Erschienen in Gazette Schöneberg & Friedenau Oktober 2021
Für die beliebte Berliner Butterstulle bietet Nicole Kamrath in ihrem kleinen, aber feinen Schöneberger „Mehlstübchen“ beste Voraussetzungen, um sie zum Highlight einer jeden Brotmahlzeit werden zu lassen: Rund 60 Mehlsorten und Backmischungen warten in ihren Regalen darauf, in heimischen Backöfen zu knusprigem Bauernbrot, saftigem Ciabatta und fluffigem Baguette verbacken zu werden. Wer es aber nicht erwarten kann, die Zähne in frisches Selbstgebackenes zu schlagen, kann dies gleich vor Ort im Laden tun: Dort stillen aufs Leckerste ofenwarme Brote, Brezeln, Croissants und Teilchen das erste Verlangen – und machen Appetit auf mehr.
Vor 15 Jahren eröffnete die gelernte Zahntechnikerin nach der Idee eines Bekannten die Mehlmanufaktur „Mehlstübchen“ in dem schon länger leerstehenden Laden, in welchem zuletzt Vierbeinern die Locken gestutzt worden waren. „Die Gesundheitsreform im Jahr 2006 bescherte mir keine sehr aussichtsreichen Berufsaussichten in meinem eigentlichen Beruf“, erklärt Nicole Kamrath ihren damaligen Quereinstieg in die Lebensmittelbranche, den sie bis heute nicht bereut hat, denn die Mehlauswahl in Supermärkten ist immer noch nur klein. Längst hat sich ihr anheimelndes Geschäft, das direkt an einer Bushaltestelle in der Leberstraße liegt, zum Berliner Geheimtipp weit über Schöneberg hinaus entwickelt. Schon auf der Straße duftet es nach frischem Backwerk, und hat man erst das leicht nostalgisch anmutende Geschäft betreten, würde es kaum wundern, sprängen Max und Moritz hinterm Ladentisch hervor. Alte Mahluntensilien erinnern an vergangene Müller-Tage, in braunen Papiertüten präsentieren sich die Mehlköstlichkeiten in reicher Auswahl den Käufern, die sich an diesem Morgen die Klinke in die Hand geben. Frische Brötchen und Rosinenschnecken – tiefgefroren geliefert und im Laden gebacken – gehen über den Tresen. „Mittags gehen dann besonders gut die belegten Brötchen und Brote“, erzählt Ladeninhaberin Nicole. An ihrer Seite steht im Wechsel ein sechsköpfiges Team.
Gerade füllt ihre Kollegin Mehl in Ein-Kilo-Tüten ab, aber es gibt auch Fünf-Kilo-Tüten sowie 10-Kilo- und 25-Kilo-Mehlsäcke: „Die gehen aber meist an Pizzerien und Restaurants“, weiß Nicole. Zu Corona-Beginn kam sie mit den Mengen, die ihre Käufer bunkern wollten, fast in Liefernot. „Da musste ich die Pro-Person-Abgabe auf 10 Kilo begrenzen, sonst wäre ich innerhalb kürzester Zeit ausverkauft gewesen.“ Dass die Pandemie den Trend zum Selbstbacken kräftig angeheizt hat, bestätigt sie gern und betont, dass die Käufer seitdem eher die Fünf-Kilo-Tüten kaufen und sich Mehle alter Getreidesorten wie Dinkel wachsender Beliebtheit erfreuen.
Das Mehl bezieht Nicole Kamrath von mehr als zehn kleineren heimischen Mühlen u. a. aus dem nordrheinwestfälischen Waltrop, aber auch aus Frankreich, woher das besonders feine Patisseriemehl kommt. Glutenfreie Mehle sind gefragt, das Angebot der Mehlmanufaktur reicht dabei von Mehlen und Mischungen aus Amarant, Buchweizen und Hirse bis zu Kichererbsenmehl, Masa Harina (Mexikanisches Maismehl) und dem Trendsetter Teffmehl aus Äthiopien. Beliebt auch die Dinkelmehle, spezielle Weizenmehle, Roggenmehle und Saaten. Und dann gibt es da die eingeschworenen Liebhaber der Mehlmischungen für Maultaschen, Spätzle, Pizza und Strudel, die regelmäßig Wochenendnachschub ordern. Beliebt sind auch die Muffinmischung und verschiedene Kuchenmischungen. Zwischen den Mehltüten liegen kleine Beutel mit Roggensauer (Sauerteigpulver) und Weizensauer sowie Röstmalz, das feuchte Krume und kräftige Kruste des Brotes fördert. Und wer keine passende Kastenform für erste Brotbackversuche parat hat, findet sie im Regal neben der Ladentür, wo auch Brotbackkörbe in verschiedenen Ausführungen für den eher fortgeschrittenen Brotbäcker bereitstehen. Die Lieferung dieser Körbe stocke derzeit, berichtet die Chefin, denn aufgrund der gesteigerten Nachfrage kommen die Korb-Produzenten mit der Herstellung kaum nach.
Backkurse und Seminare bietet Nicole Kamrath aktuell nicht an: „Der Laden ist einfach zu klein dafür.“ Aber sie steht mit Rat und Tat ihren Privat- und Geschäftskunden zur Seite, wenn´s ums Backen oder die richtige Mehlwahl geht. Mir gibt sie mit auf den Weg: „Brot kann wunderbar daheim im Ofen gebacken werden – aber immer Ober- und Unterhitze und hohe Anfangs-Backtemperatur von mindestens 230 wählen, da Umluft den Teig nicht aufgehen und die Krume nicht locker werden, sondern sie eher zusammenfallen lässt.“
Nun überlege ich nur noch: soll ich als Backmischung die Vitalbrotmischung oder doch besser die Seelenbackmischung für erste Backversuche wählen?
Jacqueline Lorenz
Mehlstübchen
Leberstraße 28
10829 BerlinÖffnungszeiten:
Mo.-Fr. 9-18 Uhr, Sa. 9-14 Uhr
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