungsgesetz verankern. Statt sie nur mit einem Fragerecht auszustatten, sollen sie mitentscheiden können, direkt und als Teil einer Politik von unten. So stärken wir die Demokratie und verbessern den Umgang miteinander!

Annetta Juckel

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